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GEHT ES NOCH DARU M , DIE GESELLSCHAFT ZU VERÄNDERN?

Tomaž Mastnak

Nein. N icht notw endigerw eise. — Eine solche A ntw ort kann sehr selbst­

verständlich klingen. Ein Linker w ürde sie wahrscheinlich als konservativ, reaktionär, usw. bezeichnen und sie dem gegnerischen »Lager« zuordnen, selbst aber auch w eiterhin noch versichern, daß die W elt zu verändern sei.

D ie Sache w ürde sich kom plizieren, wenn w ir die Titelfrage im »linken Lager«

oder zumindest innerhalb dessen, was sich seinerzeit so nannte, des sog. tra­

ditionellen Diskurses der Linken stellen würden. Die Frage bezweifelt nämlich etwas, was in der großen, von Selbstverständlichkeiten erfüllten Bewegung am selbstverständlichsten schien, sie betrifft etwas, was in dem von dieser Bew egung hervorgebrachten gesunden Menschenverstand am gesundesten und verständlichsten w ar. Ich rede natürlich von der sozialistischen Bewegung, diesem historischen »K ern « der Linken. Die Überzeugung, daß die Gesellschaft zu verändern sei, w ar sozusagen der Probierstein des sozialistischen bzw.

linken Diskurses.

M it dieser Frage — auf die wir, um gleich am A nfang zu zeigen, daß wir sie ernst nehmen, verneinend antworten — schließen w ir uns also der Dis­

kussion über die K rise der Linken an. Einer Diskussion, die das politische und soziale Im aginäre der traditionellen Linken problematisiert und ausein­

andernim mt, gleichzeitig aber auch ein neues linke Denken und eine neue linke Politik zu begründen sucht. W ir setzen also voraus, daß diese Krise besteht. W ir verstehen sie vo r allem als Krise der Arbeiterbewegung, des Sozialismus und des M arxismus. Die Arbeiterbewegung w ar das Dominierungs- zentrum der organisierten linken Politik; der Sozialismus war der Inbegriff des Linken und des Arbeiterhaften, der generelle Diskurs der Linken; der M arxism us w ar die Theorie (D ie Idee) des Sozialismus. Das Verhältnis zur Krise des »linken Denkens« kann verschiedene Formen annehmen. Man kann so tun, als gebe es sie nicht, man kann diejenigen angreifen, die über sie reden und sie theoretisch zu fassen suchen (wenn keine intelektuelle Argumente zur Hand sind, genügen auch klinische Qualifikationen und moralische Disquali­

fikationen — cf. Geras 1987); man kann sie dialektisch als Ubergangsschwäche darstellen, die gew iß eine neue kräftige Linke aus sich ins 21. Jhr. heraus­

lassen wird. W enn w ir es aber wagen, uns mit dieser Krise theoretisch aus­

einanderzusetzen, müssen die drei oben genannte »M om ente« dieser Krise

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durchdacht werden : die Krise der A rbeiterbew egung, die K rise des Sozialismus und die Krise des Marxismus.

Ich meine, daß diese Krise nicht dialektisch zu erklären ist; w enn w ir heute von einem Ausgang der A rbeiterbew egung und des M arxism us sprechen können, so geht damit etwas unw iderruflich verloren. Der Standpunkt dieser Aussage w urde von den neuen sozialen B ewegungen (nsB) hervorgebracht.

Dieser Standpunkt befindet sich deshalb sow ohl innerhalb der K rise der Linken als auch außerhalb ihrer. Die nsB haben zur D ekom position der sozalistischen diskursiven Formation beigetragen (d. h. des traditionellen linken Diskurses) ; gleichzeitig entwerfen sie einen neuen Diskurs, in dem w ir nicht einfach die Kehrseite der Dekomposition des sozialistischen Diskurses sehen dürfen, so wie auch die nsB keine »Seite« (»K onsequenz« usw.) der K rise der Linken darstellen. Das Entstehen der nsB steht in keinem sym m etrischen Verhältnis zum Untergang das Sozialismus/der A rbeiterbew egung/des Marxismus. Mit anderen W orten: man kann die nsB solange nicht affirm ieren, bis die H err­

schaft der Arbeiterbewegung, ihre ontologischen Privilegien und epistem olo- gischen Prärogative nicht abgeschafft sind. Diese Herrschaft kann sich einfach historisch abnützen, w obei diese Abnützung natürlich erst durch ihre A rtiku­

lation real w ird: die Erklärung daß sie geschichtlich zu Ende ging, stünde durchaus im Einklang mit dem »historisch-m aterialistischen« Diskurs. Der Ausgang der Arbeiterbewegung w ird real und beherrschbar (w er und w ie sie bewältigen wird, ist eine auch weiterhin noch o ffen e Schlüsselfrage), wenn der sozialistische Diskurs — und das heißt auch, seine theoretische M atrix, der Marxismus — auseinandergenommen wird. Dieses Element der Negation ist unabdingbar, um die nsB artikulieren zu können, es ist aber nicht not­

wendigerweise auch ein Moment dieser Artikulation.

