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Die Bedeutung der Literatur und der Einfluss des Agramer Kreises

3 Die Darstellung des Illyrismus

3.1 Die Bedeutung der Literatur und der Einfluss des Agramer Kreises

Dichter seiner Zeit ist. Dies wird offensichtlich, als er im zweiten Kapitel Stanko Vraz und den Kreis von Ljudevit Gaj trifft. Der Agramer Kreis ist begeistert von Pero und alle loben ihn über alle Maßen. Die folgenden Zitate aus dem Roman sollen dies noch deutlicher veranschaulichen.

„Stanko Vraz sah den Jüngeren mit bewundernder brüderlicher Herzlichkeit an. ‚Es muß auch dein Agram werden, oder vielmehr: es ist schon dein Agram! Du hast es erobert. Unser leuchtendster, unser bester Dichter bist du!‘“38 Neben der offensichtlichen Bewunderung kann man in dem Zitat noch ein weiteres Element finden, dass eng mit der Bewegung verflochten ist, und zwar die „Brüderlichkeit“ der Illyristen. Diese Eigenschaft wird durch den ganzen Roman hin etabliert, in dem sich die Charaktere immer mit dem Wort „Bruder“ ansprechen. Damit wird eine innige Verbindung zwischen ihnen hergestellt, die tiefer ist, als dass sie nur freundschaftliche Bekannte oder Mitglieder der gleichen Nationalbewegung sind. Dadurch wird auch die Bewegung selbst als etwas Größeres, Bedeutenderes etabliert.

‚[…]. Ja, meine Gedichte haben manch einen aufwecken dürfen; wunderbar ist das, wie so ein Lied aus der tiefsten Seele kommt, aus den eigensten geheimsten Ursachen geboren wird, aus der verborgenen vergrabenen Wurzel unseres Herzens wächst und dann doch das aussagt, was

38 Paula von Preradović (1951): Pave und Pero. Salzburg: O. Müller Verlag, S. 18.

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die anderen Herzen fühlen, wünschen und ahnen. Dies ist das Wunder des Dichterseins, seine größte Gnade: daß man der Mund derer sein darf, die nicht reden können!‘39

In diesem Zitat wird nicht nur der Einfluss von Peros Poesie gezeigt, sondern es wird betont, dass er dies nicht aus Eigennutzen macht. Er wurde berufen für andere zu sprechen bzw. das auszusprechen, was andere nicht sagen oder nicht so schön äußern können. Es kreiert eine Vision, dass die illyrische Dichtung und die Bewegung etwas unbedingt Nötiges waren und von breiten Maßen erwünscht waren und nicht nur etwas, was die enge Gruppe der Intellektuellen um Ljudevit Gaj dachte und wollte. Dazu dient es auch dem Zweck, Pero als Person nicht arrogant wirken zu lassen. Dieses Gefühl der Demut wird in dem nächsten Zitat noch deutlicher, da er nicht nur im Hinblick auf seinen eigenen (persönlichen) Erfolg demütig ist, sondern auch im Vergleich zu den anderen Mitgliedern der illyrischen Bewegung. Hinzu kommt hier wieder die Betonung der Brüderlichkeit und Einigkeit der Gruppierung zum Vorschein. Man sieht, wie tief das Konzept des Kollektivs in ihm verwurzelt ist. „Sag das nicht, Stanko, nochmals bitt‘

ich dich! Es beschämt mich und mehr als das, es macht mich traurig. Ich will gar nicht der Größte unter euch sein. Einer von euch zu sein, das war meine Sehnsucht. […].“40

Im folgenden Zitat, in welchem Ljudevit Gaj und Pero über Peros Arbeit bei der Zeitschrift Morgenröte sprechen, wird sichtbar, dass beide überzeugt waren, dass die Publizistik für das Verbreiten von illyristischen Ideen ausschlaggebend war.

