• Rezultati Niso Bili Najdeni

View of Die Rolle des mitteleuropäischen Raumes in der Entwicklung der slowenischen Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "View of Die Rolle des mitteleuropäischen Raumes in der Entwicklung der slowenischen Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts"

Copied!
10
0
0

Celotno besedilo

(1)

MUZIKOLOŠKI ZBORNIK

MUSICOLOGICAL ANNUAL XL UDK 783(497.4)"18"

Aleš Nagode

Philosophische Fakultat, Universitat in Ljubljana Filozofska fakulteta Univerze v Ljubljani

Die Rolle des mitteleuropaischen Raumes in der Entwicklung der slowenischen Kirchenmusik des

19. Jahrhunderts

Vloga Srednje Evrope v razvoju slovenske cerkvene glasbe 19. stoletja

ZusAMMENFASSUNG

Die slowenische Kirchenmusik war - aus spezifi- schen kultur-historischen Griinden - wahrschein- lich der einpragendste Anzeiger der Eingebunden- heit der slowenischen Musik in die europaischen und damit mitteleuropaischen Strčimungen. Nach Slowenien kamen sie durch die Vermittlung frem- der Musiker, teilweise aber auch mittels der Slowe- nen, die sich in der Fremde ausbildeten und kiinst- lerisch formten. Erste Anzeichen des ZuflulSes neuer Ansichten liber die Kirchenmusik war die Durch- setzung des Historismus'. Die ersten Spuren davon finden wir in den Schriften von Kamilo Mašek. In seiner Zeitung Ciicilia machte er auf die Bedeu- tung von Palestrina und den einheimischen Gallus aufmerksam, mit seiner zuriickhaltenden Einstel- lung gegeniiber den Kirchenwerken von Haydn und Mozart war er einer der ersten Verkiinder der neuen historistischen Asthetik.

Das neue Ideal der Kirchenmusik drang allmahlich in die Musikpraxis dort vor, wo die Befahigung der ausfohrenden Krafte dies erlaubte, z.B. in der Dom- kirche in Ljubljana in der zweiten Halfte der fonfzi- ger und amAnfang der sechziger Jahre. Hier gewann es die Vorherrschaft erst nach dem Jahre 1868, als die Leitung des Domchores der tschechische Musi- ker Anton Foerster iibernahm. Weniger beeinflulSte der Historismus in Slowenien das kompositorische

POVZETEK

Slovenska cerkvena glasba je bila - zaradi specifič­

nih kulturnozgodovinskih okoliščin - verjetno najbolj izrazit kazalec vpetosti slovenske glasbe v evropske in z njimi srednjeevropske tokove. Ti so na Slovensko prihajali s posredovanjem tujih glas- benikov, deloma pa tudi s Slovenci, ki so se izobra- ževali in umetniško izoblikovali v tujini. Prvi znak pritekanja sodobnih nazorov o cerkveni glasbi je bilo uveljavljanje historizma. Njegove sledove zasle- dimo prvič v spisih Kamila Maška. S svojim časopi­

som Ciicilia je opozoril na pomen Palestrine in

domačina Gallusa ter postal z zadržanim odnosom do cerkvenih skladb Haydna in Mozarta eden prvih znanilcev nove historistične estetike. Novi ideal cerkvene glasbe je postopno prodiral tudi v glasbe- no prakso tam, kjer je usposobljenost izvajalskih

moči to dopuščala, npr. v ljubljanski stolnici v dru- gi polovici petdesetih in v začetku šestdesetih let.

Tu je prevlado dosegel šele po letu 1868, ko je vo- denje stolnega kora prevzel češki glasbenik Anton Foerster. Manj je historizem na Slovenskem vplival na skladateljsko delo tega časa. Zasledimo lahko le redke in kompozicijsko prešibke poskuse.

Uveljavljanje novih estetskih idealov v slovenski cerkveni glasbe je naletelo - glede na evropske raz- mere - na nenavaden položaj. Ob vsesplošnem

občutku nacionalne ogroženosti, ki je preveval

257

(2)

MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL

Schaffen dieser Epoche, zu vermerken sind nur ein- zelne und kompositorisch zu schwache Versuche.

Die Durchsetzung neuer asthetischer Ideale in der slowenischen Kirchenmusik stieB - mit Rilcksicht auf die europaischen Verhaltnisse - auf eine unge- wohliche Situation. Angesichts <les allgemeinen Gefuhls <les Bedrohtseins, von welchem die slo- wenische Intelligenz durchdrungen war, wurde in der slowenischen Offentlichkeit jede Neuheit als ein Angriff auf die nationale Identitiit empfunden.

Die Versuche der leitenden Kirchenmusiker, <las historistische Repertoire durchzusetzen und die popularen slowenische Kirchenlieder vom Anfang es 19. Jahrhunderts durch dieses zu ersetzen, stie-·

Ben auf Widerspruch beider politischer Lager, so

<les liberalen, wie <les konservativen. Die Gegner der neuen Musik - die vor allem ihre Fremdheit angriffen - ubersahen die Tatsache, daB auch <las populare slowenische mehrstimmige Kirchenlied auf musikalischen Elementen aufgebaut ist, die national nicht gekennzeichnet waren, sondem all- gemein im ostalpenlandischen Raum verbreitet waren. Der groBe Zwist liber die echte slowenische Kirchenmusik entlhullt sich deswegen eher als ein Konflikt zwischen dem Alten und dem Neuen, als zwischen dem Einheimischen und dem Fremden.