Wir können jetzt versuchen, unsere Titelfrage und ihre V erneinung zu begründen.

1. Man könnte auf der Ebene der historischen oder soziologischen Deskrip­

tion bzw. Impression argumentieren. Zum indest in der sozialistischen Hälfte Europas — einem Gebiet, von dem man nicht m ehr weiß, ob es schon eine andere oder nur eine andersartige Zivilisation (Šimečka 1985) darstellt — haben sich im letzten Jahrzent K äm pfe, Initiativen und B ew egungen heraus­

gebildet, die dem Revolutionismus abgesagt haben (die R evolution ist eine Veränderung kat’exochen), keine U m wälzung des System s m ehr verlangen und im Rahmen des status quo zu wirken versuchen — K äm pfe, Initiativen und Bewegungen, die positiv und konstruktiv orientiert sind, legalistisch und komprom ißbereit, defensiv und k o n se rv a tiv . . . B eschreibung und A nalyse dieser »Erfahrungen« wären sowohl nötig als auch lehrreich, w ir w ollen aber hier darauf verzichten. W ir möchten einige m ehr konzeptuelle Fragen angehen, uns dabei auf das Buch von Ernesto Laclau und Chantai M ou ffe H egem on y and Socialist Strategy (Laclau/M ouffe 1985) stützend, das w ir als eine konsi­

stente, inovative und stimulative theoretische Auseinandersetzung mit der Krise des »linken Denkens« bewerten.

2. Die erste konzeptuelle A ntw ort auf die Frage, weshalb die Gesellschaft nicht zu verändern sei, wäre: weil die Gesellschaft nicht existiert. W ir über­

nehmen hier die Analyse von Laclau/M ouffe. Ihre A rgum entation w erden w ir in groben Zügen folgenderm aßen zusam m enfassen: Die V orstellung von der Gesellschaft als einem gegebenen und fixen intelligibilen Ganzen, als einem

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Tomaž Mastnak: Geht es noch darum, die Gesellschaft zu verändern? 25

objektiven und geschloßenen System der Differenzen — von einer Gesellschaft mit W esen und G rundlage also, denen sie ihre Regelung und ihre Identität verdankt — diese V orstellung liegt dem traditionellen linken politischen Ima­

ginären zu Grunde. W enn aber alle Identitäten relationell, die Relationen aber nie vollkom m en fixiert und stabil sind, kom mt es nie zu einer vollkommenen Identitätskonstituierung. Die Logik der Identität kann also nicht erklären, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse wirklich funktionieren; sie verkennt, daß der M om ent einer radikalen Schließung der Totalität nie eintritt. Die Unvoll­

kom m enheit jeder Totalität veranlaßt uns, die Prämisse fallen zu lassen, die

»G esellschaft« sei eine suturierte, selbstbestimmte Totalität. Die Gesellschaft kann nie gänzlich als konzeptuelles Objekt aufgefaßt werden, da sich die Logik der vollen Identität, verm ittels deren die Geselschaft erst in ein konzeptuell faßbares O bjekt um gew andelt wird, nie realisiert. Es gibt kein Hauptprinzip, das das gesamte Feld der D ifferenzen fixieren und damit konstituiren würde.

Das Gesellschatliche hat also keine letzte Grundlage, w ir haben es bloß mit partiellen und erfolgslosen Versuchen zu tun, eine solche Grundlage zu kon­

stituieren. Die Dekonstituierung der »Gesellschaft« führt zu einem offenen, nichtsuturierten Feld des Gesellschaftlichen, in dem die Logik der Hegemonie wirksam ist: eine Logik der partiellen Fixierungen, die konstitutiv für jede gesellschaftliche Identität sind. (Laclau/M ouffe 1985, 111 und 192 sq.; Laclau 1986, 23). H ier fangen aber die Schwierigkeiten erst an.

3. L aclau/M ouffe w iderlegen die Gesellschaft als konzeptuelles Objekt, auf dieser Ebene kann somit von keiner Veränderung der Gesellschaft die Rede sein; sie behalten aber die Vorstellung von einer Veränderung des Gesell­

schaftlichen (der gesellschaftlichen Verhältnisse) bei (cf. Laclau/M ouffe 1985, 152 sq.). Um weiterzukom m en, w ollen w ir zunächst einen Schritt zurücktretten.

