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Ilirizem v romanu Pave und Pero od Paule Preradović Preradović Illyrismus in dem Roman Pave und Pero von Paula

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Academic year: 2022

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UNIVERZA V LJUBLJANI FILOZOFSKA FAKULTETA

ODDELEK ZA GERMANISTIKO Z NEDERLANDISTIKO IN SKANDINAVISTIKO

SAŠA KRALJ

Illyrismus in dem Roman Pave und Pero von Paula Preradović

Ilirizem v romanu Pave und Pero od Paule Preradović

Magistrsko delo

Mentor:

doc. dr. Johann Georg Lughofer Univerzitetni študijski program druge stopnje: Germanistika

Ljubljana, 2022

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Danksagung

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen bedanken, die mir bei der Entstehung dieser Seminararbeit mit Rat und Unterstützung beigestanden haben. Insbesondere gilt mein Dank meinem Professor und Mentor dieser Seminararbeit, Doz. Dr. Johann Georg Lughofer, der mir mit seinem außerordentlichen Wissen und seiner konstruktiven Kritik geholfen hat, eine Arbeit zustande zu bringen, auf welche ich stolz sein kann. Mein Dank gilt natürlich auch meinen Eltern Nevenka und Andrej, meinen Geschwistern Luka und Tea, meinem Großvater Vincenc und meinem Verlobten Boris, die mich immer unterstutzt haben und mir Motivation zugesprochen haben, als ich diese am meisten benötigte.

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Izvleček

Ilirizem v romanu Pave und Pero od Paule Preradović

Magistrsko delo skuša osvetliti vprašanje, kako je v romanu Pave und Pero avtorice Paule Preradović prikazan ilirizem. Glavna figura romana Pero je zasnovana na pesniku Petru Preradoviću, ki je bil dedek avtorice romana. Petar Preradović je bil eden najpomembnejših članov ilirskega gibanja in njegova poezija je postala pomemben del literarnega kanona na Hrvaškem. Glavno raziskovalno vprašanje magistrske naloge je bilo, ali je prikaz ilirizma v romanu realističen ali je prišlo do kakšnih odstopanj v smislu idealiziranega prikaza. Poleg tega je analiziran tudi prikaz gibanja za združitev Italije, z namenom primerjave obeh gibanj. Eden od ciljev magistrske naloge je tudi, ugotoviti, kateri aspekti so bili za avtorico romana ključni pri prikazu ilirizma.

Ključne besede: Pave und Pero, Paula Preradović, ilirizem, združitev Italije, Petar Preradović

Abstract

The Illyrian Movement in the Novel Pave und Pero by Paula Preradović

The master's thesis seeks to shed light on the question of how the Illyrian movement is portrayed in the novel Pave und Pero by Paula Preradović. The main figure of the novel Pero is based on the poet Petar Preradović, who was the grandfather of the author of the novel. Petar Preradović was one of the most important members of the Illyrian movement and his poetry became an important part of the literary canon in Croatia. The main research question of the master's thesis was whether the depiction of the Illyrian movement in the novel was realistic or whether there were any deviations in the sense, that there was an idealized depiction. In addition, the depiction of the movement for the unification of Italy is analyzed in order to compare the two movements.

One of the goals of the master's thesis is also to figure out which aspects were crucial for the author of the novel in depicting the Illyrian movement.

Key words: Pave und Pero, Paula Preradović, the Illyrian movement, Unification of Italy, Petar Preradović

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Abstract

Illyrismus in dem Roman Pave und Pero von Paula Preradović

Die Magisterarbeit soll der Frage nachgehen, wie die illyrische Bewegung im Roman Pave und Pero von Paula Preradović dargestellt wird. Die Hauptfigur des Romans Pero basiert auf dem Dichter Petar Preradović, der der Großvater der Romanautorin war. Petar Preradović war einer der wichtigsten Vertreter der illyrischen Bewegung und seine Poesie wurde zu einem wichtigen Bestandteil des literarischen Kanons in Kroatien. Die zentrale Forschungsfrage der Magisterarbeit war, ob die Darstellung der illyrischen Bewegung im Roman realistisch war oder ob es Abweichungen im Sinne einer idealisierten Darstellung gab. Außerdem wird die Darstellung der italienischen Unabhängigkeitsbewegung analysiert, um die beiden Bewegungen zu vergleichen. Ein Ziel der Masterarbeit ist es auch herauszufinden, welche Aspekte für die Autorin des Romans bei der Darstellung der illyrischen Bewegung ausschlaggebend waren.

Schlüsselwörter: Pave und Pero, Paula Preradović, Illyrimsus, Vereinigung Italiens, Petar Preradović

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 8

2 Grundriss der geschichtlichen Gegebenheiten ... 9

2.1 Die illyrische Bewegung ... 9

2.1.1 Die sprachliche Situation ... 12

2.1.2 Der slowenische Illyrismus ... 14

2.1.3 Der Illyrismus als literarische Epoche ... 15

2.1.4 Illyrismus und Kroatismus ... 16

2.2 Petar Preradović und seine Rolle im Illyrismus ... 17

2.3 Die italienische Unabhängigkeitsbewegung und das Jahr 1848 ... 19

3 Die Darstellung des Illyrismus ... 22

3.1 Die Bedeutung der Literatur und der Einfluss des Agramer Kreises ... 22

3.2 Die Bedeutung der Muttersprache ... 28

3.3 Peros doppelte Loyalität ... 29

4 Ein Vergleich der illyrischen Bewegung und der italienischen Unabhängigkeitsbewegung ... 31

5 Schlussbemerkungen ... 38

6 Zusammenfassung ... 39

7 Povzetek ... 40

8 Literatur- und Quellenverzeichnis ... 41

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8.1 Primärliteratur ... 41

8.2 Sekundärliteratur ... 41

8.3 Internetquellen ... 42

8.4 Bilderquellen: ... 43

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Bilderverzeichnis

Abbildung 1: Die literarische Beilage Danica Ilirska ... 11 Abbildung 2: Das Geburtshaus von Petar Preradović, heute ein Museum ... 19 Abbildung 3: Die traditionelle Surka ... 25

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1 Einleitung

Die vorliegende Magisterarbeit mit dem Titel Illyrismus in dem Roman Pave und Pero von Paula Preradović beschäftigt sich mit dem Thema der Nationalbewegungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor allem der illyrischen Bewegung und der italienischen Unabhängigkeitsbewegung, und deren Darstellung in dem Roman Pave und Pero. Der Roman wurde von Paula Preradović (1887–1951) geschrieben und im Jahr 1940 veröffentlicht. Das Ziel der Magisterarbeit ist es festzustellen, ob die Darstellung der illyristischen Bewegung im Roman realistisch ist, oder ob es zu Abweichungen im Sinne einer Idealisierung kommt. Da sowohl die illyrische als auch die italienische Nationalbewegung dargestellt werden, ist eine wichtige Fragestellung, ob es zu drastischen Unterschieden in der Darstellung der beiden kommt bzw. ob eine der Bewegungen von der Autorin bei der Beschreibung bevorzugt behandelt wird. Durch die Analyse des Romans soll festgestellt werden, welche Hauptaspekte die Autorin bei der Darstellung der illyristischen Bewegung beachtet hat und in den Roman miteingebunden hat und welche Aspekte vielleicht keine Erwähnung fanden. Die Analyse wird anhand von Zitaten aus dem Roman durchgeführt und erklärt. Um diese Analyse jedoch besser zu verstehen, wird zunächst ein kurzer historischer Grundriss gezeichnet. Dabei wird erläutert, was die illyrische Bewegung überhaupt war, wer die Hauptvertreter waren, wie die Sprachenfrage verstanden wurde, wie es mit dem Illyrismus in Slowenien aussah, wie die Bewegung in die Literaturgeschichte eingebettet wird und was der Unterschied zwischen dem Illyrismus und dem Kroatismus war. Dann folgt eine kurze Zusammenfassung des Lebens von Petar Preradović (1818–1872), der als Inspiration für die Hauptfigur des Romans, Pero, diente.

Am Ende dieses historischen Teils werden noch die wichtigsten Ereignisse der italienischen Unabhängigkeitsbewegung beschrieben. In dem empirischen Teil wird die Analyse der Darstellung des Illyrismus wiedergegeben. Nach der Analyse des Illyrismus wird noch die Darstellung der italienischen Unabhängigkeitsbewegung analysiert, um einen Vergleich mit der illyristischen Bewegung ziehen zu können. Zum Schluss werden die wichtigsten Erkenntnisse der Magisterarbeit aufgelistet und kommentiert.