Offensichtlich ist auch die Tatsache, daB die slo- wenische Kirchenmusik im 19. Jahrhundert - die alte und die neue - zwar eng mit <len ubrigen os- terreichischen und suddeutschen tandem ver- bunden war, keinesfalls aber kann von einer Ver- bundeheit mit ganz Mitteleuropa die Rede sein.

slovensko izobraženstvo, je bila vsaka novost v slo- venski javnosti občutena kot napad na nacionalno identiteto. Poskusi vodilnih cerkvenih glasbenikov, da bi uveljavili historistični repertoar in z njim na- domestili popularne slovenske cerkvene pesmi iz

začetka 19. stoletja, so naleteli na odpor obeh poli-

tičnih taborov, tako liberalnega kot konservativne- ga. Nasprotniki nove glasbe - ki so napadali pred- vsem njeno tujost- so spregledali dejstvo, da je bila tudi popularna slovenska cerkvena pesem grajena z glasbenimi prvinami, ki niso bile nacionalno za- znamovane, temveč so bile splošno razširjene v vzhodnoalpskem prostoru. Veliki spor o pravi slo- venski cerkveni glasbi se zato izkaže prej kot kon- flikt med starim in novim, kot med domačim in tujim. Hkrati pa kaže, da je bila slovenska cerkve- na glasba 19. stoletja - stara in nova - sicer res tes- no povezana z ostalimi avstrijskimi in južnonem- škimi deželami, nikakor pa ne moremo govoriti o povezanosti s celo Srednjo Evropo.

Die Beschaftigung mit der Kirchenmusik <les 19. Jahrhunderts scheint auf ersten Blick uninteressant zu sein. Schon ein fluchtiger Dberblick der musikgeschichtlichen Lietratur bekraftigt unsere Dberzeugung, daB die Forschung dieser Gattung heute mehr oder weniger im Randbereich der Musikwissenschaft wahrzunehmen ist. Die- ser Zustand ist auf die Tatsache zuriickzufiihren, dass die Kirchenmusik seit Mitte

<les 18. Jahrhunderts unaufhaltbar ihre zentrale Rolle in der Kunst der Musik verloren hat. Ihre Funktion und asthetische Unterstellung <len kirchlichen Ritenfiihrte zu immer groBeren Widerspriichen mit <len Entwicklungstendenzen der zeitgenossischen Mu- sik. Auf anderer Seite offnete <las auflebende burgerliche Musikleben <len fahigeren Komponisten neue und eintraglichere Wege zum Erwerb gerade in einer Zeit, in welcher die wachsende Sakularisierung <len EinfluB und die okonomische Kraft der Kirche stark ins Wanken brachte. Das Komponieren und Ausfiihren von Kirchenmusik wurde immer mehr zur Sache jener, die sich in der gro&n Welt der Oper und <les Kon- zertes nicht bewahren konnten. Die wenigen kirchenmusikalischen Werke gro&r Meister des 19. Jahrhunderts, die auch heute noch immer im Interesse der Musikwissenschaft stehen, verdanken diese Aufmerksamkeit var allem der Tatsache, daB sie zur Zeit ihrer

(3)

Entstehung nicht den zeitgenossischen Ansichten liber angemessene Kirchenmusik ent- sprachen, und konnen deswegen als Teil des heutigen Konzertrepertoires weiter exis- tieren.

Wenn also die Beschaftigung mit der Kirchenmusik fUr die allgemeine Musikge- schichte weniger interessant ist, ist sie jedoch flir die Forschung einiger marginaler nati- onaler musikalischer Kulturen, zu welchen auch die slowenische gehorte, notig. Die kirchliche musikalische Produktion in Slowenien entwickelte sich im Vergleich mit an- deren Musikgattungen aus politischen und kulturellen Grunden nicht verhiiltnismiiBig.

In einer Umwelt, in welcher aus verschiedenen Grunden die deutsche Sprache uber- wiegend im Gebrauch war, war oft die Kirche der einzige Ort, an welchem die sloweni- sche Sprache zur offentlichen Geltung kam. So ist es verstiindlich, daB das slowenische mehrstimmige Kirchenlied in der Mitte des 19. Jahrhunderts, also in einer Zeit, in wel- cher sich die weltliche vokale Musik in slowenischer Sprache nur allmahlich und mit Schwierigkeiten ihre ersten Wege auf die Konzert- und Opernbuhne bahnte, schonJahr- hunderte lang ein eingeblirgerter Teil des Gottesdienstes war. So ist in Slowenien eben die Kirchenmusik diese Sparte des musikalischen Schaffens, in welcher wir durch den uberwiegenden Teil des 19. Jahrhunderts am unmittelbarsten die Beziehung zwischen dem slowenischen und dem mitteleuropiiischen Raum betrachten konnen.

Der Ausgangspunkt der Entwicklung der slowenischen Musik im 19. Jahrhundert sind die Verhiiltnisse nach der Epoche der Josephinischen Reformen und der Napo- leonkriege, die in den letzten Jahrzehnten des 18. und am Anfang des 19. Jahrhun- derts die organisatorischen und okonomischen Fundamente der kirchlichen Institu- tionen ins Wanken brachten, die aber auch entschieden das Niveau der Ausfohrun- gen der Kirchenmusik beeinfluBten. Auffallend ist der groBe Qualitiitsunterschied der Kirchenmusik in den Stiidten und in landlichen Pfarren. In den Stiidten wurde neben dem tiiglichen Singen deutscher und slowenischer Kirchenlieder, im groBeren oder kleineren Umfang, auch die Tradition der regelmiiBigen Ausfohrungen vokal - instrumentaler kirchlicher Werke auf lateinische Texte gepflegt. Das Repertoire war ausgesprochen »mitteleuropiiisch". Es bestand aus Werken von Komponisten der Wiener Klassik, ihrer Zeitgenossen und Nachfolger (Joseph und Michael Haydn, Wolfgang A. Mozart, Ludwig van Beethoven, Anton Diabelli, Johann Nepomuk Hum- mel, Joseph Eybler, Carl Czerny, Johann Baptist Schiedermayer u.a.). Das Repertoire wurde in betrachtlichem MaBe von Werken auf slowenischem Gebiet lebender Kom- ponisten erweitert, wie z.B. František Benedikt Dussik, Karl Venceslav Wratny, Leo- pold Ferdinand Schwerdt, Anton Holler, Josef Miksch u.a.