L aclau/M ouffe gelangen zu ihrem Gesellschaftsbegriff mittels einer »D ekon- struktion der m arxistischen K ategorien« (ibid., 3). Ihre überzeugende und luzide Dekonstruktion läßt aber das unberührt, was die marxistischen Kategorien einführt, sie erst setzt: »den Marxschen Eingriff«. Marx hat, schreiben Laclau/

M ou ffe (ibid., 151 sq.), in die R eflexion des Politischen in einem Moment eingegriffen, in dem sich die Produktivität der Einteilung des politischen Raums in der Form der Dichotom ie Volk/ancien régim e zu erschöpfen schien bzw . fü r eine Herausbildung des Politischen, daß die K om plexität und V iel­

falt der Industriegesellschaften erfassen könnte, unzulänglich war. Marx ver­

sucht, schreiben sie w eiter, das Primäre der gesellschaftlichen Einteilung verm ittels eines neuen Prinzips zu denken: des Kampfes zwischen den Klassen.

Dieses neue Prinzip ist aber von A nbeginn an radikal unzulänglich, weil die klassenspezifische G egenüberstellung nicht den gesamten gesellschaftlichen K örper in zwei antagonistische Lager einteilen kann, so daß sich diese Gegen­

überstellung autom atisch als Demarkationslinie in der politischen Sphäre re­

produzieren w ürde. Die A ffirm ieru n g des Klassenkampfes als grundlegenden Prinzips der politischen Einteilung verlangt deshalb zusätzliche Hypothesen, die unserer M einung nach durch eine Soziologisierung der Geschichtsphilo­

sophie abgestüzt w erden. Die von Laclau/M ouffe an M arx’ Eingriff geübte K ritik richtet sich aber nicht so sehr gegen diese futuristiche Hypothese »einer V ereinfachung der gesellschaftlichen Struktur, die zu einem Zusammenfallen der w irklichen politischen K äm pfe und der K äm pfe zwischen den zwei Klassen, d. h. zwischen den zwei auf der Ebene der Produktionsverhältnisse konstituier-

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ten Akteuren« führen soll: eine solche K ritik trifft vielm ehr M arx’ Erben in der II. und III. Internationale. Laclau/M ouffe kritisieren vo r allem den Sach­

verhalt, daß der

»Marxismus trotz der V eränderung des politischen Prinzips der gesell­

schaftlichen Einteilung ein wesentliches M erkm al des jakobinischen Ima­

ginären unverändert beibehalten h at: das Postulat eines grundlegenden Bruchs und eines einheitlichen, das Politische konstituierenden Raums.

Verändert wird nur die zeitliche Dimesion, da diese Einteilung in zwei Lager, die gesellschaftlich und politisch zugleich ist, in die Zukunft ver­

schoben ist« (ibid., 152).

Die logischen Konsequenzen einer solchen K ritik sind k lar: das vom Mar­

xismus reproduzierte jakobinische Imaginäre kann durch die Pluralisierung der Bruchm omente und die D iversifizierung des politischen Raums überw unden werden. Meiner Meinung nach sollte die Problem atisierung des M arxschen Eingriffs (der ja ein konstitutiver A k t des hundertjährigen Diskurses der Lin­

ken ist) fortgesetzt werden. Eine Schlüsselrolle kom m t dabei dem Zusam m en­

fallen des Gesellschaftlichen und des Politischen zu : der »Einteilung in zwei Lager, die gesellschaftlich und politisch zugleich ist.«

Das diskursive Feld, in das M arx in den 40-gen Jahren eingriff, hatte zwischen den politischen und den sozialen B ewegungen unterschieden. Das Neue von M arx bestand darin, diesen Unterschied zu überschreiten:

»M arx versuchte damals, sich dem Schisma zwischen der ,rein‘ politischen Bewegung der radikalen Dem okraten (A. Rüge) und der ,rein‘ sozialen B ewegung der ,wahren Sozialisten* (M. Hess und K. Grün) dadurch zu entziehen, daß er den politischen Ü berbau als Produkt der gesellschaft­

lichen Basis und die gesellschaftlichen Spannungen als Faktoren der politischen Dynamik zu verstehen suchte.« (Pankoke 1970, 40.)

Der erste öffentliche Auftritt des schon wissenschaftlichen Sozialismus endet mit der Behauptung von der Untrennbarkeit der politischen und der gesellschaftlichen Bewegung, der gesellschaftlichen Evolution und der p oli­

tischen Revolution (MEW 4, 182). Das Zuschreiben der politischen Sendung einer bestimmten sozialen/klassenspezifischen Stellung (MEW 1, 378 sq.), wird konsequenterweise zu einer Idee der »totalen R evolution« ausgearbeitet (MEW 4, 182): die »politische« und die »soziale« R evolution stim men überrein (cf. Pankoke 1970, 40).