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2 Grundriss der geschichtlichen Gegebenheiten

2.1 Die illyrische Bewegung

Bei dem Begriff Illyrismus handelt es sich um eine kulturelle, ethnische und politische Nationalbewegung, welche die Einheit der Südslawen im Habsburgerreich anstrebte. Hierbei ist es wichtig zu betonen, dass die Illyristen nicht weg vom Habsburgerreich wollten, sondern lediglich mehr Freiheiten und Rechte wollten und vor allem eine kulturelle Verbundenheit der Südslawen verfolgten. Die ersten Illyristen waren eine Gruppe junger kroatischer Intellektueller, die von Ljudevit Gaj (1809–1872) angeführt wurden. Die Bewegung hatte zwar auch einige slowenische und serbische Anhänger, aber der wesentliche Teil der Illyristen war kroatisch, weswegen man für die Bewegung vor allem in Kroatien auch den Begriff Kroatische Nationale Wiedergeburt (kroat.: hrvatski narodni preporod) verwendet.1 Der Begriff Illyrisch wurde als Benennung für die Südslawen bzw. die südslawische Landschaft ab der Mitte des 15.

Jahrhunderts verwendet, als er unter dem Einfluss humanistischer Ideen aus der Antike übernommen wurde. Es entwickelte sich die Überzeugung, dass die Südslawen direkte Nachfahren der antiken Illyrer sind. Diese falsche Überzeugung war bis in die Mitte des 19.

Jahrhunderts sehr weit verbreitet und als wahr angesehen. Am Anfang des 19. Jahrhunderts, während der Napoleonischen Kriege, wurde der Begriff Illyrische Provinzen für administrative Zwecke für den Teil der österreichischen Monarchie, den Südslawen, vor allem Slowenen und Kroaten, bewohnten, benutzt.2 Der illyrische Name wurde für die Nationalbewegung vor allem deswegen gewählt, weil man den möglichen Konflikten entgehen wollte, zu denen es käme, würde man einen der drei Volksnamen (slowenisch, kroatisch, serbisch) für die Bewegung, die gemeinsame Sprache oder die Landschaft verwenden.3

Der Historiker Jaroslav Šidak datiert den Anfang der illyrischen Bewegung in das Jahr 1835, als Ljudevit Gaj die Zeitschrift Novine horvatske (später in Ilirske Narodne Novine umbenannt) und die literarische Beilage Danice horvatske, slavonske i dalmatinske (später Danica ilirska)

1 Vgl. Wikipedia. Illyrische Bewegung. Erhältlich unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Illyrische_Bewegung (Zugriffsdatum: 10.12.2021).

2 Vgl. Reinhard Lauer (2010): Die illyristische Versuchung. In: Bernik, France/Lauer, Reinhard (Hrsg.): Die Grundlagen der slowenischen Kultur. Berlin/New York: De Gruyter, S. 171–184, hier S. 172–174.

3 Vgl. Jaroslav Šidak (1988): Hrvatski narodni preporod – ilirski pokret. Zagreb: Školska knjiga: Stvarnost, S.

123–124.

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in kroatischer Sprache (das erste Jahr in Kajkavisch, danach in Štokavisch) herausgibt. Die Publizistik und die Literatur waren die wichtigsten Träger der Bewegung, da Ljudevit Gaj und sein Kreis von Intellektuellen in den Zeitschriften ihre Ideen und Volkslieder veröffentlichten und somit das Nationalbewusstsein bei den breiteren Massen verbreiteten.4 Eine weitere wichtige Zeitschrift war auch Zora dalmatinska (dt.: Morgenröte), in der Petar Preradović seine Gedichte veröffentlichte. Das Zentrum des Illyrismus war Zagreb, anderswo, z. B. in Dalmatien, hatte die Bewegung nur wenige Anhänger.5 Die Entwicklung der kroatischen Publizistik war von großer Bedeutung, da es vor der Herausgabe von Gajs Novine horvatske in 1835 nur Zeitschriften in deutscher Sprache gab. Nur in der deutschsprachigen literarischen Beilage Luna gab es hier und da ein Gedicht im kajkavischen Dialekt. Auch in den Schulen war der Stand der südslawischen Sprachvarianten vor der Zeit der illyristischen Bewegung schlecht.

Im Schuljahr 1833/34 wurde das Ungarische wieder als Pflichtfach an den Gymnasien und an der Akademie im kroatischen Raum eingeführt. Die kroatische Sprache wurde ab dem Jahr 1835 von Ivan Mažuranić (1814–1890) am Gymnasium nur außerhalb des offiziellen Kurrikulums unterrichtet.6

4 Vgl. ebd., S. 119–120.

5 Vgl. Hrvatska enciklopedija. Ilirizam. Erhältlich unter: https://www.enciklopedija.hr/Natuknica.aspx?ID=27089 (Zugriffsdatum: 13.12.2021).

6 Vgl. Jaroslav Šidak (1988): Hrvatski narodni preporod – ilirski pokret. Zagreb: Školska knjiga: Stvarnost, S.

119.

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Abbildung 1: Die literarische Beilage Danica Ilirska.7

Diese immer stärkere Germanisierung und Magyarisierung ist nur einer der Gründe für den Aufstieg der illyristischen Bewegung in dieser Zeitperiode. Ein weiterer Grund sind die revolutionären Neigungen, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa verbreitet waren, z. B. die Julirevolution in Frankreich 1830 oder die italienische Unabhängigkeitsbewegung, auch unter dem Namen Risorgimento bekannt.8 Dazu hatten einen großen Einfluss auf den Illyrismus auch Denker wie Johann Gottfried Herder (1744–1803) oder Ján Kollár (1793–1852), die mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit das Interesse für die slawische Geschichte und Kultur neu erweckten. Nach Meinung des Sprachwissenschaftlers Reinhard Lauer waren es folgende drei Herdersche Grundideen, die als Anregung für die illyrische Bewegung dienten:

7 Vgl. Wikipedia. Ilirski pokret. Erhältlich unter:

https://sh.wikipedia.org/wiki/Ilirski_pokret#/media/Datoteka:Danica_ilirska.JPG (Zugriffsdatum: 14.12.2021).

8 Vgl. Wikipedia. Illyrische Bewegung. Erhältlich unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Illyrische_Bewegung (Zugriffsdatum: 10.12.2021).

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 in Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit in dem sogenannten

„Slawenkapitel“ bearbeitet Herder die slawische Geschichte,

 in Abhandlung über den Ursprung der Sprache sieht Herder den Gebrauch der Muttersprache als eine authentische Art, die Welt zu erkunden und das geistige Leben auszubilden,

 in Volkslieder betont Herder die Bedeutung von Volksdichtung als ein wichtiges Element des Nationalgeistes.9

Der Untergang des Illyrismus wird in das Jahr 1843 datiert, als im Habsburgerreich das Wort Illyrisch bzw. Illyrismus verboten wurde. Später wird der Begriff für literarische Zwecke wieder erlaubt, jedoch bekommt die Bewegung nicht mehr einen derartigen Aufschwung wie zuvor.10 2.1.1 Die sprachliche Situation

Die Illyristen wollten die südslawische Sprache in die Schulen und Ämter einführen und vor allem durch die Schaffung einer einheitlichen Standardsprache die südslawischen Dialekte auf das gleiche Niveau wie andere europäische Sprachen (z. B. Deutsch) heben. Dabei stellte sich jedoch die Frage, welche Sprache dies sein soll, da die sprachliche Situation in dem südslawischen Gebiet sehr unterschiedlich war.11 Die südslawischen Mundarten, die in den Gebieten des heutigen Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro und Serbien, Slowenien, Mazedonien und Bulgarien gesprochen werden, können in vier Dialektgruppen eingeteilt werden, die jedoch nicht mit den Staatsgebieten übereinstimmen. Man kann die einzelnen Dialekte nach dem Fragewort was? unterscheiden, es gibt aber noch andere morphologische und phonologische Unterschiede zwischen den Dialekten. Der erste Dialekt ist das Štokavische, der nach dem Fragewort što? bzw. šta? benannt wird. Es ist in Bosnien und Herzegowina, Montenegro und mehrheitlich in Serbien und Kroatien verbreitet. Das Štokavische kann man auf Basis der verschiedenen Wiedergabe (als ije, e, und i) des

9 Vgl. Reinhard Lauer (2010): Die illyristische Versuchung. In: Bernik, France/Lauer, Reinhard (Hrsg.): Die Grundlagen der slowenischen Kultur. Berlin/New York: De Gruyter, S. 171–184, hier S. 175.

10 Vgl. Jaroslav Šidak (1988): Hrvatski narodni preporod – ilirski pokret. Zagreb: Školska knjiga: Stvarnost, S.

139–140.