Dementgegen hat sich die slowenische Kirchenmusik auf dem Lande bis zur Mit- te des 19. Jahrhunderts kaum geiindert und blieb meistens auf dem Niveau der vorjo- sephinischen Zeiten. Das Musikrepertoire bestand aus Werken, die aus verschiede- nen Quellen von musikalisch nur schlecht ausgebildeten Dorforganisten angeschafft wurden. Melodien und Texte wurden oft von ihnen selbst geschrieben, oder es wur- den for neue slowenische Texte Weisen aus zeitgenossischen deutschen und iilteren slowenischen Kirchenliederbuchern umgearbeitet. Nicht selten langte man auch nach Weisen bekannter Volkslieder und anderer popularer Gesange.1 Das derart geformte Repertoire siedelte zusammen mit dem Organisten von Pfarre zur Pfarre, 2 allmahlich

259

(4)

MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL flihrte das zu einem Ausgleich des musikalischen Geschmacks in slowenischen Lan- den. Die Ausfohrungskrafte wurden an bedeutenderen Gelegenheiten mit Volksmu- sikanten erganzt, die an Feiertagen und bei besonderen Feierlichkeiten in die Dorf- kirchen wenigstens eine Spur jener barocken Reprasentativitat brachten, die bis zur zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts im Geschmack des Volkes als Ideal des Kirchen- ritus blieb. 3 Ihr Beitrag waren ein Marsch beim Introitus, ein Walzer, eine Polka oder Mazurka wahrend des Gottesdienstes und obligat ein Trommelwirbel bei der Erhe- bung der Hostie.4

Dieser Zustand, der im hohen MafSe auf den Mangel eines entsprechenden kunstli- chen, jedoch von der landlichen Bevolkerung ausflihrbaren Repertoires zuruckzufoh- ren ist, rief in gebildeten Kreisen immer wieder Entrustung hervor. Trotz zahlreicher prinzipieller Erorterungen, wie diese Verhaltnisse zu verbessern, blieb es nur bei weni- gen sachlicher MafSnahmen. Den grofSten Erfolg hatte der Versuch des Domvikars und Organisten Gregor Rihar in Ljubljana, der zusammen mit dem Textautor Blaž Potočnik

in den vierziger und fonfziger Jahren mehrere Sammlungen slowenischer mehrstimmi- ger Kirchenlieder herausgab. So versahen beide Autoren die Dorfkirchen mit einem musikalisch entsprechenderem und vor allem dogmatisch einwandfreiem Repertoire flir verschiedene Anlasse im Laufe des Kirchenjahres. Diese Kompositionen wurden mit Begeisterung empfangen. Sie wurden vom bischoflichen Ordinariat unterstutzt und waren bei der Geistlichkeit, den Kirchensangern und den Glaubigen, sehr beliebt. Die Melodien der Lieder von Rihar wurden schnell volksrumlich, beide Autoren wurden als Grunder der slowenischen Musik gefeiert. Nur wenig Bedeutung hatten dabei we- der der etwas schwachere harmonische Satz, noch die zu sehr nach volkischem Ge- schmack gerichteten Melodien. Die Anekdote, nach welcher Rihar nach den Opern- vorstellungen oft voller Inspiration nach Hause eilte, um eine gefallige Melodie aufs Papier zu bringen, ist namlich nicht weit von der Wahrheit.

Zeitgenossischere Ansichten liber die stilistische Gestaltung der Kirchenmusik, vorerst der Historismus, spater als seine reifere Realisation, die Cacilianische Bewe- gung, setzten sich in Slowenien erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch. Die Trager dieser Bewegung waren vor allem fremde Musiker aus mitteleuropaischen tandem, die auf slowenischem Boden ihren Erwerb suchten, teilweise aber auch Slowenen, die in der Fremde studiert haben. Die ersten Spuren der Durchsetzung historischer Ansich- ten in der Kirchenmusik sind in den Schriften und Kompositionen von Kamilo Mašek, der in denJahren von 1850 bis 1852 in Wien studiert hatte, zu finden. In seiner Zeitung Cacilia veroffentlichte er im Jahre 1857 eine Reihe von Biografien beruhmter Kom- ponisten der Vergangenheit. Die Auswahl der Personlichkeiten und die Bewertung ihrer Beitrage zur Entwicklung der Kirchenmusik zeigen deutlich darauf hin, dafS er zur

1 Ein besonders drastischer Fali unter vielen war ein Marienlied auf die Melodie „unsere Katze hatte Junge". Vgl. Ferdi- nand Vigele, „o cerkveni glasbi" [Ober die Kirchenmusik], in: Učiteljski tovariš [Der Genosse des Lehrers] 8 (1868), Nr.

8, Seite 121-124.

