• Rezultati Niso Bili Najdeni

Das Motiv „Weltende“ in der deutschen expressionistischen

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Das Motiv „Weltende“ in der deutschen expressionistischen"

Copied!
23
0
0

Celotno besedilo

(1)

UNIVERZA V LJUBLJANI FILOZOFSKA FAKULTETA ODDELEK ZA GERMANISTIKO

Z NEDERLANDISTIKO IN SKANDINAVISTIKO

ANJA GASSER

Das Motiv „Weltende“ in der deutschen expressionistischen Lyrik

Motiv konca sveta v nemški ekspresionistični liriki

Diplomsko delo

Ljubljana, 2021

(2)

UNIVERZA V LJUBLJANI FILOZOFSKA FAKULTETA ODDELEK ZA GERMANISTIKO

Z NEDERLANDISTIKO IN SKANDINAVISTIKO

ANJA GASSER

Das Motiv „Weltende“ in der deutschen expressionistischen Lyrik

Motiv konca sveta v nemški ekspresionistični liriki

Diplomsko delo

Mentor: red. prof. dr. Špela Virant Enopredmetni univerzitetni študijski program prve stopnje: Germanistika

Ljubljana, 2021

(3)

ABSTRACT

“The End of the World” as a Motif in the German Expressionist Poetry

As the title suggests, the thesis describes the German expressionistic era, which took place before and during the First World War. The paper is divided into two parts and focuses primarily on the poetry and its apocalyptic tendencies. The first part contains an in-depth explanation of what German expressionism is. The second part makes use of some examples of expressionistic poems that all have the “The End of the World”-motif in common and analyses some of the main differences between them and the meaning of the abovementioned motif in the poem.

Keywords:

Expressionism, Poetry, German Literature, “The End of the World” motif

IZVLEČEK

Motiv konca sveta v nemški ekspresionistični liriki

Diplomsko delo opisuje čas nemškega ekspresionizma v času pred in med prvo svetovno vojno. Osredotoča se predvsem na poezijo in njene apokaliptične težnje. Diplomsko delo je sestavljeno iz dveh delov. V prvem delu je nadrobneje razložen nemški ekspresionizem, v drugem pa so analizirane pesmi, ki imajo skupni motiv konca sveta, prikazane so glavne razlike med njimi in pomen zgoraj omenjenega motiva v njih.

Ključne besede:

ekspresionizem, lirika, nemška književnost, motiv konca sveta

(4)

1

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 2

2 Der Begriff „Expressionismus“ ... 3

3 Der deutsche literarische Expressionismus ... 4

3.1 Lyrik im deutschen Expressionismus ... 5

3.2 Das Motiv Weltende ... 6

3.2.1 Jakob van Hoddis‘ Weltende ... 7

3.2.2 Georg Heyms Gott der Stadt ... 8

3.2.3 Else Lasker-Schülers Weltende ... 10

3.2.4 Alfred Lichtensteins Die Fahrt nach der Irrenanstalt I ... 12

3.2.5 August Stramms Weltwehe ... 13

4 Schlussbemerkungen ... 15

5 Zusammenfassung ... 16

6 Povzetek ... 17

7 Literaturverzeichnis ... 18

7.1 Primärliteratur ... 18

7.2 Sekundärliteratur ... 18

(5)

2

1 Einleitung

Verfall, Weltuntergang, Apokalypse, Weltflucht, apokalyptische Visionen, Katastrophe. Das alles sind Synonyme für das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Visionen des Endes wie auch des Anfangs koexistierten in unserem Unterbewusstsein schon lange vor der Entwicklung erster Kulturen, und zwar durch religiöse Traditionen, die später in anderen Medien zu finden sind. Auch in der Literatur übernahmen diese Themen, Motive, Symbole verschiedene Bedeutungen und Formen. Die Zeit des Expressionismus war stark den Tendenzen des Ersten Weltkriegs und gleichzeitig der Modernisierung der Umgebung unterworfen, was die Menschen dazu brachte, über ihre Untergangsvisionen zu schreiben.

Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit der deutschen expressionistischen Lyrik, genauer gesagt mit der Frage, wie das Motiv des Weltendes in einigen ausgewählten Gedichten der deutschen expressionistischen Dichtung dargestellt wird. Das Motiv Weltende ist gleichzeitig auch eines der zentralen Themen dieser Epoche, das außerdem mit Themen wie Krieg, Zerstörung der Stadt, Gefahr/Bedrohung, Krankheit, Schmutz, Hoffnungslosigkeit, Bedeutungslosigkeit des Einzelnen, aber auch mit „Dem neuen Menschen“, mit seiner Modernität und der Erneuerung der Welt auf den Trümmern des alten Systems verbunden ist.