Wenn der Jakobinismus die m oderne R evolution als eine politische Re­

volution begriff, als einen grundlegenden Bruch, der einen einheitlichen poli­

tischen Raum konstituiert, dann hat der M arxism us dieses Prinzip auf das Gesellschaftliche appliziert. Er hat die R evolution als M atrix der ( U m f o r ­ mung des Gesellschaftlichen begriffen und das Gesellschaftliche der Logik des jakobinischen Politischen subsumiert. Dies bew irkt natürlich eine De­

struktion der spezifischen Logik des Gesellschaftlichen und hebt letztendlich die Gesellschaft auf. Das Gesellschaftliche ist unm ittelbar das Politische: »die revolutionären Elemente« organisieren sich auf der Grundlage der vollen Ent­

wicklung der »Produktivkräfte« als Klasse (MEW 4, 181), die Klasse ist un­

mittelbar Partei (MEW 4, 471). Das G esellschaftliche, das unm ittelbar das

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Tomaž Mastnak: Geht es noch darum, die Gesellschaft zu verändern? 27

Politische ist, ist gegengesellschaftlich: es ist der Gesellschaft gegenübergestellt, zielt auf die Elim inierung der bürgerlichen Gesellschaft ab (MEW 4, 181;

Brunner et al., 1975, 144; Herre 1973, 166). V on Anbeginn an wird der Asso­

ziationismus, die politisierte Gem einschaftlichkeit gegen die Gesellschaftlichkeit postuliert (cf. Fehér et al. 1986, 361) — gegen das Gesellschaftliche und dessen Struktur-, R egelungs- und Integrationsprinzipen.

Die theoretische Operation, die diese Übereinstimmung von Politischen und G esellschaftlichen begründet, ist gerade jener Essentialismus, der von L aclau/M ouffe verw orfen w ird ; diese Übereinstimmung ist das Medium, in dem sich das politische Imaginäre und dessen privilegierte Topoi — die onto­

logische Zentrallrolle der Arbeiterklasse, das epistemologische Prärogativ

»ihrer« »revolutionären W issenschaft« (MEW 4, 143), Die Geschichte und Die R evolution, der einheitliche und homogene, eine harmonische und transpa­

rente »A ssoziation« setzende W ille — überhaupt entwickeln können. Wenn man dieses Im aginäre dekonstruiert, ohne daß dabei die Einheit des Politi­

schen und des Gesellschaftlichen gesprengt wird, kann auch die Möglichkeit einer R eproduktion von alten Problem en durch ein neues Imaginäre nicht aus- geschloßen werden.

W enn die nsB — oder zumindest Bestrebungen in der sozialistischen Hälfte Europas, die zivile Gesellschaft zu konstituiren — etwas Neues eingebracht ha­

ben, dann sind das gew iß (demokratische) präpolitische, unpolitische, oder/und antipolitische (Havel et al. 1985, Konrad 1985) gesellschaftliche Mobilisierungen und Aktivitäten. Sie haben ein vom Politischen getrenntes Gesellschaftliche und dessen spezifische Logik affirm iert. Das von Laclau/M ouffe vorgeschla­

gene K onzept der H egem onie — das ermöglichen soll, das »Spezifische der gegenw ärtigen gesellschaftlichen K äm pfe zu denken und gleichzeitig eine neue Politik der Linken zu um reissen« (Laclau/M ouffe 1985, 3) — ist aber als

»F orm « der Politik, als »T yp eines politischen Verhältnisses« definiert (ibid., 134 sq.); die »neue Logik des Gesellschaftlichen« wird von der Hegemonie bloß

»im pliziert« (ibid., 192). D er Ausdruck nsB selbst ist aber, so Laclau/Mouffe,

»unangm eßen« (ibid., 159). Sehen w ir ihn uns also zunächst etwas näher an.

4. Die B ew egung ist die »Schlüsselkategorie« der »Epoche der Revolution«

(Pankoke 1970, 19). Mit der Bewegungsmetapher wurde die »Bewegung in der Produktion« — bzw . die »Bewegung der Produktion« (Schulz), bzw. die

»industrielle B ew egung« — , »d ie Bewegung in der Gesellschaft« und die »Be­

w egung in der Geschichte« (cf. Pankoke 1970, 22 sq.) erklärt. Was die soziali­

stische — und insbesondere die M arxsche — Invention auszeichet, ist die V erw ischung der Grenze zwischen den verschiedenen Gebrauchsgebieten dieser M etapher: die V erbin du ng der »Bewegung in der Produktion« mit der »Be­

w egung in der Gesellschaft« und der »Bewegung in der Geschichte« (Pankoke 1970, 24): der »K lasse der vollkom m enen Entfremdung« auf der Ebene der

»B ew egung der Produktion« w urde die Rolle des Trägers der »gesellschaft­

lichen B ew egung« m it einer geschichtlichen Sendung zugeschrieben — das K onzept der revolutionären gesellschaftlichen Bewegung, der sozialistischen A rbeiterbew egung w urde geprägt. Die klassenspezifische Begründung der revolutionären geschichtlichen Bewegung w ar nicht nur ein Abschied von der Einteilung des gesellschaftlichen/politischen Raums auf Volk und ancien régim e, sie hat auch die Einteillung in die »Mächte des Beharrens« und die