11 Vgl. Reinhard Lauer (2010): Die illyristische Versuchung. In: Bernik, France/Lauer, Reinhard (Hrsg.): Die Grundlagen der slowenischen Kultur. Berlin/New York: De Gruyter, S. 171–184, hier S. 178–179.

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urslawischen Lautes *ě (genannt „Jat“) in drei weitere Untergruppen teilen, das Ijekavische, das Ekavische und das Ikavische. Der zweite Dialekt, das Kajkavische, der nach dem Fragewort kaj? benannt wird, wird hauptsächlich im Norden Kroatiens gesprochen und hat zahlreiche morphologische und lexikalische Ähnlichkeiten mit den benachbarten slowenischen Mundarten (hier gibt es wiederum mehrere sprachliche Varianten/Dialekte, die bekanntesten damals waren krainisch und südoststeirisch), weswegen man auch sagen kann, dass zwischen ihnen ein Dialektkontinuum besteht. Dies bedeutet, dass die Mundarten in der Nähe der Grenze oft den benachbarten Mundarten ähnlicher sind, als den Mundarten, die im eigenen Staatsgebiet sind, aber geographisch weiter entfernt sind. Der dritte Dialekt wird nach dem Fragewort ča?

Čakavisch genannt, und kommt sowohl im Gebiet um Rijeka und Istrien als auch im nördlichen und mittleren Teil der kroatischen Küste vor. Der vierte Dialekt ist das Torlakische, das im Südosten Serbiens gesprochen wird und als Übergang zum Mazedonischen und Bulgarischen dient. Das Fragewort ist auch hier što?, weswegen das Torlakische oft zum Štokavischen gezählt wird, aber da das Torlakische neben dem Fragewort noch andere eigene sprachliche Spezifika aufweist, wird es hier als eigener Dialekt behandelt. In Kroatien gab es bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts stets parallele Entwicklungen für die Standardisierung der kajkavischen Dialekte einerseits und der štokavischen Dialekte andererseits. Dies änderte sich jedoch, als die Illyristen für ihre einheitliche Schriftsprache als Grundlage den štokavischen Dialekt, genauer die ijekavische Variante, wählten. Ljudevit Gaj orientierte sich dabei stark an der traditionellen Schriftsprache Dubrovniks. Ähnliche Bemühungen kann man bei den Serben verfolgen, wo Vuk Stefanović Karadžić (1787–1864) das Kirchenslawische als Schriftsprache mit einer auf dem Štokavischen basierten Volkssprache ersetzen wollte.12

Was die Orthographie betrifft, nahmen die Illyristen als Vorbild das lateine Alphabet des Tschechischen, aus dem sie die Zeichen č, š, ž, ě übernahmen. Das Zeichen ć hingegen übernahmen sie aus dem Polnischen. Diese Zeichen ersetzten die unterschiedlichen regionalen Digraphen, die früher verwendet wurden. Die neue Orthographie von Gaj, die auch unter dem Namen gajica bekannt ist, wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts von zahlreichen anderen slawischen Völkern übernommen, unter anderen auch von den Slowenen. Gegen Ende des 19.

12 Vgl. Wikipedia. Serbokroatische Sprache. Erhältlich unter:

https://de.wikipedia.org/wiki/Serbokroatische_Sprache (Zugriffsdatum: 13.12.2021).

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Jahrhunderts kam es dann noch zu einer Vereinheitlichung der Orthographie des kroatischen lateinischen und des serbischen kyrillischen Alphabetes, um eine direkte Transliteration zwischen den beiden zu ermöglichen.13

Der erste Erfolg in diesem Kampf für eine gemeinsame Kodifikation der Schriftsprache kam am 28. März 1850, als das sogenannte Wiener Abkommen von zahlreichen kroatischen, serbischen und slowenischen Sprachwissenschaftlern, z. B. Vuk Stefanović Karadžić, Ivan Mažuranić und Fran Miklošič (1813–1891) unterschrieben wurde. Sie einigten sich, dass man für die gemeinsame Standardsprache den štokavischen Dialekt als Basis verwenden soll. Die damalige gemeinsame Standardsprache, die oft auch illyrische Sprache genannt war, entwickelte sich im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts in das Serbokroatische. Das Serbokroatische wird heutzutage mehrheitlich als eine plurizentrische Spracheund nicht als zentralistische Einheitssprache verstanden. Das bedeutet, dass sie nicht nur eine Standardform hat, sondern mehrere Standardvarietäten in sich vereinigt (das Bosnische, das Kroatische und das Serbische).14

2.1.2 Der slowenische Illyrismus

Einer der Hauptgründe, dass die illyrische Bewegung so wenige slowenische Anhänger hatte, war die spezifische Sprachsituation auf dem slowenischen Gebiet. Auf diesem Gebiet gab es schon eine starke Bewegung für die Entwicklung einer Standardsprache, und diese Bewegung war hauptsächlich in der Region von Krain und Ljubljana sehr präsent. Damit ist vor allem der Prešeren-Čop Kreis gemeint, der die „slowenische“ Sprache, hierbei ist vor allem der krainische Dialekt gemeint, nicht für die „künstlich“ entstandene illyrische Sprache aufgeben wollte. Die Folge war, dass der Illyrismus nur diejenigen slowenischen Anhänger für sich gewinnen konnte, die entweder aus anderen slowenischen Regionen kamen, wo der Čop-Prešeren Kreis keinen größeren Einfluss hatte, oder diejenigen Schriftsteller, die mit dem Čop-Prešeren Kreis in Konflikte gerieten. Der bekannteste slowenische Illyrist war Stanko Vraz (1810–1851), der nach einigen Konflikten mit France Prešeren (1800–1849) eine neue Leserschaft suchte, um als beruflicher Schriftsteller und Dichter genug Geld zu bekommen, um zu überleben. Diese

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. ebd.

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Leserschaft bekam er, als er die Entscheidung traf, fortan in der illyrischen Sprache zu schreiben.15

2.1.3 Der Illyrismus als literarische Epoche

In den heutigen historischen und literarischen Büchern und Überblicken hat die Zeit des Illyrismus eine bedeutende Rolle. Oft kennen Schüler den Begriff Illyrismus vor allem als eine literarische Epoche, doch einige Literaturwissenschaftler versuchen diese Zeit auch kritisch zu betrachten. So schrieb Davor Dukić in seinem Beitrag Illyrozentrismus: ein verborgenes Konzept darüber, dass wegen der ständigen Betonung der illyristischen Literatur die Überzeugung entstand, dass es in dieser Zeitperiode in der kroatischen Literatur nur illyristische Werke und Schriftsteller gab.16 Diese Annahme lehnt Davor Dukić entschlossen ab und führt den Begriff des Illyrozentrismus ein, den er folgendermaßen definiert: „Der Illyrozentrismus ist also die literatur- und kulturhistorische Gleichsetzung des Illyrismus mit der gesamten literarischen Produktion der 1830er und 1840er Jahre in den kroatischen Ländern.“17 Weiterhin stellt er vier Zweige dieser nichtillyrischen literarischen Produktion vor:

- die kajkavische Literatur (Nordwesten des heutigen Kroatien), - die deutsche Literatur (Nordkroatien),

- die italienische Literatur (Dalmatien), - die serbische Literatur (Dalmatien).18

Dukić sieht den Grund für eine solche Übermacht der illyristischen Literatur vor allem in der Tatsache, dass sich nationale Literaturgeschichten mehrheitlich mit den Schriftstellern und den Werken der eigenen Nationalsprache befassen. Dazu kommt, dass die jugoslawische Idee, die in vielem mit den Ideen des Illyrismus übereinstimmt, mehr oder weniger das ganze 20.

15 Vgl. Reinhard Lauer (2010): Die illyristische Versuchung. In: Bernik, France/Lauer, Reinhard (Hrsg.): Die Grundlagen der slowenischen Kultur. Berlin/New York: De Gruyter, S. 171–184, hier S. 180–182.

16 Vgl. Davor Dukić (2016): Illyrozentrismus: ein verborgenes Konzept. In: Glanc, Tomáš/Voß, Christian (Hrsg.):

Konzepte des Slawischen. Leipzig: Biblion Media, S. 251–264, hier S. 251.