‚So werden sie also weiterhin bei der Herausgabe der ‚Morgenröte‘ tätig sein? Nichts kann uns erfreulicher und wertvoller dünken. Nirgends vielleicht bedürfen wir so sehr eines befeuernden Anwaltes und tapferen Vorkämpfers unserer großen Sache wie in Dalmatien, wo, wie wir wohl wissen, die Widerstände bedeutend sind.‘ Pero drehte seinen Stuhl ein wenig zu Doktor Gaj herum: ‚Bedeutend sind die Widerstände allerdings. Die Dalmatiner sind Separatisten. […].

Man kann leider sagen, daß es in ganz Dalmatien keine sieben erwachsenen Leute gibt, die sich als Kroaten, als Illyrier, als Südslawen fühlen. Die Jugend aber ist anders. Sie müssen wir

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In dem Zitat wird obendrauf gezeigt, dass die illyristische Bewegung nicht überall gleichviel Anerkennung gewann. So scheint die Figur von Pero überzeugt zu sein, dass der Stand der Dinge in Dalmatien ganz anders als in Agram bzw. Zagreb ist, wo Gaj und sein Kreis primär wirkten und wo das Zentrum der Bewegung loziert war. Die zweite Tatsache, die hier deutlich wird, ist die Leidenschaft, mit welcher Pero über die illyristische Sache spricht.

Bei der Darstellung der Agramer Gruppe im Roman spielte eine wichtige Rolle auch die Figur der Ehefrau von Herrn Vancaš, eines der Mitglieder der illyristischen Bewegung, was in dem folgenden Zitat demonstriert wird:

‚Vancaš ist einer der Unseren, ein treuer Genosse. Seine Frau aber ist schön, klug und gütig, und ihr Haus ist unser Heim. Sie nennt uns ihre Söhne, und wir nennen sie unser Mütterchen, obgleich sie weit jünger ist als wir. Sie hat eine feurige Seele, und die illyristische Sache kann nirgendwo heller brennen als in ihrem edlen Herzen.‘42

Hier wird betont, dass sie, obwohl sie eine Frau ist, doch ein wichtiger Bestandteil der Gruppe ist und alle zusammenhält, sie ist sozusagen der Kleber, ohne welchen dieser „illyrische Topf“

zerbrechen würde. Die Einarbeitung dieses Details in den Roman seitens der Autorin bewirkt zweifaches: es demonstriert, wie fortschrittlich die illyrische Bewegung gewesen sein soll, dass es nicht nur ein Männerklub war, sondern dass hier Frauen und deren Meinungen geschätzt wurden. Dies wird im Roman natürlich sehr idealistisch dargestellt und die Realität sah wahrscheinlich doch nicht derart positiv für Frauen, die sich politisch oder kulturell engagieren wollten, aus. Die zweite Erkenntnis, die man aus dem Zitat gewinnen kann, ist wiederum ein erneuter Versuch, die Beziehungen zwischen den Illyristen auf eine familiäre Basis zu bringen, hier wird die Beziehung der Brüderschaft noch erweitert durch die Mutter-Sohn Beziehung, die zwischen Frau Vancaš und den Herren der Agramer Gruppe beschrieben wird.

Neben der schon erwähnten Brüderschaft taucht in dem Roman noch ein anderes illyrisches Element sehr häufig auf, unter anderem im folgenden Zitat:

42 Ebd., S. 22.

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‚Daß diese Jugend heute schon anders ist, daran haben Ihre Lieder den Löwenteil, Pobratime.

Komme ich wieder nach Dalmatien, dann will ich keinen jungen Burschen mehr sehen, der ohne die Surka herumläuft. Unser Gedanke schreitet fort, bald werden wir ein freies einiges Volk sein. In Zukunft wird jedes Kind unserer Idee geboren werden.‘43