2 Anton M. Slomšek, "Cerkveno petje nekdanjo in sedanjo po Štajerskem" [Der einstige und jetzige Kirchengesang in der Steiermark], in: Drobtinice [Kriimelchen] 12 (1857), Seite 216, 293; 29&-9.

3 Franc Kosar, ,,Y zadevi nove slovenske pesmarice" [In Sache eines neuen slowenischen Liederheftes], in: Zgodnja Danica [Der friihe Morgenstern] 3 (1850), Nr. 52, Seite 217.

4 ·Gregor Rihar", in: Drobtinice 22 (1888), Seite 91-118.

(5)

Zeit seines Aufenthaltes in der Fremde, historistische Ansichten und Werturteile an- nahm. Den Vorrang unter den Kirchenkomponisten schrieb er Palestrina zu, den er auch als den „Konig der Kirchenmusifo, benannte, neben ihm wurden aus dem 16. qnd 17. Jahrhundert noch drei Komponisten angefuhrt: Jacobus Gallus, Orlando di Lasso und Grigorio Allegri.5 Andererseits offenbart sich in den Biografien der grofSen Kom- ponisten der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts- neben der Betonung ihres Beitrages anderen Musikgattungen z.B. der sinfonischen oder der Kammermusik - eine ausge- sprochene Zuriickhaltung gegenuber ihrem kirchenmusikalischen Werk, als hochwer- tige werden nur die Kompositionen hervorgehoben, denen auch die deutsche histo- risch orientierte Publizistik der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts den Rang einer wah- ren Kirchenmusik anerkannte. So werden in der Biografie von Joseph Haydn6 seine grofSen und zu dieser Zeit in Slowenien noch immer hochst popularen Messen kaum erwahnt, von den Messen Mozarts nur das Requiem.7 Mit Begeisterung wird dagegen die ernstere Kirchenmusik von Michael Haydn empfohlen.8 Am deutlichsten zeigen sich die historistischen Ansichten von Mašek in der biografischen Abhandlung]acobus Gallus im Sammelwerk Vodnikov spomenik aus dem Jahre 1859. Im Artikel wird zweifelsohne hervorgehoben, dafS die Werke von Palestrina und Gallus den Hohe- punkt der Kirchenmusik aller Zeiten bedeuten. Indirekt wird auch angedeutet, dass die zeitgenossischen Komponisten den alten nicht ebenburtig sein konnen. In einer Bemerkung in Verbindung einiger Bearbeitungen der Kompositionen von Gallus, die in der Leipziger Zeitung Allgemeine Musikzeitschrift erschienen sind, macht er die Ar- rangeure darauf aufmerksam, dafS alle zeitgenossischen Zuschneider klassischer Wer- ke nicht einen Gallus ersetzen konnen.9

Die historistischen Ansichten sind schnell in die Musikpraxis der zentralen stadti- schen Kirchen eingedrungen. Das klassizistische kirchliche Musikrepertoire auf la- teinische Texte wich allmahlich, vorerst nur an ausgesuchten Gelegenheiten, dem historistischen. Der Domchor erwarb in der zweite Halfte der funfziger Jahre zumindest einige Hefte fundamentaler deutscher historistischer Editionen, z.B. die Sammlun- gen Musica Divina und Selectus novus missarum von Karl Proske.10 Die neuen Mu- sikalien wurden durchaus nicht for Studienzwecke angeworben, neben den Partitu- ren wurden auch die fur die Ausfuhrung notigen Stimmen beschafft. Im Jahre 1857 beteuert Mašek, dafS sich jedermann von der Schonheit und der Wirkung des Misere-

Cdcilia 1 (1857), Nr. 7. Seite 52; Cacilia 1 (1857), Nr. 5, Seite 34; Cdcilia 1 (1857), Nr. 16, Seite 121.

Cdcilia 2 (1858), Nr. 1, Seite 7.

7 Cdcilia 2, (1858), Nr. 3, Seite 29.a

8 „rm Kirchenstyle war er einer der trefflichsten Componisten." Vgl. Cacilia 2 (1858), Nr. 3 Seite 29.

9 Kamilo Mašek, ·~acobus Gallus·„ in: Vodnikov spomenik [Vodnik' s Denkmal], Ljubljana 1859, Seite 177-178.

10 Janez Zlatoust Pogačar, „(Jber Kirchenmusik«, in: Triglav 4 (1869), Nr. 60, Seite 4-6. Seine Anfuhrung, da!S Gregor Rihar fur <len Domchor funf Hefte der Editionen von Praske gekauft hatte, stimmt nich in Ganze. Die Inventaraufnahme der Musikalien <les Domchores aus dem]ahre 1864 (ein]ahr nach Rihar' s Tod) enthalt nur <las l. und 2. Heft der Sammlung Musica Divina von Praske, die schon 1853 bzw. 1855 erschien. Miiglich aber ist, da!S <las 3. und 4. Heft der Sammlung Musica Divina und <las l. Heft der Sammlung Selectus novus missarum zwischen den Jahren 1864 und 1868 gekauft wurden, man kann sie noch heute unter <len erhaltenen Musikalien <les alten Domarchivs finden. Vgl. Viktor Steska,

"Glasbeni inventar stolnega kora v Ljubljani pod Gregorjem Riharjem„, [Das musikalische Inventar <les Domchores in Ljubljana unter Gregor Rihar], in: Cerkveni glasbenik [Der Kirchenmusiker] 51 (1928), Seite 113-119 . Venčeslav Snoj und Alojzij Mav, „inventarni popis starega stolnega arhiva„ [Die Inventaraufnalune <les alten Domarchives], Hand- schrift, Archiv <les Domchores in Ljubljana.