17 Ebd., S. 254.

18 Vgl. ebd., S. 256–259.

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Jahrhundert hindurch die Oberhand hatte, auch was das Schreiben der literaturgeschichtlichen Synthesen angeht.19

2.1.4 Illyrismus und Kroatismus

Dass es sich bei Illyrismus und Kroatismus um zwei unterschiedliche Begriffe handelt, betont der Sprachwissenschaftler Davor Dukić, der diese unterschiedliche Sichtweiße auch bei den Bezeichnungen illyrische Bewegung und kroatische nationale Wiedergeburt erkennt. Er stellt die Frage, ob es sich im Falle des Illyrismus nur um eine kulturelle oder auch um eine politische Bewegung handelt.20

Die Antwort auf diese Frage lieferte der Text Illyrismus und Kroatismus des Illyristen Ljudevit Vukotinović (1813–1893), der in der Zeitschrift Kolo im Jahr 1842 veröffentlicht wurde. Dies deutet darauf hin, dass diese Frage schon in der Zeit der illyrischen Bewegung zur Diskussion anregte. In dem Text definiert Vukotinović den Begriff Illyrismus als die kulturelle Seite der illyristischen Bewegung und den Begriff Kroatismus als die politische Seite der Bewegung im engeren Sinne. Hierbei wird betont, dass man für die kulturellen Bestrebungen der Bewegung deshalb den Namen Illyrismus wählte, weil man sich bewusst war, dass keines von den drei Völkern, hierbei sind die Slowenen, Kroaten und Serben gemeint, bereit wäre, auf ihren Volksnamen zum Wohl eines der anderen beiden Volksnamen zu verzichten.21 Reinhard Lauer fasst in seinem Beitrag Die illyristische Versuchung sehr gut zusammen, wie Vukotinović die Position des Kroatismus und der Kroaten verstand:

Im königlich-ungarischen Sabor seien alle nur Kroaten, doch ansonsten gehöre man dem gleichen großen Stamme an wie Bosniaken, Grenzer, Herzegowiner, Serben usw. Vukotinović vergleicht das mit den deutschen Verhältnissen: Sachsen und Württemberger seien nur im konstitutionellen Sinne Sachsen und Württemberger, im genealogischen aber seien sie Deutsche.22

19 Vgl. ebd., S. 261.

20 Vgl. ebd., S. 254.

21 Vgl. Jaroslav Šidak (1988): Hrvatski narodni preporod – ilirski pokret. Zagreb: Školska knjiga: Stvarnost, S.

141.

22 Reinhard Lauer (2010): Die illyristische Versuchung. In: Bernik, France/Lauer, Reinhard (Hrsg.): Die Grundlagen der slowenischen Kultur. Berlin/New York: De Gruyter, S. 171–184, hier S. 177.

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2.2 Petar Preradović und seine Rolle im Illyrismus

Petar Preradović wurde am 19. März 1818 in Grabrovnica, einem Dorf nahe der Stadt Virovitica an der österreichischen Militärgrenze, geboren. Er besuchte zunächst die Schule in Grubišno Polje, danach in Đurđevac, wo er sich in das sogenannte Ehrenbuch der besten Schüler eingeschrieben hat. Im Jahr 1830, nach dem Tod seines Vaters, schickte ihn seine Mutter nach Bjelovar und danach nach Wien, wo er an der Theresianischen Militärakademie in der Wiener Neustadt sehr erfolgreich seine Ausbildung abschloss. Er diente bis zu seinem Tod im österreichischen Militär und verbrachte den Großteil seines Lebens im Ausland, was ein interessanter Paradox ist, da er seiner Heimat Kroatien in seinen Gedichten so angetan ist. Er war zweimal verheiratet. Mit seiner ersten Ehefrau Pavica de Ponte (1828–1855) hatte er drei Kinder, zwei Töchter, Milica und Slavica, und einen Sohn Dušan. Mit der zweiten Ehefrau hatte er noch zwei Töchter, Zora und Jelica. Er hatte auch zahlreiche Liebesaffären, eine brachte ihm sogar einen außerehelichen Sohn Namens Radovan. Er hatte oft Konflikte mit seinen Vorgesetzten wegen seiner Mitarbeit bei der illyrischen Bewegung. Sein Leben war außerdem durch ständige Geld- und Gesundheitsprobleme negativ beeinflusst. Wegen den letzteren starb er in Fahrafeld bei Pottenstein am 18. August 1872 und wurde schließlich in Zagreb begraben.23 Petar Preradović verfasste seine ersten Gedichte schon in seiner Schulzeit, damals noch in deutscher Sprache. Seine lyrischen Vorbilder waren vor allem Friedrich Schiller (1759–1805) und Lord Byron (1788–1824).24 Für sein weiteres lyrisches Schaffen war die Verlegung nach Zadar im Jahr 1843 von großer Bedeutung. Dort trat er mit Ivan Kukuljević Sakcinski (1816–

1889), Špiro Dimitrović (1803–1868) und Ante Kuzmanić (1807–1879) in Kontakt. Vor allem der letztere ist in diesem Kontext wichtig, da Kuzmanić der Redakteur der Zeitschrift Zora dalmatinska war.25 Unter dem Einfluss der illyrischen Bewegung und nach seinem Treffen mit Kukuljević Sakcinski und Dimitrović entschloss sich Preradovivć in seiner Muttersprache zu schreiben. Sein erstes Gedicht Zora puca wurde 1844 in der ersten Nummer der Zeitschrift

23 Vgl. Branko Begović (2002): Petar Preradović – Veliki hrvatski pjesnik. U povodu 130. godišnjice smrti. In:

Podravski zbornik. Nr. 28, S. 121–132, hier S. 122–123.

24 Vgl. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Hrsg. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Online-Edition, Band 8, S. 264–265, hier S. 265. Erhältlich unter:

http://www.biographien.ac.at/oebl_8/264.pdf (Zugriffsdatum: 14.12.2021).

25 Vgl. Branko Begović (2002): Petar Preradović – Veliki hrvatski pjesnik. U povodu 130. godišnjice smrti. In:

Podravski zbornik. Nr. 28, S. 121–132, hier S. 126.

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Zora dalmatinska veröffentlicht. Das Gedicht hatte die Ideen des Illyrismus verbreitet und Preradović genoss große Bewunderung in der kroatischen Gesellschaft.26 Im selben Jahr erschien eines seiner bekanntesten Gedichte Putnik und im Jahr 1846 veröffentlichte Preradović sein erstes Gedichtband Pervence, welches er seiner zu früh verstorbenen Ehefrau Pavica de Ponte widmete. Im Jahr 1851 erschien sein zweites Gedichtband Nove pjesme, welches dem Bischof Josip Strossmayer (1815–1905), ebenso einem Anhänger des Illyrismus, gewidmet war.27

Im Laufe seiner dichterischen Karriere schrieb er mehr als 300 Gedichte, zwei Epen und ein Drama.28 Ungefähr 30 seiner Gedichte wurden schon zu seinen Lebzeiten von bekannten kroatischen Musikern vertont. Neben dem Schaffen eigener literarischer Werke war er aber auch ein fleißiger Übersetzer. Er übersetzte Werke großer Namen, wie Byron, Goethe (1749–

1832) und Lenau (1802–1850) ins Kroatische. 29 Im Österreichischen Biographischen Lexikon wird sein dichterisches Werk folgendermaßen beschrieben: „Das gesamte Schaffen [Petar Preradovićs] ist [metaphysisch] ausgerichtet, wobei sich Religiosität und Zukunftsgedanken mit Fatalismus, Okkultismus und Spiritismus mischen, weshalb man ihm einen starken Pessimismus zuschrieb.“30

26 Vgl. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Hrsg. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Online-Edition, Band 8, S. 264–265, hier S. 265. Erhältlich unter:

http://www.biographien.ac.at/oebl_8/264.pdf (Zugriffsdatum: 14.12.2021).

27 Vgl. Branko Begović (2002): Petar Preradović – Veliki hrvatski pjesnik. U povodu 130. godišnjice smrti. In:

Podravski zbornik. Nr. 28, S. 121–132, hier S. 126.

28 Vgl. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Hrsg. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Online-Edition, Band 8, S. 264–265, hier S. 265. Erhältlich unter:

http://www.biographien.ac.at/oebl_8/264.pdf (Zugriffsdatum: 14.12.2021).

29 Vgl. Branko Begović (2002): Petar Preradović – Veliki hrvatski pjesnik. U povodu 130. godišnjice smrti. In:

Podravski zbornik. Nr. 28, S. 121–132, hier S. 127.

30 Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Hrsg. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Online-Edition, Band 8, S. 264–265, hier S. 265. Erhältlich unter: http://www.biographien.ac.at/oebl_8/264.pdf (Zugriffsdatum: 14.12.2021).