Abbildung 3: Die traditionelle Surka.44

Es handelt sich um die sogenannte Surka. Das slowenische Onlinewörterbuch Fran45 als auch das Onlinelexikon Hrvatska enciklopedija46 definieren den Begriff Surka als ein Teil der Herrentracht aus dem Nordwesten Kroatiens. Es handelt sich um eine Art kurze Jacke, meistens braun, grau oder weiß, die mit roten Borten und bunten Stickereien verziert ist. In beiden Einträgen wird betont, dass die Surka in der Zeit der illyrischen Bewegung zum nationalen Symbol des Kampfes gegen die Magyarisierung und Germanisierung geworden ist und noch immer ein Zeichen für die Zugehörigkeit zum Illyrismus bzw. Slawismus ist. Die zweite Tatsache, die man in diesem Zitat erkennen kann, ist der unglaubliche Optimismus, der in dieser

43 Ebd., S. 26.

44 Vgl. Hrvatska enciklopedija. Erhältlich unter: https://www.enciklopedija.hr/Natuknica.aspx?ID=58878 (Zugriffsdatum: 14.12.2021).

45 Vgl. Fran. Surka. Erhältlich unter: https://fran.si/130/sskj-slovar-slovenskega-knjiznega-jezika/3601632/surka?page=3769&FilteredDictionaryIds=130&Query=*&View=2 (Zugriffsdatum: 15.12.2021).

46 Vgl. Hrvatska enciklopedija. Surka. Erhältlich unter: https://www.enciklopedija.hr/Natuknica.aspx?ID=58878 (Zugriffsdatum: 15.12.2021).

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Zeit (aus einem späteren Absatz des Romans erfahren wir, dass es sich um das Jahr 1848 handelt) bei den Illyristen herrschte. Dies ist ein bedeutender Kontrast zu der zweiten Hälfte des Romans, der sich in dem Jahr 1854 abspielt, als dieser Optimismus verblasst.

Als Pero in Wien Besuch von dem bekannten Philologen Vuk Stefanović Karadžić bekommt, sprechen die beiden unter anderen über die Bedeutung der Muttersprache. Beide betonen, dass es nicht lange her ist, als die slawischen Sprachen als weniger wert angesehen wurden, nun in den Sprachen jedoch gedichtet wird:

‚Aber siehst du, Bruder, daß nun schon Dichter aufstehen und in dieser unserer Sprache, ob man sie nun Serbisch nennt, wie ich, oder Kroatisch wie du, die man aber damals, als ich anfing, ihre Tausende von taufrischen Wörtern in Wörterbüchern und Grammatiken einzufangen, eine Ochsenhirtensprache geschimpft hat, daß in dieser Sprache nun gedichtet wird im ganzen Land, siehst du, Bruder, das freut mich so, daß ich habe kommen und es dir sagen müssen […].‘47

In diesem Gespräch erwähnt Vuk auch die Bedeutung der alten Volkslieder, die er gesammelt hat, und weist darauf hin, dass Peros Gedichte eine ähnliche Thematik und einen ähnlichen Wert haben:

‚[…]. Zu denken, wie groß, wie mächtig das Slawenreich zu jener Zeit gewesen ist, so daß nicht viel gefehlt hat, und es hätte bis Byzanz gereicht, ja, wer kann’s wissen, es hätte Byzanz überwältigt und in sich einbezogen! Das Angesicht der Erde wäre ein anderes geworden, das halbe Jahrtausend des Türkenjoches wäre uns vielleicht erspart geblieben. […].’48

Es zeigt die Tendenzen der illyrischen Dichtung, die auch starke Einflüsse der Romantik aufweist. Es ist auch ein allgemeiner Trend gewesen, dass diese Nationalbewegungen, vor allem für Völker, die keine „reiche/etablierte“ Geschichte hatten, durch Dichtung versuchten, Sagen zu kreieren oder schon bestehende Sagen auszubauen.