261

(6)

MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL revon Palestrina bei den Gottesdiensten in der Karwoche im Dom in Ljubljana ilber- zeugen kann - in der Ausfiihrung des Chores der Theologiestudenten, freilich unter der Leitung des regens chori Gregor Rihar.11 DaB diese Ausfiihrungen groBen Erfolg bei den Horern hatten, erinnert sich Josip Levičnik, der berichtet, daB wahrend der Gottesdienste am Karfreitag - die ansonsten nicht zu den beliebtesten osterlichen Zeremonien ziihlten - vor dem Dom in Ljubljana eine lange Reihe von Droschken stand, wie zu groBen Feiertagen.12 Die neuen Ideale reichten aus Ljubljana auch in andere Gegenderi. Kamilo Mašek gewann fiir die Idee seinen Schiller Anton Hribar, der spiiter in Vipava (zwischen den]ahren 1859 und 1861) und Gorizia, historistische musikalische Kirchenwerke ausfiihrte .13

Schwiicher war das Echo der zeitgenossischen Ansichten in der Kirchenmusik auf slowenische Texte. In das geistige Umfeld des Historismus' konnen nur die Kirchenlie- der von Mašek eingereiht werden, die er in der Revue Cacilia im]ahre 1858 veroffent- licht hatte. Mit diesen wirklich einfachen Kompositionen, die vor allem unerfahrenen Ausfiihrenden vom Lande zugedacht waren, wiinschte er ein Repertoire zu schaffen, welches die fiir die Kirche unangemessenen Erzeugnisse der Dorfmusikanten und an- gelernter Organisten, die in dieser Zeit auf slowenischen Choren noch immer tiberwie- gend im Gebrauch waren, zu verdriingen. Die einfache homofone und homorhythmi- sche Faktur, frei jegliche Expressivitiit, war vielleicht ein, in kleinem Umfang realisier- tes Ideal der ·edlen Einfalt•, welche die Ftirsprecher des neuen kirchenmusikalischen Stils in den Werken von Palestrina erkannten. Mit seinen Bemtihungen hatte Mašek nur wenig Erfolg, bald warf man ihm vor, daB seine Werke auf ·fremden· Ideen gegriindet seien, die in Slowenien keinen Erfolg haben werden. 14 Mogliche ehrgeizigere Plane wurden durch den zu friihen Tod von Mašek im]ahre 1859 vereitelt.

Die Bemtihungen um die Durchsetzung zeitgenossischer Ansichten in der Kir- chenmusik wurden von seinem Nachfolger als Lehrer an der Offentlichen Musik- schule, Anton Nedvd, weitergefiihrt. Dieser, zwar in der Tschechei geborene und bei Professoren am Prager Konservatorium ausgebildete Musiker, machte beim Unter- richt zukilnftiger Lehrer, die damals auch den Dienst der Organisten versahen, mit rauen Worten auf die Unangemessenheit der fiir den zeitgenossischen Geschmack all zu sehr sekuliirer und kompositions-technisch schwacher Kompositionen von Rihar aufmerksam. Dber die Kompositionen von Rihar sollte er noch vor dem Jahre 1862 beim Unterricht gesagt haben: ·Diesem Elende in Krain muB ein Ende gemacht wer- den!·15 Zur entgiiltigen Verscharfung kam es anliisslich seines Versuchs imJahre 1865, beim Singen der Abendandachten im Dom in Ljubljana die traditionellen vierstimmi- gen Antifonen und Hymnuse von Rihar mit einem unisono (vermutlich einem chora- len) Gesang zu ersetzen. Der Vorfall erhielt nationale Dimensionen, auch die Tages-

11 Ciicilia 1 (1857) 7, 52.

12 Jožef Levičnik, ·Gregor Rihar•, in: Koledarček drnžbe sv. Mohorja za leto 1865 [Kalender des Sankt Hermagoras' Vereins filr das Jahr 1865], Seite 33-40.

13 Wilhelm Urbas, ·Camilo Maschek. Eine biografische Skizze•, in: Mittheilungen des historischen Vereinsfar Krain(1861), Seite 75-79.

14 Jožef Levičnik, ·Beseda o slovenskih pesmih in napevih• [Ein Wort iiber die slowenischen Kirchenlieder und Gesange], in: Zgodnja Danica 15 (1862), Nr. 11, Seite 86--87.

15 Slovenec [Der Slowene] 1 (1865), Seite 99.

(7)

zeitungen reagierten scharf. Der Klagenfurter Slovenec bezeichnete Nedved erniedrigend als "einen Lehrer aus Ljubljana", der sich erdreistet in die Erbschaft des groBen Rihar einzugreifen. Die Zeitung Novice nannten seinen Versuch "eine kolos- sale Frechheit«.16 Dieses Echo erschutterte Nedvd jedoch nicht, die Presse reagierte dreiJahre spater wieder auf seine padagogische Arbeit. Der Redakteur des Učiteljski

tovariš, Andrej Praprotnik, hatte in Sinn eben ihn, als er niederschrieb, daB [„.] an den Praparanduren fremde kulturtragende Gelehrte den einzigartig schonen slowe- nischen Gesang unterdrucken."17