(19)

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Abbildung 2: Das Geburtshaus von Petar Preradović, heute ein Museum.31

Petar Preradović und seine Gedichte waren durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch in der Öffentlichkeit sehr beliebt, dies änderte sich jedoch gegen das Ende des 20. Jahrhunderts. In Podravski Zbornik schreibt Branko Begović, dass ab den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts sehr wenig über Preradović in den Zeitschriften geschrieben wird. Auch das Museum in Grabrovnica, welches Preradović gewidmet ist, und sein Grabstein sind heutzutage sozusagen in Vergessenheit geraten. Begović schreibt, dass die Sorge für das Museum und das Grab

„freiwillig“ ist und nur die nötigsten Mittel verwendet werden. Der einzige Ort, wo Preradović noch heute eine starke Präsenz hat, sind die kroatischen Schulbücher, wo er als einer der wichtigsten illyristischen Dichter erwähnt wird.32

2.3 Die italienische Unabhängigkeitsbewegung und das Jahr 1848

Nach Napoleons Untergang wurde am Wiener Kongress 1814/1815 entschieden, dass die Landesgrenzen in die vornapoleonische Ordnung zurückgesetzt werden sollen. Die Folge war,

31 Vgl. Pitomaca. Erhältlich unter: http://pitomaca.hr/wp-content/uploads/2019/06/Preradovi%C4%87- ku%C4%87a-1.jpg (Zugriffsdatum: 14.12.2021).

32 Vgl. Branko Begović (2002): Petar Preradović – Veliki hrvatski pjesnik. U povodu 130. godišnjice smrti. In:

Podravski zbornik. Nr. 28, S. 121–132, hier S. 132.

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dass die italienische Halbinsel bzw. das Gebiet des heutigen Italiens erneut in mehrere Herzog- und Fürstentümer geteilt war und die Herrschaft über sie unterschiedliche Häuser bzw.

Dynastien übernahmen. Das Königreich beider Sizilien ging an die spanischen Bourbonen, Königreich Sardinien-Piemont ging an Haus Savoyen, der Kirchenstaat unter der Herrschaft des Papstes wurde wiederhergestellt und das Königreich Lombardo-Venetien, das Großherzogtum Toskana und die Herzogtümer Parma und Modena erhielt das Habsburgerreich.33

Nach dem Wiener Kongress setzte der neue Staatskanzler Metternich (1773–1859) vor allem in den italienischen Gebieten unter österreichischer Herrschaft im Sinne des Restaurationsprinzips sehr strenge Reformen durch, die folglich auf Ablehnung stießen. In 1820 kam es in den einzelnen Herzogtümern und Königreichen zu Aufständen, die jedoch durch die Heilige Allianz niedergeschlagen wurden. Im Laufe der dreißiger und vierziger Jahre des 19.

Jahrhunderts kam es zu immer größeren Protesten, die vor allem von der Gruppe Junges Italien unter der Führung Guiseppe Mazzinis (1805–1872) organisiert wurden.34 Im Jahr 1847 wurde die Zeitschrift Il Risorgimento gegründet, nach der diese Nationalbewegung benannt wurde. Ihr Ziel war die italienische Einigung, die von dem König von Sardinien-Piemont, Karl Albert (1798–1849), angeführt werden sollte. Ein wichtiger Mitbegründer der Zeitschrift war Camillo Benso Graf von Cavour (1810–1861), der später zum Ministerpräsidenten von Sardinien- Piemont wurde. Im Revolutionsjahr 1848 kam es zu zahlreichen Aufständen, unter anderem in Mailand, wo sie im März 1848 ihre Unabhängigkeit von dem Habsburgerreich erklärten und sich Sardinien-Piemont anschlossen. Das Königreich Sardinien-Piemont zog in den Krieg mit dem Habsburgerreich, dies führte zum Ersten Italienischen Unabhängigkeitskrieg, in dem die österreichische Armee unter der Führung Feldmarschall Radetzkys (1766–1858) in der Schlacht bei Custozza siegreich war. Mailand und das Königreich Lombardei wurde erneut Österreich angeschlossen. Im Februar 1849 kam es dann wegen Aufständen in Toskana erneut zum Krieg zwischen dem Königreich Sardinien-Piemont und dem Habsburgerreich, der ebenso in der Schlacht bei Novara für die Österreicher erfolgreich ausging.35

33 Vgl. Volker Reinhardt (2003): Geschichte Italiens. Von der Spätantike bis zur Gegenwart. München: C. H.

Beck, S. 195.

34 Vgl. ebd., S. 199–200.

35 Vgl. ebd., S. 207–208.

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Nach dieser Reihe von Niederlagen war die italienische Einigungsbewegung etwas ins Stocken gekommen, doch der Ministerpräsident Cavour ließ sich davon nicht aufhalten und griff nach einer neuen Taktik. Das Ziel seiner ersten beiden Regierungsämter war die Neuorganisation der Armee, des Gerichtswesens, des Finanzsystems und der Bürokratie, was folglich das Königreich Sardinien-Piemont stärker machen sollte. Cavour eröffnete neue Fabriken und Eisenbahnlinien, wodurch Sardinien-Piemont zu den wichtigsten Ländern Europas stieß. Im Jahr 1852 widmete er sich der Neugestaltung der Außenpolitik und begann Bündnisse mit anderen europäischen Staaten zu knüpfen. In 1859 kam es erneut zum Krieg mit Österreich, der diesmal jedoch für Sardinien-Piemont erfolgreich war. Die Lombardei wurde dem Königreich Sardinien-Piemont angeschlossen und diesem Beispiel folgten noch andere italienische Herzogtümer. 36 Im Jahr 1861 wurde so das Königreich Italien verkündigt und Cavour wurde dessen erster Ministerpräsident.37

36 Vgl. ebd., S. 211–217.

37 Vgl. ebd., S. 219–220.

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3 Die Darstellung des Illyrismus

Bei der Darstellung des Illyrismus in diesem Roman gibt es vier Hauptaspekte. Der erste erforscht Pero als einen Dichter und die Rolle von Literatur in einer solchen Nationalbewegung, der zweite ist die Darstellung der Agramer Gruppe, die teils sehr romantisiert wird, der dritte ist die Bedeutung der Muttersprache für die Nationalbewegung und der vierte fokussiert sich auf Peros doppelte Loyalität. Da der erste und der zweite Aspekt eng miteinander verbunden sind, werden sie im Kapitel 3.1 zusammen dargestellt.

3.1 Die Bedeutung der Literatur und der Einfluss des Agramer Kreises Schon am Anfang des Romans wird etabliert, dass Pero einer der wichtigsten kroatischen Dichter seiner Zeit ist. Dies wird offensichtlich, als er im zweiten Kapitel Stanko Vraz und den Kreis von Ljudevit Gaj trifft. Der Agramer Kreis ist begeistert von Pero und alle loben ihn über alle Maßen. Die folgenden Zitate aus dem Roman sollen dies noch deutlicher veranschaulichen.

„Stanko Vraz sah den Jüngeren mit bewundernder brüderlicher Herzlichkeit an. ‚Es muß auch dein Agram werden, oder vielmehr: es ist schon dein Agram! Du hast es erobert. Unser leuchtendster, unser bester Dichter bist du!‘“38 Neben der offensichtlichen Bewunderung kann man in dem Zitat noch ein weiteres Element finden, dass eng mit der Bewegung verflochten ist, und zwar die „Brüderlichkeit“ der Illyristen. Diese Eigenschaft wird durch den ganzen Roman hin etabliert, in dem sich die Charaktere immer mit dem Wort „Bruder“ ansprechen. Damit wird eine innige Verbindung zwischen ihnen hergestellt, die tiefer ist, als dass sie nur freundschaftliche Bekannte oder Mitglieder der gleichen Nationalbewegung sind. Dadurch wird auch die Bewegung selbst als etwas Größeres, Bedeutenderes etabliert.

‚[…]. Ja, meine Gedichte haben manch einen aufwecken dürfen; wunderbar ist das, wie so ein Lied aus der tiefsten Seele kommt, aus den eigensten geheimsten Ursachen geboren wird, aus der verborgenen vergrabenen Wurzel unseres Herzens wächst und dann doch das aussagt, was

38 Paula von Preradović (1951): Pave und Pero. Salzburg: O. Müller Verlag, S. 18.

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die anderen Herzen fühlen, wünschen und ahnen. Dies ist das Wunder des Dichterseins, seine größte Gnade: daß man der Mund derer sein darf, die nicht reden können!‘39

In diesem Zitat wird nicht nur der Einfluss von Peros Poesie gezeigt, sondern es wird betont, dass er dies nicht aus Eigennutzen macht. Er wurde berufen für andere zu sprechen bzw. das auszusprechen, was andere nicht sagen oder nicht so schön äußern können. Es kreiert eine Vision, dass die illyrische Dichtung und die Bewegung etwas unbedingt Nötiges waren und von breiten Maßen erwünscht waren und nicht nur etwas, was die enge Gruppe der Intellektuellen um Ljudevit Gaj dachte und wollte. Dazu dient es auch dem Zweck, Pero als Person nicht arrogant wirken zu lassen. Dieses Gefühl der Demut wird in dem nächsten Zitat noch deutlicher, da er nicht nur im Hinblick auf seinen eigenen (persönlichen) Erfolg demütig ist, sondern auch im Vergleich zu den anderen Mitgliedern der illyrischen Bewegung. Hinzu kommt hier wieder die Betonung der Brüderlichkeit und Einigkeit der Gruppierung zum Vorschein. Man sieht, wie tief das Konzept des Kollektivs in ihm verwurzelt ist. „Sag das nicht, Stanko, nochmals bitt‘

ich dich! Es beschämt mich und mehr als das, es macht mich traurig. Ich will gar nicht der Größte unter euch sein. Einer von euch zu sein, das war meine Sehnsucht. […].“40

Im folgenden Zitat, in welchem Ljudevit Gaj und Pero über Peros Arbeit bei der Zeitschrift Morgenröte sprechen, wird sichtbar, dass beide überzeugt waren, dass die Publizistik für das Verbreiten von illyristischen Ideen ausschlaggebend war.