»M ächte der B ew egung« (Riehl 1975) umstrukturiert, indem sie die Demar­

kationslinie ins Innere des Bloks der »K räfte der Bewegung« verschoben hat:

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in den Klassenkampf zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie. Der B egriff der gesellschaftlichen Bewegung w urde an den Rand gedrängt oder überhaupt ausgeschlossen. Die Arbeiterbew egung w urde als gegengesellschaftliche gesell­

schaftliche bzw. antisoziale soziale B ew egung konstituiert (ausführlicher dar­

über in Mastnak 1986). Die potentielle politische W irksam keit dieses Konzepts hat vom A nfang an die gesellschaftliche A nalyse vereinfacht (cf. dazu Pan­

koke 1970, 16): diese blieb im U nterschied zur damaligen »intelektuellen Bewegung« der Geschichtsphilosophie untergeordnet (cf. ibid., 37, 45); die Sozialisten (in Deutschland) hatten in der zweiten H älfte des 19. Jhr. keinen bedeutenderen Gesellschafts-Theoretiker (cf. Lees 1974, 174 sq.).

Insofern der B egriff der nsB zumindest Spuren dieser historischen K o n - stelation mit sich oder in sich führt, ist er natürlich unangem eßen. M einer Meinung nach wird aber von den nsB gerade diese »traditionelle« K onzep- tualisierung dekonstruiert. Die nsB sind konzeptuell von den »B ew egungen in der Geschichte« und — mindestens innerhalb unserer geopolitischen Gren­

zen — von den »Bewegungen in der Produktion« abgegrenzt: sie sind gerade

»Bewegungen in der Gesellschaft«. Sie sind konsequent von der R evolution und der Politik sowie von den »K lassengrundlagen« getrennt. Gerade des­

wegen sind sie »neu« und »gesellschaftlich« (»sozial«). Kann also die B ew e- gunsmetapher aus der »Epoche der R evolution « in einem der R evolution je n ­ seitigen Feld noch gebraucht w erden? Die R evolution, anfangs auch eine Metapher (cf. Griewank 1969), verliert hier und jetzt ihr M etaphorisches — sie wird zum W ortwörtlichen der politischen Macht, genauer gesagt, der p o­

litischen Herrschaft. Die nsB sind ausgesprochen m etaphorisch. Sie sind aber nicht eine Metapher des gesellschaftlichen Geschehens — obw oh l sie auch als diese Metapher fungieren können — sie stellen vielm ehr ein Geschehen auf jener Ebene des Gesellschaftlichen dar, auf der auch die M etapher w irksam ist. Die nsB stellen, mit Melucci gesprochen, »ein e sym bolische H erausforde­

rung« dar (Melucci 1985), sie sind B ewegungen im Sym bolischen. Der »A u s­

druck« Bewegungen ist angemeßen, sow eit er dieses m etaphorische M om ent mit sich führt. Er gehört aber »dem gleichen konzeptuellen und semiotischen Rahmen an, in dem sich auch andere B egriffe, z. B. die der R evolution oder des Fortschritts, ausgebildet haben«, so daß er ein »Sym ptom eines allgem ei­

neren epistemologischen Problems« ist — von der Soziologie w ird er deshalb verwendet, w eil sie seiner in Ermangelung besseren B egriffe nicht entbehren kann (cf. ibid., 799). W enn Melucci nun als »A nnäherung« den B egriff »Netz der Bewegungen« vorschlägt, behält er gerade das problem atischste B egriffs­

glied der nsB zurück; wenn w ir aber anstatt der nsB den B egriff »neue Form en der politischen Identität« gebrauchen oder sie »neue politische Subjekte«

benennen (Laclau/M ouffe 1985, 158, 167), dann bew irken w ir damit — und zwar ziemlich unreflektiert — eine V erschiebung der Problem atik und verlie­

ren damit jenes, was im B egriff der nsB wesentlich ist — die Gesellschaft­

lichkeit.

Laclau/M ouffe haben eine Reihe von K onzepten fü r die Analyse der nsB entwickelt, sie haben aber gleichzeitig durch die Zw eideutigkeit der »H ege­

monie« — die ein politisches Verhältnis darstellt, w obei nur am Rande ange­

deutet wird, daß w ir sie als Logik der Konstitution der gesellschaftlichen Iden­

titäten (cf. Laclau 1986, 23) verstehen könnten — die Konzeptualisierung ihrer spezifischen Gesellschaftlichkeit erschwert. Sie begreifen diese B ewegungen als »Ausdehnung der demokratischen R evolution auf eine ganze R eihe von

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Tom až Mastnak: Geht es noch darum, die Gesellschaft zu verändern? 29

gesellschaftlichen Verhältnissen«. Was bedeutet dies für unsere Problemati- sierung?