Einen neuen Aufschwung bekam die Durchsetzung der zeitgenossischen Ansich- ten in der Kirchenmusik mit dem Aufleben der Cacilianischen Bewegung in Deutsch- land Ende der sechziger Jahre. Der erste Widerhall in Slowenien war ein Rundschrei- ben aus demJahre 1868,18 in welchem der Plan der Reform der Kirchenmusik im Dom in Ljubljana dargelegt wurde. Obwohl das Zirkular vom Dompropst Janez Z. Pogačar

unterschrieben war, scheint die Vermutung, daB der Plan in Ganze vom neuen regens chori, Anton Foerster, verfaBt wurde, angebracht zu sein. Dieser Komponist und Musi- ker, ein Abkomme einer angesehenen tschechischen Musikerfamilie, den neben einer grundlichen musikalischen Ausbildung auch eine auBerordentliche Frommheit aus- zeichnete, begrundete die Erneuerung der Kirchenmusik im Dom in Ljubljana in Gan- ze auf Cacilianischen Idealen. Die alte vokal-instrumentale Musik sollte der nur voka- len weichen, die sparlichen Besetzungen der Singstimmen dem zeitgenossischen Chor- klang. Die oberen Singstimmen sollten von Knaben gesungen werden.

Obwohl der vorgestellte Plan in organisatorischen Sinn nicht realisiert wurde, be- gann Foerster mit einer allmahlichen Erneuerung des ausgefuhrten Repertoires. Aus seinem Bericht liber die Tatigkeit des Domchores in der zentralen deutschen caciliani- schen Revue Musica sacra imJahre 1876 ist zu entnehmen, daB es ihm schon in eini- gen Jahren gelang das Repertoire grundlich zu erneuern. Neben wenigen klassizisti- schen und fruhromantischen Werken ist die Zahl der historistischen Kompositionen uberraschend groB. Zu finden sind Werke von Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts (Gregor Aichinger, Gregorio Allegri, Claudio Casciolini, Bartholomeo Cordans, Anto- nio Lotti, Giovanni B. Martini, Giuseppe Ottavio Pitoni, Lodovico Viadana, Tomas Luis da Victoria, Giuseppe Olivieri, Antonio Scarlatti, Johann IV. von Portugal und Jacobus Gallus), so wie Werke von Epigonen aus den Reihen deutscher Cacilianer. Der Prozess der almahlichen Aussonderung der nach cacilianischen MaBstaben nicht angemesse- nen Kompositionen, wurde bis zur Mitte der achtziger Jahre fortgesetzt, bis zum Zeit- punkt also, an welchem die historistische Vollendung ihren Hohepunkt erreichte.19

Foersters Bedeutung ist groBer als die Rolle, die er bei der Erneuerung des Reper- toires des Domes in Ljubljana hatte. Nach der Grundung des Cacilianischen Vereins des Bistums Ljubljana wurde er zur zentralen Autotitat der slowenischen caciliani- schen Bewegung. Als langjahriger Professor und Leiter der Orgelschule in Ljubljana

16 Novice [Die Nachrichten], 23 (1865), Nr. 15, Seite 123.

17 Ferdinand Vigele, „o cerkveni glasbi" [Uber die Kirchenmusik], in: Učiteljski tovariš S (1868), Nr. 8, Seite 121-124.

18 Janez Zlatoust Pogačar, „[Jber Kirchennmsik«, in: Triglav 4 (1869), Nr. 60, Seite 4-6.

19 Anton Foerster, "Auffi.ihrungen des Domchores zu Laibach in Krain 1868--1876", in: Musica sacra 9 (1876), Nr. 11, Seite 101-102 '

263

(8)

MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL bildete er Generationen von Organisten aus, die die cacilianischen Ideale aufs Land ubertugen, als Redakteur der musikalischen Beilage der Zeitschrift Cerkveni glasbe- nik und Zensor von Kompositionen, diktierte er durch Jahrzehnte die MaJSstabe der Angemessenheit der for die Kirche geschriebenen Kompositionen. Er war einer der seltenen in Slowenien wirkenden Komponisten, die sich bei ihrer kompositorischen Arbeit den historistischen Vorbildern annaherte. In seinen Kompositionen auf latei- nische Texte kann man Bemuhungen des Autors entdecken, bestimmte Elemente der historischen Stile mit dem zeitgenossischen tonalen Chorsatz zu integrieren. Der Gebrauch des Falsobordon-Satzes und der Polifonie ist haufig, auffallend sind die ausgeglichene Formung der melodischen Linien und das vollkommene Ausbleiben der Chromatik. Sein Schaffen beruhrte auch die Kirchenmusik auf slowenische Tex- te. Obwohl sein Beitrag dieser Gattung verhaltnismafSig bescheiden war, pragte er durch seine Tatigkeit als Redakteur des zentralen, in zehntausenden Exemplaren gedruckten slowenischen kirchlichen Liederbuches Cecilija, eben dieses Repertoire, welches sich am starksten im slowenischen ethnischen Raum verbreitete. In Betracht genommen worden ist auch eine Anzahl von Kompositionen von Rihar, die teilweise korrigiert und neu harmonisiert wurden.