‚So werden sie also weiterhin bei der Herausgabe der ‚Morgenröte‘ tätig sein? Nichts kann uns erfreulicher und wertvoller dünken. Nirgends vielleicht bedürfen wir so sehr eines befeuernden Anwaltes und tapferen Vorkämpfers unserer großen Sache wie in Dalmatien, wo, wie wir wohl wissen, die Widerstände bedeutend sind.‘ Pero drehte seinen Stuhl ein wenig zu Doktor Gaj herum: ‚Bedeutend sind die Widerstände allerdings. Die Dalmatiner sind Separatisten. […].

Man kann leider sagen, daß es in ganz Dalmatien keine sieben erwachsenen Leute gibt, die sich als Kroaten, als Illyrier, als Südslawen fühlen. Die Jugend aber ist anders. Sie müssen wir ergreifen, aufrütteln und entzünden!‘41

39 Ebd.

40 Ebd., S. 19.

41 Ebd., S. 25.

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In dem Zitat wird obendrauf gezeigt, dass die illyristische Bewegung nicht überall gleichviel Anerkennung gewann. So scheint die Figur von Pero überzeugt zu sein, dass der Stand der Dinge in Dalmatien ganz anders als in Agram bzw. Zagreb ist, wo Gaj und sein Kreis primär wirkten und wo das Zentrum der Bewegung loziert war. Die zweite Tatsache, die hier deutlich wird, ist die Leidenschaft, mit welcher Pero über die illyristische Sache spricht.

Bei der Darstellung der Agramer Gruppe im Roman spielte eine wichtige Rolle auch die Figur der Ehefrau von Herrn Vancaš, eines der Mitglieder der illyristischen Bewegung, was in dem folgenden Zitat demonstriert wird:

‚Vancaš ist einer der Unseren, ein treuer Genosse. Seine Frau aber ist schön, klug und gütig, und ihr Haus ist unser Heim. Sie nennt uns ihre Söhne, und wir nennen sie unser Mütterchen, obgleich sie weit jünger ist als wir. Sie hat eine feurige Seele, und die illyristische Sache kann nirgendwo heller brennen als in ihrem edlen Herzen.‘42

Hier wird betont, dass sie, obwohl sie eine Frau ist, doch ein wichtiger Bestandteil der Gruppe ist und alle zusammenhält, sie ist sozusagen der Kleber, ohne welchen dieser „illyrische Topf“

zerbrechen würde. Die Einarbeitung dieses Details in den Roman seitens der Autorin bewirkt zweifaches: es demonstriert, wie fortschrittlich die illyrische Bewegung gewesen sein soll, dass es nicht nur ein Männerklub war, sondern dass hier Frauen und deren Meinungen geschätzt wurden. Dies wird im Roman natürlich sehr idealistisch dargestellt und die Realität sah wahrscheinlich doch nicht derart positiv für Frauen, die sich politisch oder kulturell engagieren wollten, aus. Die zweite Erkenntnis, die man aus dem Zitat gewinnen kann, ist wiederum ein erneuter Versuch, die Beziehungen zwischen den Illyristen auf eine familiäre Basis zu bringen, hier wird die Beziehung der Brüderschaft noch erweitert durch die Mutter-Sohn Beziehung, die zwischen Frau Vancaš und den Herren der Agramer Gruppe beschrieben wird.

Neben der schon erwähnten Brüderschaft taucht in dem Roman noch ein anderes illyrisches Element sehr häufig auf, unter anderem im folgenden Zitat:

42 Ebd., S. 22.

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‚Daß diese Jugend heute schon anders ist, daran haben Ihre Lieder den Löwenteil, Pobratime.

Komme ich wieder nach Dalmatien, dann will ich keinen jungen Burschen mehr sehen, der ohne die Surka herumläuft. Unser Gedanke schreitet fort, bald werden wir ein freies einiges Volk sein. In Zukunft wird jedes Kind unserer Idee geboren werden.‘43

Abbildung 3: Die traditionelle Surka.44

Es handelt sich um die sogenannte Surka. Das slowenische Onlinewörterbuch Fran45 als auch das Onlinelexikon Hrvatska enciklopedija46 definieren den Begriff Surka als ein Teil der Herrentracht aus dem Nordwesten Kroatiens. Es handelt sich um eine Art kurze Jacke, meistens braun, grau oder weiß, die mit roten Borten und bunten Stickereien verziert ist. In beiden Einträgen wird betont, dass die Surka in der Zeit der illyrischen Bewegung zum nationalen Symbol des Kampfes gegen die Magyarisierung und Germanisierung geworden ist und noch immer ein Zeichen für die Zugehörigkeit zum Illyrismus bzw. Slawismus ist. Die zweite Tatsache, die man in diesem Zitat erkennen kann, ist der unglaubliche Optimismus, der in dieser

43 Ebd., S. 26.

44 Vgl. Hrvatska enciklopedija. Erhältlich unter: https://www.enciklopedija.hr/Natuknica.aspx?ID=58878 (Zugriffsdatum: 14.12.2021).

45 Vgl. Fran. Surka. Erhältlich unter: https://fran.si/130/sskj-slovar-slovenskega-knjiznega- jezika/3601632/surka?page=3769&FilteredDictionaryIds=130&Query=*&View=2 (Zugriffsdatum: 15.12.2021).

46 Vgl. Hrvatska enciklopedija. Surka. Erhältlich unter: https://www.enciklopedija.hr/Natuknica.aspx?ID=58878 (Zugriffsdatum: 15.12.2021).

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Zeit (aus einem späteren Absatz des Romans erfahren wir, dass es sich um das Jahr 1848 handelt) bei den Illyristen herrschte. Dies ist ein bedeutender Kontrast zu der zweiten Hälfte des Romans, der sich in dem Jahr 1854 abspielt, als dieser Optimismus verblasst.

Als Pero in Wien Besuch von dem bekannten Philologen Vuk Stefanović Karadžić bekommt, sprechen die beiden unter anderen über die Bedeutung der Muttersprache. Beide betonen, dass es nicht lange her ist, als die slawischen Sprachen als weniger wert angesehen wurden, nun in den Sprachen jedoch gedichtet wird:

‚Aber siehst du, Bruder, daß nun schon Dichter aufstehen und in dieser unserer Sprache, ob man sie nun Serbisch nennt, wie ich, oder Kroatisch wie du, die man aber damals, als ich anfing, ihre Tausende von taufrischen Wörtern in Wörterbüchern und Grammatiken einzufangen, eine Ochsenhirtensprache geschimpft hat, daß in dieser Sprache nun gedichtet wird im ganzen Land, siehst du, Bruder, das freut mich so, daß ich habe kommen und es dir sagen müssen […].‘47

In diesem Gespräch erwähnt Vuk auch die Bedeutung der alten Volkslieder, die er gesammelt hat, und weist darauf hin, dass Peros Gedichte eine ähnliche Thematik und einen ähnlichen Wert haben:

‚[…]. Zu denken, wie groß, wie mächtig das Slawenreich zu jener Zeit gewesen ist, so daß nicht viel gefehlt hat, und es hätte bis Byzanz gereicht, ja, wer kann’s wissen, es hätte Byzanz überwältigt und in sich einbezogen! Das Angesicht der Erde wäre ein anderes geworden, das halbe Jahrtausend des Türkenjoches wäre uns vielleicht erspart geblieben. […].’48

Es zeigt die Tendenzen der illyrischen Dichtung, die auch starke Einflüsse der Romantik aufweist. Es ist auch ein allgemeiner Trend gewesen, dass diese Nationalbewegungen, vor allem für Völker, die keine „reiche/etablierte“ Geschichte hatten, durch Dichtung versuchten, Sagen zu kreieren oder schon bestehende Sagen auszubauen.