5. Diese »A usdehnung des Feldes der Demokratie auf alle Gebiete des gesellschaftlichen Lebens«, die konzeptuell eine »Artikulation zwischen allen dem okratischen K äm pfen « (M ou ffe 1986, 13— 14) einschließt, wird vom Be­

g r iff der radikalen Dem okratie zusammengefaßt. A u f der politischen Ebene soll dieses P rojek t eine »A n tw ort der Linken« auf die Offensive der Neokon­

servativen und der neuen Rechten vorstellen. A u f der Ebene der diskursiven Praxen soll damit der V ersuch einer Disjunktion des liberalen und des demo­

kratischen Diskurses abgew ehrt werden, und zwar durch eine verstärkte V erbin du ng zwischen ihnen.

Ich meine, daß dieses P rojek t in der sozialistischen Hälfte Europas nicht ohne Bedenken angenom m en w erden kann. Um sogleich ein mögliches Miß­

verständnis zu verm eiden: nicht etwa darum, w eil hier die Akteure der nsB gegen die D em okratie eingestellt wären. Im Gegensteil, meiner Meinung nach ist es gerade hier zu einer Reinvention der Demokratie (innerhalb der »euro­

päischen Linken«) in den 70-ger Jahren gekom men, d. h. nach dem Zusammen­

bruch des R eform kom m unism us und dem Ausgang des marxistischen Revisio­

nismus. Das erste Bedenken w äre also mehr form eller Natur: die Radikalität ist ein Prädikat, das ein bestimmtes inhaltliches Verständnis der Demokratie ausdrückt. Gerade das »inhaltliche« Verständnis der Demokratie hat aber systematisch und brutal die große Mehrheit der demokratischen Institutionen, M echanism en und Prozesse der Interessenvertrettung und der Entscheidungs- bildung eliminiert. Die »b loß form ale«, »bürgerliche Demokratie« wurde »über­

w unden«, die »inhaltliche«, »klassenbestimmte« — sozialistische« — kam zur Macht. Heute festigt sich die Erkenntnis, daß eine »,inhaltliche Demokratie“

ein contradictio in a djecto« (Žižek 1987, 217) ist, daß die Demokratie entweder form al oder gar keine D em okratie ist.

Das zweite Bedenken hängt mit dem ersten zusammen, insofern nämlich

»jedes P rojek t der radikalen Demokratie notwendig ( . . . ) die sozialistische Dim ension einbezieht«, die als »A ufhebung der kapitalistischen Produktions­

verhältnisse« bzw. als »Vergesellschaftlichung der Produktionsmittel« ver­

standen w ird (Laclau/M ouffe 1985, 192, 178). Innerhalb des von Laclau/Mouffe ausgearbeiteten theoretischen Feldes stellt diese Einstellung ein Relikt der marxistischen G eschichtsphilosophie und ihres Essentialismus dar. Hierzulande ist, erstens, der Kapitalism us ein B egriff der politischen Sprache, der nur noch von einem alten Kom m unisten ernst genommen w ird ; die antikapita­

listische V ergesellschaftung des Eigentums hat sich sowohl in der Theorie w ie in der Praxis vollkom m en blamiert. Ein ernst zu nehmendes Demokratie­

p rojek t m üßte die Frage des Eigentums (an den Produktionsmitteln) offen lassen. Und zweitens, die dem okratische Invention unter dem Sozialismus bestand in einer Trennung der Demokratie von Sozialismus — dadurch wurde die A rtikulation zwischen ihnen erst m öglich (wäs für eine, das ist natürlich eine Frage des K am pfs um die Hegemonie).

A uch die Zuordnung der Idee von der »Trennung des politischen Systems von der G esellschaft« oder des B egriffs der negativen Freiheit zur »antidemo­

kratischen O ffen sive« (ibid., 171 sq.; M ouffe 1986, 12 sq.) ist etwas, was noch einmal durchdacht w erden sollte: ohne die Trennung des politischen Systems von der Gesellschaft — das heißt, ohne Verselbstständigung der Gesellschaft

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von der politischen Diktatur — kann es keine reale K äm p fe fü r die D em okratie geben; die negative Freiheit kann aber auch im Rahm en einer Tradition ge­

dacht werden, die diesen B egriff nicht von der politischen Freiheit abtrennt (cf. z. B. Neumann 1957). Diese Ideen können zw ar fü r konservativ erklärt werden. Der Konservativismus steht aber nicht unbedingt im W iderspruch zur Demokratie, so wie er auch keine konzeptuelle Oppositon zur Linken dar­

stellt. Gehen w ir noch w eiter: die radikale Dem okratie als »A lternative für eine neue Linke« (Laclau/M ouffe 1985, 176) vorzustellen ist unter dem Sozialis­

mus belanglos. Einen die Einteilung auf links und rechts erm öglichenden politischen Raum gibt es hier nicht; die R ede von einer Linken oder einer Rechten ist entweder reiner Irrsinn oder reine Herrschaftsrede.

Am Ende möchten w ir noch zwei konzeptuelle Fragen umreißen.