Foersters Wirken rief in slowenischen politischen Kreisen ein negatives Echo hervor. Im Jahre 1880 wurde er zum Opfer des gehassigsten satirischen Angriffs in der slowenischen Musikgeschichte. In der Zeitung Brencelj erschien hintereinander eine Reihe von Beitragen, die die Grenzen einer noch annehmbaren Witzigkeit weit uberschritten und schlugen stellenweise in sehr personliche Angriffe auf den Cha- rakter und die Personlichkeit von Foerster um. Es kam zu einer langwierigen Pole- mik zwischen den Beforwortern der Cacilianischen Bewegung und den Gegnern Foerster' s, die ausgesprochen nationalistische und musikalisch reaktionare Stand- punkte verteidigten. Der Hohepunkt der Polemik war ein chauvinistischer Ausbruch von Jakob Alešovec, dem Redakteur der Zeitung Brencelj, der behauptete, dafS wir Slowenen unsere eigene Musik und unsere eigene Komponisten haben, Foerster aber kann den Tschechen das Heil bringen. Die Polemik hatte keinen wesentlichen EinfluJS auf Foerster' s Tatigkeit, vergrofSerte aber seine Abscheu gegen die Zusam- menarbeit mit den weltlichen slowenischen Musikinstutionen, wodurch die allmah- lich erwachende slowenische Musik eines fahigen Mitarbeiters beraubt wurde.20

*

Aus diesem kurzen Uberblick der slowenischen Kirchenmusik im 19. Jahrhun- dert ist deutlich genug zu entnehmen, dafS ihre Entwicklung, so wie anderswo in Europa, durch die Gegensetzlichkeiten des Neuen und des Alten gekennzeichnet wurde - zwischen der Kirchenmusik des spaten 18. Jahrhunderts und ihren Epigo- nen und der historistischen Kirchenmusik, einer Frucht der geistigen Stromungen in

20 Brencelj [Die Bremse] 11 (1879), Nr. 14; Brencelj 11 (1879), Nr. 23-24; Jakob Ale[ovec, »Odgovor na Poslano Foersterjevega peresa« [Antwort auf das gesandte Briefvon Foerster], Slovenec 8 (1880), 11; Slovenski narod [Die slowenische Nation] 13 (1880), 18; Brencelj' 12 (1880), Nr. 1; »Drugo poslano« [Das Zweite gesandte], Slovenski narod 13 (1880, 36; »Tretje poslano« [Das Dritte gesandte], Slovenski narod 13 (1880), 42.

264

(9)

der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts. Die erste wird in den spezifischen kulturell- sozialen Verhaltnissen im slowenischen Raum durch die Tatigkeit von Gregor Rihar vertreten. Die slowenische Intelligenz, die in uberwiegender Mehrheit noch immer von Geistlichen bauerlicher Abstammung zusammengesetzt war, fasste sie als die ideale Verwirklichung der slowenischen nationalen Kirchenmusik auf. So gewann sie eine Bedeutung, die wesentlich ihren musikalischen Wert ubertraf. Bedeutungs- los blieb die Tatsache, dafS sich die Melodien vor Rihar an verschiedene Quellen anlehnen, vom italienischen Belcanto bis zu Volksliedern des ostalpenlandischen Raumes, die sonstige musikalische Struktur seiner Werke war aber in der Mitte des 19. Jahrhunderts schon vollkommen anachronistisch. In der slowenischen Musikkul- tur hatte dieses Repertoire eine ahnliche Rolle, wie z.B. die klassizistische Musik der Wiener Klassiker in der kaiserlichen Hauptstadt. Sie war traditionell, beliebt, vor al- lem aber war sie ein nostalgisches Symbol einer Epoche, die im steigenden Rhyth- mus des Lebens und der politischen Spannungen im 19. Jahrhundert allmahlich for immer verblasste. (Der Unterschied zwischen beiden, in Bezug auf Gattung und Qualitat, ist vor allem in einem verschiedenartigen sozialen Querschnitt beider Mili- eus zu suchen. Wahrend sich die Entwicklung der Kirchenmusik des spaten 18. Jahr- htmderts und der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts in Wien vor allem in hofisch- aristokratischen Kreisen verwirklichte, entwickelte sich die slowenische zumeist in Ruhrahlen Verhaltnissen.)

Auf den Verlauf der Gegenuberstellung des Neuen und des Alten in der Kirchen- musik in Slowenien im 19. Jahrhundert ubte auch die spezifische kulturelle und po- litische Lage der slowenischen Nation ihren EinflufS aus. Der Mange! an festen Fun- damenten, auf welchen sie ihre nationale Identitat hatten aufbauen konnten (klein an der Zahl, die Begrenztheit der slowenischen Sprache und der Kultur auf die nied- rigsten sozialen Schichten; das Fehlen eines politischen Rahmens, der eine Identifi- kation mit einer politischen Formung ermoglichen wiirde; usw.) rief bei der sloweni- schen Intelligenz, klein an der Zahl, das Gefohl einer nationalen Gefahrdung hervor.

Unter solchen Zustanden war die Einfuhrung neuer Ideen in der Kirchenmusik au- fSerst schwierig. Alles Neue im 19. Jahrhundert kam nach Slowenien aus der Fremde, daheim gab es keine grofSen urbane Zentren, in welchen musikalische Neuheiten entstehen oder wenigstens schnell Resonanz hatten finden konnen. Die Trager des Neuen waren grofStenteils einzelne Musiker, meist Fremde, die in entwickelteren kulturellen Zentren ausgebildet wurden, die die dort allgemein eingeburgerten Ideen in die slowenische musikalische Praxis einzufohren versuchten. Der Widerstand auf den sie stiefSen, war deswegen in der Rege! mit Ausbruchen von Heimatliebe ver- bunden. Zumeist war das ein aufrichtiger Ausdruck der Beforchtung vor dem Verlust der nationalen Eigenstandigkeit. Bei Einzelnen ist die Moglichkeit nicht auszuschlie- fSen, dafS das nationale Pathos nur eine Maske der mangelnde Bereitschaft und des Unvermogens einer Konfrontation mit dem Neuen, das langsam auch in die entfern- te osterreichische Provinz drang, darstellte.