Im nächsten Zitat wird die Tendenz der Beschönigung der Tatsachen sichtbar:

47 Paula von Preradović (1951): Pave und Pero. Salzburg: O. Müller Verlag, S. 87.

48 Ebd., S. 96–97.

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‚Aber die große Föhre ist nun ein berühmter Baum‘, meinte Miho. ‚Unter ihr sitzend hat doch Pero viele seiner schönsten Gedichte geschrieben, die heute, nach elf Jahren, alle kroatischen Spatzen von den Dächern pfeifen und die jedes Kind in Kroatien und Dalmatien auswendig weiß.‘49

An zahlreichen Stellen im Roman wird betont, wie bekannt Peros Gedichte waren. Dies wird oft in Gespräche eingeschoben, die ursprünglich von ganz anderen Dingen handeln und man fragt sich, ob es vielleicht doch nicht so logisch erscheint, dass die erste Assoziation, die jemand auf einen Baum hat, die Tatsache ist, dass Pero dort seine berühmten Gedichte geschrieben hat.

Ähnliche Lobpreisungen von Peros Gedichten kann man im folgenden Zitat erkennen, hier wird aber noch ein anderer Aspekt der illyristischen Bewegung angedeutet.

Hier in dem fremden Haus, an der fremden, großen Straße gab es also Leute, die von Pero wußten. Gleich wollte sie es ihm schreiben! Dem Burschen aber sagte sie freundlich, ja, ‚Der Wanderer‘ sei ein Gedicht von ihrem Mann. Der Junge stotterte nochmals: ‚Im Priesterseminar haben wir es gelernt.‘50

Der Bursche erwähnt, dass er das Gedicht im Priesterseminar gelernt hat, was nicht überraschend erscheint. Meistens wurde man auf die Frage, wer den Illyrismus und die illyristischen Ideen unter die breiteren Massen verbreitet hat, als Antwort „die Intellektuellen“

bekommen. Doch in vielen Geschichtsbüchern, so auch in Šidaks Hrvatski narodni preporod51, wird betont, dass auch Priester sehr aktive Mitglieder der Bewegung waren. Vor allem der Priester Josip Strossmayer wird häufig erwähnt. In Petar Preradovićs Leben war er eine so wichtige Person, dass der Dichter ihm zu Ehren sogar einen Gedichtband gewidmet hat.

Das nächste Zitat kommt gegen das Ende des Romans vor, nachdem Pero schon von dem tragischen Tod seiner Tochter und Ehefrau erfahren hat und in seiner Trauer verloren darüber nachdenkt, wie er überhaupt sein Leben weiterführen kann und ob er je wieder dichten wird.

Hier wird wieder die unglaubliche Verbundenheit zwischen den Illyristen gezeigt. Peros Trauer

49 Ebd., S. 228.

50 Ebd., S. 142.

51 Vgl. Jaroslav Šidak (1988): Hrvatski narodni preporod – ilirski pokret. Zagreb: Školska knjiga: Stvarnost.

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wird durch seinen guten Freund Ivan Kaznačić (1817–1883) gemildert und er bekommt neue Hoffnung sowohl für sein privates Leben als auch für sein Dichtertum.

Da schien Pero zu erwachen. Er sah den anderen mit einem Blick an, der plötzlich flammend geworden war, er faßte ihn heftig am Arm und sagte mit wilder Stimme: ‚Nein! Nichts ist dahin.

Unsere Ideale bleiben, und jeder hat an seinem Fleck zu arbeiten. Je tiefer die Demütigung, desto unbedingter müssen Liebe und Einsatz eines jeden von uns sein. Und daß eine so herrliche Sache wie unser illyrischer Jugendaufschwung, der mir noch immer im Herzen nachtönt, wie der Jubel von hunderttausend Lerchen hoch oben über dem Land, daß er hat sein dürfen – welches Glück war das! Und wenn ich der treuen Freundschaft gedenke, die uns alle verbunden hat! August, was für eine starke, wahrhafte Brüderlichkeit war doch in dem Agramer Kreis lebendig, und wie hat sie auch die Fernwohnenden dich, mich und viele, miteinbezogen! Gerade heute, wo ich arm und beraubt dastehe, spüre ich diese Zusammengehörigkeit als ein über alles kostbare Gut!‘ Er glühte, seine Trauer schien für einen Augenblick gewichen.52

3.2 Die Bedeutung der Muttersprache

In dem folgenden Zitat wird betont, dass die Sprache ein wichtiger Streitpunkt ist, wegen dessen viele den Illyrismus abneigen.

‚Die Dalmatiner sind Separatisten. Eine gemeinsame Orthographie, ein einiger Dialekt, die der Zusammenschweißung des Volkes als Basis zugrunde liegen müssen, sind ihnen ein Greul, ja, sie scheinen ihnen eine wahre Ketzerei. Man kann leider sagen, daß es in ganz Dalmatien keine sieben erwachsenen Leute gibt, die sich als Kroaten, als Illyrier, als Südslawen fühlen.‘53 In dem Roman wird die Sprachenfrage und deren Einfluss auf den Erfolg der Zeitschrift Morgenröte zurecht in den Vordergrund gerückt. Šidak54 berichtet in seinem Buch davon, dass der erste Redakteur der Zeitschrift, Ante Kuzmanić, als Sprache der Morgenröte das regionale Ikavische gewählt hat, doch als seine Nachfolger Ivan Kaznačić und Valentić das von Gaj und den Illyristen vorgeschlagene Ijekavische eingeführt haben, sind die Leserzahlen so drastisch

52 Paula von Preradović (1951): Pave und Pero. Salzburg: O. Müller Verlag, S. 370.

53 Ebd., S. 25.

54 Vgl. Jaroslav Šidak (1988): Hrvatski narodni preporod – ilirski pokret. Zagreb: Školska knjiga: Stvarnost, S.

166–170.

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gesunken, dass man als Redakteur wieder Kuzmanić zurückholte, der erneut das Ikavische einführte.

Im Gespräch zwischen Pero und Vuk, welches schon im Kapitel 3.1 der vorliegenden Magisterarbeit erwähnt und zitiert wurde, spricht Vuk nebenbei auch den Konflikt zwischen den Serben und den Kroaten bezüglich der Sprachenfrage an. Er erwähnt, dass Pero die gemeinsame „illyrische“ Sprache Kroatisch nennt, während er sie als Serbisch ansieht. Dieser Frage wird an der Stelle allerdings nicht wirklich ins Detail nachgegangen, sondern sie wird vereinfacht dargestellt, als sei es bloß ein Disput bezüglich der Benennung der Sprache, wenn es in Realität viel komplexer war. Dies kann man als eine logische Folge der Tatsache verstehen, dass die Autorin des Romans vielleicht nicht auf die Problematiken der Illyristen eingehen wollte.

3.3 Peros doppelte Loyalität

Aus den schon analysierten Zitaten ist deutlich, dass Pero ein leidenschaftlicher Illyrist war, doch ein Großteil des Buches betont auch die Tatsache, dass er im beruflichen Leben noch eine andere Rolle einnehmen muss, um zu überleben. Er ist ein Leutnant und später Major im habsburgischen Militär, was bedeutet, dass von ihm auch eine Loyalität gegenüber dem Kaiser und dem Reich erwartet wird. Er sitzt sozusagen zwischen zwei Stühlen und dies verursacht ihm ständigen Kummer. Wegen seiner persönlichen illyrischen Überzeugungen hat er eine Abneigung gegen seinen Beruf und dies wird noch verschlimmert, da er oft Streit mit seinen Vorgesetzten hat.

„Ja, so ist es, ich muß dienen ums liebe Brot, wo zu dienen es mich oftmals anwidert.“55 Diese Worte äußert Pero in einem Gespräch über seinen Beruf. Auch in dem Eintrag zu Petar Preradovićs Person im Österreichischen Biographischen Lexikon wird folgendes über ihn geschrieben:

55 Ebd., S. 21.

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Zeitlebens blieb [Petar] ein zerrissener Mensch: er haßte das Militär, war aber ein vorbildlicher [Offizier]. Er avancierte zum Gen., litt aber unter dem Gefühl, wegen seiner bescheidenen Herkunft im Off.-Korps gesellschaftlich nicht akzeptiert zu werden. Sein wahres Ich entdeckte er in der Besinnung auf Volk und Vaterland, obwohl er den größten Tl. seines Lebens in der Fremde verbrachte. […]. Er war gezwungen, seine Loyalität zu teilen, ohne darin einen wirklichen Sinn erkennen zu können.56

Dieser Dualismus in Peros Person wird auch in dem folgenden Zitat sichtbar, als er über seine Erziehung und seine Eltern nachdenkt, die eine andere Denkart vertraten als er. Er findet es interessant, dass er trotz eines derartigen Umfelds, wo der Kaiser und das Wohl des Reiches das Wichtigste waren, doch fähig war, einen anderen Weg zu gehen und in seinen Worten „ein Einzelner“ zu sein.