6. Wenn wir die »demokratische R evolution« historisch, als eine von der französischen Revolution eingeführte Invention, oder w enn w ir sie w ortw ört­

lich, als Revolution verstehen, kom m en w ir zur Frage zurück, die w ir schon am Anfang in den Mittelpunkt gestellt haben — zur Frage des Politischen bzw.

des Verhältnisses zwischen dem Politischen und dem Gesellschaftlichen.

A uch die Ausdehnung der dem okratischen R evolution auf m ehrere Ge­

biete des gesellschaftlichen Lebens stellt eine Politisierung des Gesellschaft­

lichen dar. Die Politisierung darf aber nicht mit der D em okratisierung gleich­

gesetzt werden. Das Verhältnis zwischen beiden müsste fü r verschiedene Artikulationen offen bleiben. In den sog. Gesellschaften des sow jetischen Typs ist zum Beispiel die Demokratisierung m it einem langen und allmählichen Depolitiserungsprozess der gesellschaftlichen Verhältnisse verbunden (cf. z. B.

Fehér et al., 1986). Ist aber die V erbindung zwischen der Politisierung und der Demokratisierung kontingent, dann müssen auch die unpolitischen (oder antipolitischen) Formen der demokratischen K äm p fe konzeptualisiert werden, die prinzipiell nicht als verkümmerte, unterentw ickelte oder unentwickelte politische Käm pfe aufzufassen sind. W ir w erden sie als spezifisch gesellschaft­

liche Käm pfe bezeichnen.

In diesem Text können w ir nicht näher den von L aclau/M ouffe verw en­

deten B egriff des Politischen analysieren. W ir zielen nicht auf eine Kritik ihres Werkes H egem ony and. Socialist S trategy ab, w ir m öchten vielm ehr durch ihre A rbeit hindurch eine spezifische Problem atik entfalten. Nicht ohne Grund postulieren w ir fortwährend, daß eine Unterscheidung zwischen dem B egriff des Politischen und des Gesellschaftlichen notw endig ist. W ir glauben, daß eine ungenügende Differenzierung zwischen diesen beiden B egriffe bzw. ihre Entdifferenzierung zu einer konzeptuellen Diktatur des Politischen ü ber das Gesellschaftliche führt. Wenn aber das G esellschaftliche durch das Politische spricht, verstummt es. Die spezifische Logik der G esellschaftlichen ist unter­

drückt — eine Logik, die w ir heute gerade w egen dieser Unterdrückung, wegen der Diktatur des Politischen vor allem als A uton om ie des Gesellschaft­

lichen identifizieren und affirm ieren können. Seit dem jungen M arx kann die Gesellschaft überhaupt nicht mehr gedacht w erden : die bürgerliche Gesell­

schaft ist fü r Marx ein ökonomistisches »System der B edürfnisse«, von dem die Mechanismen der gesellschaftlichen Regulierung und Integrierung ab­

strahiert sind. M arx hat die Gesellschaft b egrifflich desorganisiert, eine solche

»schon desorganisierte bürgerliche Gesellschaft« (Riedel 1975, 270) ruft aber natürlich unmittelbar nach einer politischen Integration und Regulierung.

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Die Selbstverständlichkeit der Vorstellung, daß die Gesellschaft zu verändern sei, ist mit der Dekonzeptualisierung der Gesellschaft verbunden, mit der b egrifflichen Diktatur des Politischen über das Gesellschaftliche. V on diesem Gesichtspunkt aus können w ir auf die Titelfrage folgenderm aßen antworten:

die Gesellschaft braucht nicht verändert zu werden, weil sie sich selbst »ver­

ändern« (bewegen, form ieren, transform ieren usw.) kann.

(Die Vorstellung, daß die Ü berwindung des jakobinischen Imaginären des Marxismus eine Pluralisierung der Brüche und Diversifizierung der »politischen Räum e« verlangt, ist der G efahr ausgesetzt, zu übersehen, daß dieser »Plu­

ralisierung« und »D iversifizierung« eine Pluralisierung und Diversifizierung des Politischen und des Gesellschaftlichen vorausgesetzt werden müsste. Der einhetliche politische Raum ist eine Vorstellung, die der Marxismus zwar w irklich vom Jakobinism us geerbt haben kann, bedeutender scheint mir aber, daß er das Resultat von verschiedenen Praxen ist, mit denen die marxistische Bew egung die reale Pluralität und die angetroffene oder in sie eindringende Unterschiede — Geschlechts-, Rassen-, Nationalitäts-, Generationsunterschiede, U nterschiede in der Qualifikation, in der Weltanschauung, »Störungen«, die von den A rbeitslosen, den Unbeschäftigen, der Intelligenz, den Bauern, der Mittelklasse, dem Lum penproletariat bewirkt wurden — erstickt und ausgemerzt hat. Diese Erstickung und Ausm erzung konnte diskursiv gerade durch die Desartikulierung des Gesellschaftlichen begründet werden. Die Konstelation : eine soziale Frage (Pankoke 1970, 54), eine Bewegung (»die große Bewegung«, MEW 38, 458, der du entw eder angehörst oder »tot« bist), eine Ideologie, ein geliebter F ü h r e r . . ., diese diskursive Kette konnte durch die Unterdrückung des G esellschaftlichen im Sozialismus erzeugt werden. Ergo .. .)