Wenn wir am Ende das Verhaltnis zwischen dem europaischen Raum und der slowenischen Kirchenmusik im 19. Jahrhundert zu definieren versuchen, kommen wir zu zwei Feststellungen:

265

(10)

MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL l.Durch die Beobachtungen der EinfluBe des mitteleuropaischen Raums auf die Entwicklung der slowenischen Kirchenmusik im 19. Jahrhundert kann festgestellt werden, daB nur ein Teil des geografischen Gebiets, welches wir gewohnlich mit diesem Begriff kennzeichnen, einbezogen war. Kontakte und Parallelen in der Ent- wicklung sind nur mit anderen 6sterreichischen Erblandern und der Tschechei fest- zustellen, reichen aber auch liber die Grenzen der Habsburger Monarchie nach Sud- deutschland, dem Ausgangspunkt des Historismus' und der Cacilianischen Bewe- gung. Kontakte mit 6stlicher liegenden tandem (z.B. Ungarn, Slowakei) gab es fast nicht, oder sie waren ausgesprochen einseitig (z.B. slowenische Organisten suchten Arbeit in Kroatien). In dieser Hinsicht erweist sich der mitteleuropaische Raum also nicht als einheitlicher, es kommt auch im 19. Jahrhundert - ahnlich wie ofters in vergangenen Zeitraumen - zu einer entschiedenen kulturellen Abgrenzung zwischen Osterreich und Ungarn, die noch immer - einem gemeinsamen Herrscher und Staate zum Trotz - sogar starker war als die Staatsgrenze zwischen Osterreich und Bayern.

Aus slowenischer Perspektive bilden den mitteleuropaischen kulturellen Raum vor allem Osterreich, die Tschechei, Norditalien, weniger Ungarn, die Slowakei, Kroati- en und die 6stlicher liegenden Lander.

2.Die Entwicklung der Kirchenmusik in Slowenien war eng mit den Entwick- lungsstromen der benachbarten Regionen verbunden. Vorerst waren die Verbindun- gen personlich. Nach Slowenien kamen fremde Schaffende und Ausfiihrende der Kirchenmusik, viele slowenische Musiker bildeten und formten sich kunstlerisch in Musikzentren der benachbarten Lander (Regensburg, Wien). Nach Slowenien ver- breitete sich aus den Nachbarlandern auch das Musikrepertoire, welches entschei- dend das musikalische Bild der gesamten Kirchenmusik, die hier entstand (so auf lateinische, als auch auf slowenische Texte) beeinfluBte. Alle damaligen Widerstreite zwischen den Befiirwortern der »einheimischen« und »fremden" (im Grunde genom- men der alten und der neuen) Kirchenmusik, konnen nicht die Tatsache vermin- dern, daB Rihar' s Anlehnen an die Melodik der italienischen Oper, des deutschen Singspiels, des alpenlandischen Jodelliedes nicht im gr6Beren MaBe spezifisch slo- wenisch (und weniger mitteleuropaisch) war, als das Cacilianische Anlehnen an den Gregorianischen Choral oder an die vokale Polifonie des

16.

Jahrhunderts. Die nati- onale Festlegung der einen oder der anderen ist nur auf Grund unmusikalischer (die Sprache des Textes), keinesfalls musikalischer Kriterien, moglich. Darum konnen wir die gesamte.slowenische Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts, so die alte wie die neue, als »mitteleuropaisch" bezeichnen. Davon zeugt auch die Stromung des Reper- toires in entgegengesetzter Richtung, die bis jetzt in der slowenischen musikalischen Geschitsschreibung oft ubersehen wurde. Die slowenische Kirchenmusik erstattete auch selber ihren - dem Umfang nach entsprechenden - Beitrag der europaischen und >>ffiitteleuropaischen« katholischen Kirchenmusik. Das bezeugen die Kompositi- onen slowenische cacilianischer Komponisten im Katalog des Deutschen Caciliani- shen Vereins, Ausgaben bei deutschen und 6sterreichischen Verlage und Auffiihrun- gen von Werken Anton Foerster' s in Wien.

266

Reference

POVEZANI DOKUMENTI

angeheftet ist jene, in der Schumannschen Zeitschrift veroffentlichte Be- sprechung des Werks, die zugleich eines der wichtigsten Dokumente der romanischen

Im Erhabenen, einer doppelten Bewegung, in der einerseits die Sinnlichkeit schmerzend ihre eigene Unangmessenheit zur Darstellung des Ganzen erfährt und abdankt,

tako ni upočasnil samo procesa industrializacije in z njim rasti števila delavstva, ta bojazen je bila m očna predvsem na Dunaju, tem več se je zavzemal za

bei Pêcheux die Lacansche Problem atik des nicht-imaginären Subjektes des Signifikanten, der Struktur, als ein »idealistisches« Moment auf, das kritisch zu

Die folgenden Überlegungen wollen dies beispielhaft anhand der Notationen von ein- stimmiger liturgischer Musik des süddeutschen und österreichischen Raumes zeigen; 1 dies unter

Der Begräbnisgesang Ecce quomodo moritur iustus, der auch in der aktuellen Re- zeption noch die bekannteste Komposition des Jacob Handl darstellen dürfte, erschien gegen Ende

19 Während der damalige Leiter des Heimatbundes, des ideologischen Vorgängers des heutigen Heimatdienstes, Alois Maier-Kaibitsch 20 die „Unversöhnlichkeit“ der Slowenen

So kann man im frühen Fremdsprachenlernen nicht wirklich vom Bewerten und Benoten des Sprechens oder des Schreibens sprechen, wie das bei allen älteren Lernenden der Fall