Im nächsten Zitat wird die Tendenz der Beschönigung der Tatsachen sichtbar:

47 Paula von Preradović (1951): Pave und Pero. Salzburg: O. Müller Verlag, S. 87.

48 Ebd., S. 96–97.

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‚Aber die große Föhre ist nun ein berühmter Baum‘, meinte Miho. ‚Unter ihr sitzend hat doch Pero viele seiner schönsten Gedichte geschrieben, die heute, nach elf Jahren, alle kroatischen Spatzen von den Dächern pfeifen und die jedes Kind in Kroatien und Dalmatien auswendig weiß.‘49

An zahlreichen Stellen im Roman wird betont, wie bekannt Peros Gedichte waren. Dies wird oft in Gespräche eingeschoben, die ursprünglich von ganz anderen Dingen handeln und man fragt sich, ob es vielleicht doch nicht so logisch erscheint, dass die erste Assoziation, die jemand auf einen Baum hat, die Tatsache ist, dass Pero dort seine berühmten Gedichte geschrieben hat.

Ähnliche Lobpreisungen von Peros Gedichten kann man im folgenden Zitat erkennen, hier wird aber noch ein anderer Aspekt der illyristischen Bewegung angedeutet.

Hier in dem fremden Haus, an der fremden, großen Straße gab es also Leute, die von Pero wußten. Gleich wollte sie es ihm schreiben! Dem Burschen aber sagte sie freundlich, ja, ‚Der Wanderer‘ sei ein Gedicht von ihrem Mann. Der Junge stotterte nochmals: ‚Im Priesterseminar haben wir es gelernt.‘50

Der Bursche erwähnt, dass er das Gedicht im Priesterseminar gelernt hat, was nicht überraschend erscheint. Meistens wurde man auf die Frage, wer den Illyrismus und die illyristischen Ideen unter die breiteren Massen verbreitet hat, als Antwort „die Intellektuellen“

bekommen. Doch in vielen Geschichtsbüchern, so auch in Šidaks Hrvatski narodni preporod51, wird betont, dass auch Priester sehr aktive Mitglieder der Bewegung waren. Vor allem der Priester Josip Strossmayer wird häufig erwähnt. In Petar Preradovićs Leben war er eine so wichtige Person, dass der Dichter ihm zu Ehren sogar einen Gedichtband gewidmet hat.

Das nächste Zitat kommt gegen das Ende des Romans vor, nachdem Pero schon von dem tragischen Tod seiner Tochter und Ehefrau erfahren hat und in seiner Trauer verloren darüber nachdenkt, wie er überhaupt sein Leben weiterführen kann und ob er je wieder dichten wird.

Hier wird wieder die unglaubliche Verbundenheit zwischen den Illyristen gezeigt. Peros Trauer

49 Ebd., S. 228.

50 Ebd., S. 142.

51 Vgl. Jaroslav Šidak (1988): Hrvatski narodni preporod – ilirski pokret. Zagreb: Školska knjiga: Stvarnost.

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wird durch seinen guten Freund Ivan Kaznačić (1817–1883) gemildert und er bekommt neue Hoffnung sowohl für sein privates Leben als auch für sein Dichtertum.

Da schien Pero zu erwachen. Er sah den anderen mit einem Blick an, der plötzlich flammend geworden war, er faßte ihn heftig am Arm und sagte mit wilder Stimme: ‚Nein! Nichts ist dahin.

Unsere Ideale bleiben, und jeder hat an seinem Fleck zu arbeiten. Je tiefer die Demütigung, desto unbedingter müssen Liebe und Einsatz eines jeden von uns sein. Und daß eine so herrliche Sache wie unser illyrischer Jugendaufschwung, der mir noch immer im Herzen nachtönt, wie der Jubel von hunderttausend Lerchen hoch oben über dem Land, daß er hat sein dürfen – welches Glück war das! Und wenn ich der treuen Freundschaft gedenke, die uns alle verbunden hat! August, was für eine starke, wahrhafte Brüderlichkeit war doch in dem Agramer Kreis lebendig, und wie hat sie auch die Fernwohnenden dich, mich und viele, miteinbezogen! Gerade heute, wo ich arm und beraubt dastehe, spüre ich diese Zusammengehörigkeit als ein über alles kostbare Gut!‘ Er glühte, seine Trauer schien für einen Augenblick gewichen.52