7. Die dem okratische R evolution führt die Logik der Äquivalenz als

»H auptm ittel fü r die Produktion des Gesellschaftlichen« (Laclau/M ouffe 1985, 155) ein. Diese Logik »subvertiert die differentielle und objektive Natur des Anderen und konstituiert somit den Anderen als etwas mir Gegensätzliches«

(Laclau 1986, 26; cf. Laclau/M ouffe 1985, 127 sq.). Lassen v/ir zunächst die Bestim m ung beiseite, daß die Ä quivalenzlogik die Logik des politischen Rau­

mes ist. W ir m öchten der kom plexen Argumentation, die diese Äquivalenzlogik einführt, bloß einige naive Frage stellen. Der Äquivalenzlogik sind der Gegen­

satz und die N egativität immanent. A u f der Ebene der soziologischen Be­

trachtung können w ir — in den nsB — gesellschaftliche Aktivitäten finden, die fü r ihre A ktion keinen G egner verlangen. Aktivitäten, die nicht negatorisch sind. Der G egner (auf den B egriff gebracht: der Feind) und die Negation sind nicht nur B egriffsbestim m ungen der Politik, sie implizieren auch V er­

änderung. W enn w ir uns also gesellschaftliche Aktivitäten ohne Äquivalenz­

logik, ohne Logik des Gegners und ohne Negation vorstellen können, haben w ir es auch mit gesellschaftlichen Aktivitäten zu tun, die nicht auf eine V eränderung abzielen. (Die gesellschaftliche Aktivität ist keinesfalls notwen­

dig eine Veränderung, die Nichtveränderung ist nicht notwendigerweise U naktivität oder A ktivität, die bloß den status quo reproduziert.) Die nicht- verändernden gesellschaftlichen Aktivitäten stellen insofern »das Verschwin­

den des Politischen«, dieses w iederum eine andere Form der »Implosion des Gesellschaftlichen« dar: d. h. ein Fehlen jener »Artikulationen, die gemeinsame Bedeutungen verschiedener gesellschaftlichen Subjekte herausbilden können«

(Laclau/M ouffe 1985, 188). Diese Problematik hat einen interessanten W ider­

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spruch erzeugt: Laclau/M oufe behaupten einerseits, daß die sich in den ent­

wickelten Industriegesellschaften vervielfältigenden dem okratischen K äm p fe

»wegen ihrer Viefalt kein ,Volk‘ konstituieren, das heißt, sie treten m iteinander in kein Äquivalenzverhältnis und teilen den politischen Raum nicht in zwei politische Felder ein«. W enn dem so ist, dann bildet der dem okratische A nta­

gonismus mit den anderen Elementen ein »System der positiven V erhältnisse«

und »verm indert den mit dem Antagonism us verbindenen negativen Spreng­

satz« (ibid., 132). Gleichzeitig reden sie aber auch davon, daß die dem okra­

tische Logik eine ekspansive Ä quivalenzlogik sei, und daß sie als solche die Positivität des Gesellschaftlichen ausschließt. Deshalb soll sie — um eine hegemonistische Politik zu erm öglichen — m it dem P rojek t »einer positiven Organisation des Gesellschaftlichen« ergänzt w erden (ibid., 189). Die konzep­

tuelle Zentralrolle der Äquivalenzlogik hat das K onzept der positiven K äm pfe verdrängt, dieses Konzept ist aber nicht unnötig gew ord en : die P rojektion der aktiven Positivität des Gesellschaftlichen dringt in die dom inante A rg u ­ mentation ein und bewirkt »ernste Schw ierigkeiten«. Im Sinne des »egalitären Imaginären« sollten die positiven A ktivitäten positiv konzeptualisiert werden.

Die Soziologie hat die m ögliche R ichtung einer solchen Konzeptualisierung angedeutet — und zwar mit dem B egriff der Produktion der Gesellschaft/des Gesellschaftlichen. »D ie Implosion des G esellschaftlichen« verw andelte sich in diesem Fall aus der katastrophischen A bw esenheit der gesellschaftlichen Artikulation in einen Ausgangspunkt, aus dem heraus sich erst verschiedene Projekte fü r eine Produktion des Gesellchaftlichen mitsamt ihren m öglichen

»gemeinsamen Bedeutungen« artikulieren ließen. Und darin besteht die dritte A ntw ort auf die anfangs gestellte Frage, w eshalb es nicht notw endigerw eise darum geht, die Gesellschaft zu verändern: w eil sie produziert w erden kann

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Reference

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