Eine tapfere, arbeitsame, fromme Reihe waren diese Männer und Weiber gewesen, keines von ihnen hatte das Seine gesucht, sondern alle das schicksalhaft überkommene, allgemeine Beste, keines von ihnen war ein Einzelnes gewesen, sondern alle waren sie kräftige, entsagungsfähige, Gott und dem Kaiser ergebene Glieder einer mächtigen, das Reich festigenden Kette.57

56 Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Hrsg. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Online-Edition, Band 8, S. 264–265, hier S. 265. Erhältlich unter: http://www.biographien.ac.at/oebl_8/264.pdf (Zugriffsdatum: 14.12.2021).

57 Paula von Preradović (1951): Pave und Pero. Salzburg: O. Müller Verlag, S. 59.

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4 Ein Vergleich der illyrischen Bewegung und der italienischen Unabhängigkeitsbewegung

Im Roman wird an einigen Stellen neben der illyrischen Bewegung auch die italienische Unabhängigkeitsbewegung dargestellt. Die Stellen, in denen die italienische Bewegung diskutiert wird, kann man in zwei Teile gliedern.

Der erste Teil ist die Debatte über Cavour, die im Haus von Frau Biba nach dem feierlichen Empfang ihrer Tochter Bianca stattfindet. Das Gespräch wird vom Herrn Loro angefangen, der Pave ausfragt, ob ihr Mann etwas Neues über die Situation in Sebastopol und die Entwicklung des möglichen Krieges weiß. Pave erzählt ihm, dass Pero der Meinung ist, ein Krieg sei unvermeidlich, falls sich Russland mit den westlichen Mächten nicht einigen kann. Daraufhin mischt sich auch Bianca in das Gespräch ein, die über die Aussichten eines möglichen Krieges nicht begeistert ist, wohingegen ihr Onkel, Herr Loro, anderer Meinung ist:

‚Wieder ein Krieg!‘ seufzte die schöne Bianca. ‚Ich glaube, seit die Sansculotten in Paris und Napoleon der Erste die Welt aufgerührt haben wie Buben, die mit dem Stecken in einen Ameisenhaufen stechen, kann sie nicht zur Ruhe kommen. Ist es nicht so, Onkel?‘ […]. ‚Sind solche schlimme Jungen, die mit einem Stecken in die uralten Welten hineinstoßen, nicht mitunter wohltätiger als ein Ruhezustand, der ewig dauert und in dem das Schlechte besser gedeiht als das Gute?‘58

Herr Loro deutet hier erstmals an, dass er vielleicht doch kein Anhänger des Kaiserreichs ist, sondern eher revolutionäre Gedanken hat. Seine Nichte Bianca stimmt ihm daraufhin zu, wodurch sie sich ebenfalls auf die sogenannte „revolutionäre Seite“ begibt.

Auch der Sänger Lorenzoni mischt sich in das Gespräch ein und zeigt deutliches Interesse für das Thema und für Herrn Loros Erzählungen. Das Gespräch spitzt sich zu, als der Name Cavour und der Krieg bei Novara erwähnt werden:

58 Ebd., S. 169.

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‚Sie wissen, Maestro, daß Cavour Piemont in diesen Krieg der Freiheit gegen die Despotie eintreten lassen will? Er hat alle gegen sich, den König, das Kabinett, die Kammer, alle. Aber er will es, und wenn Cavour etwas will!... Die Schande von Novara muß ausgewetzt werden!‘

Pave horchte auf. Die Schande von Novara? Sie hatte von dem Treffen von Novara immer nur im Ton der gerührten Begeisterung als von einem glänzenden Sieg des Marschalls Radetzky reden gehört.59

In dem vorliegenden Zitat werden die zwei unterschiedlichen Sichtweisen deutlich dargestellt.

Auf der einen Seite ist Herr Loro, der über den Ausgang der Schlacht bei Novara bitter ist und sich dadurch deutlich auf die italienische Seite begibt. Er spricht von Cavour wie von einem Märtyrer, der als einziger und mit allen Mitteln für die Gerechtigkeit kämpft. Er lobt ihn über alle Maßen und vergleicht ihn mit einer Naturgewalt, einem Vulkan und einem sprühenden Feuer. Auf der anderen Seite ist Pave, die sich ohnehin für Politik und Krieg nicht wirklich interessiert, doch von ihrem Ehemann und als Bewohnerin des Kaiserreiches erhielt sie trotzdem einige Grundinformationen, die natürlich die österreichische Perspektive widerspiegeln. In dem Zitat wird Paves Verwunderung über diese andere Sichtweise deutlich, was ein guter Indikator dafür sein könnte, dass diese Nationalbewegungen im Roman wie in der außerliterarischen Geschichte nicht alle erreichten, sondern zunächst doch nur für bestimmte Kreise interessant waren. Weiterhin denkt Pave über ein Bild nach, dass sie in einer Zeitung gesehen hat, wo die Schlacht von Novara gezeigt wird. Auf dem Bild wird der italienische Thronfolger nach dem Ausgang der Schlacht vor dem österreichischen Sieger60 in einer gedemütigten Haltung abgebildet.

Während sich Herr Loro, Bianca und der Sänger Lorenzoni immer mehr in das Gespräch über Cavour vertiefen, denkt Pave über die ganze Situation nach. Sie erkennt, dass alle drei genauestens über Cavour und die Geschehnisse in Italien Bescheid wissen, was ihre Verflochtenheit mit der Bewegung noch deutlicher unterstreicht. Sie kann es nicht glauben,

59 Ebd.

60 Hierbei ist nicht deutlich, ob im Roman Pave und Pero mit den Worten „vor dem salopp und gemütlich dastehenden greisen Sieger“ der österreichische Kaiser oder der Marschall Radetzky gemeint ist.

(33)

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dass die Personen neben ihr, mit denen sie eben noch in freundschaftliche Gespräche verwickelt war, derartige revolutionäre Neigungen vertreten:

Waren diese hier, mit denen sie sprach, Feinde des Kaisers, Feinde Österreichs, Feinde der Armee, der Pero angehörte? Hielten sie etwa zu denen, die im Vorjahre in Mailand den tückischen, abscheulichen Aufstand verursacht hatten, in dessen Verlauf einzelgehende Offiziere und Soldaten durch die Haufen der Empörer in feiger Weise überfallen und mit riesigen Nägeln an die Tore der Häuser genagelt worden waren? Sie erinnerte sich der Erbitterung, mit der ihr Bruder Toni, der als Hauptmann in Mailand stand, und auch Pero von der Revolte gesprochen, wie sie die harten Strafen, die ihr folgten, noch zu milde genannt hatten.61

Pave ist deutlich erstaunt, was den Fokus auf die Darstellung der italienischen Revolutionäre rückt. Sie werden im Gegensatz zu den Illyristen als gewaltbereit und gewalttätig dargestellt.

Hierbei ist es zu betonen, dass dies die Sichtweise einer Offiziersehefrau ist, die in erster Linie das Leiden ihres Bruders und ihres Ehemannes vor den Augen hat, und welche Auswirkungen diese Revolte für ihre eigene Familie hat. Sie denkt nicht darüber nach, was die Revolte auf einer höheren Ebene für die breitere Gesellschaft bedeuten. Die Worte „Feinde der Armee, der Pero angehörte“ könnte man letztendlich auch als „Feinde von Pero“ interpretieren, wodurch Pave zu recht Angst vor ihnen bekommt und sich zurückzieht.

Der zweite Teil ist das Gespräch zwischen Pave und ihrem Bruder Toni, der in Mailand als österreichischer Offizier tätig ist und in der Faschingszeit zu Besuch kommt. In diesem Kapitel wird einerseits Frau Bibas Zuneigung zur italienischen Unabhängigkeitsbewegung dargestellt und andererseits Tonis Sichtweise, die unter dem Einfluss seines Berufslebens steht. Sofort nach Tonis Ankunft bemerkt Pave, dass die sonst immer heitere Frau Biba Toni gegenüber sehr ernst und reserviert bleibt. Nichtsahnend richtet sie an Toni eine Frage über Mailand, was sowohl bei ihm als bei Frau Biba unerwartete Reaktionen hervorruft:

Als […] das Gesprach auf Mailand kam, wo die schreckliche Seuche nun endlich doch erloschen war, und Pave eine muntere Frage nach dem gesellschaftlichen Leben dort an den Bruder

61 Paula von Preradović (1951): Pave und Pero. Salzburg: O. Müller Verlag, S. 170.

Reference

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