Die Diplomarbeit gliedert sich in mehrere Kapitel. Das erste Hauptkapitel bietet eine grundlegende Erklärung der Epoche des Expressionismus, dazu werden verschiedene Begriffserläuterungen zahlreicher Literaturwissenschaftler herangezogen und die wichtigsten Merkmale skizziert. Im nächsten Hauptkapitel, das sich in zwei Unterkapitel gliedert, wird die expressionistische Lyrik in Deutschland kurz beschrieben und der Fokus auf das Motiv des Weltendes in den Texten gerichtet. Ferner werden die Gedichte von Jakob van Hoddis, Georg Heym, Else Lasker-Schüler, Alfred Lichtenstein und August Stramm, deren einzelne Gedichte einen Zusammenhang mit dem Weltuntergansmotiv haben, analysiert. In den Schlussbemerkungen werden die einzelnen Weltuntergangsaspekte der Gedichte miteinander verglichen und im Anschluss folgen noch die Zusammenfassungen mit dem Literaturverzeichnis.

(6)

3

2 Der Begriff „Expressionismus“

Gebildet aus expressio, das in der lateinischen Sprache die Bedeutung „Ausdruck“ trägt, und dem Suffix -ismus, dass auf die Ismen, die vor und nach 1900 entstanden sind, hindeutet, wird Expressionismus noch heute von Literaturhistorikern als ein literaturwissenschaftliches Phänomen anerkannt.

Der Begriff bezeichnete als allererstes bestimmte Erscheinungen in der bildenden Kunst. Wie Armin Arnold nachforschte, benutzte man im englischsprachigen Raum die Bezeichnung schon am Ende des 19. Jahrhunderts und später für die französische Malerei, die unter dem Namen „Les Fauves“ – auf Deutsch „Die Wilden“ – bekannt ist, die aber mit dem heutigen expressionistischen Kunststil wenig zu tun hat.1 Franz Marc, der Gründer einer künstlerischen Gruppe mit dem Namen Der Blaue Reiter, veröffentlichte 1912 in deren Almanach unter demselben Titel einen Beitrag über „Die ,Wilden‘ Deutschlands“,2 der den Übergang von der älteren auf die neuere ,wildere‘ Generation beschreibt.

Nach Kemper und Vietta wird der Begriff für den deutschen Literaturbereich erst im Juli 1911 von Kurt Hiller übernommen, was bald darauf auch in Herwarth Waldens Zeitschrift Der Sturm bekannt gegeben wurde.3 Er meinte, dass der Expressionismus eine Ausdrucksart war, und schrieb dazu:

Wir wollten unsere Kenntnisse, unsere Problematik, unsere Sprechweise, die diskussionelle, die seminarielle, durchaus auch die caféhäuslerische, in unsere Dichtungen und Prosastücke tun, uns weder dümmer stellen, als wir waren, noch feierlicher, als wir waren; […]. Wir waren nicht gegen das Große, Gewaltige, Einfache, Geradlinige; aber mit besonderer Wut protestierten wir gegen das verteufelnde Verbot, das […] Simplizissimus, welcher effektiv auf Kaiser Wilhelm, Konservativität und Krieg hinauslief, über alles Komplizierte, weltstadthaft Intellektuelle, Kultürliche, von Philosophie Berühmte, über die Abschattungen, über die präzise, hirnkontrollierte Nuance verhängt hatte.4

1 Vgl. Hans-Georg Kemper/Silvo Vietta (1975): Expressionismus. München: Wilhelm Fink, S. 13.

2 Thomas Anz (2010): Literatur des Expressionismus. Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler, S. 15.

3 Vgl. Kemper/Vietta 1975, S. 13.

4 Kurt Hiller (1965): Begegnungen mit „Expressionismus“. In: Raabe, Paul/Schneider, Karl Ludwig (Hrsg.):

Expressionismus: Aufzeichnungen und Erinnerungen der Zeitgenossen. Olten/Freiburg im Breisgau: Walter, S.

24–36, hier S. 27.

(7)

4

Der Literaturwissenschaftler Thomas Anz bezeichnet die Epoche des Expressionismus als

„die Gleichzeitigkeit des Ungleichen, […] die Zeit eines noch keineswegs abgeschlossenen Naturalismus, eines weiter wirksamen Ästhetizismus, eines epigonalen Klassizismus oder der antimodernen Heimatkunst.“5

3 Der deutsche literarische Expressionismus

Der Expressionismus erblühte im deutschsprachigen Raum am Anfang des 20. Jahrhunderts, etwa ab dem Jahr 1910, genauer in den Jahren des Zerfalls der wilhelminischen Gesellschaft bis hin zur Bildung der Weimarer Republik. Neben der Lyrik, die stets im Fokus dieser Epoche war, spielte eine wichtige Rolle auch die Dramatik. Sie wurde aber erst in der zweiten Hälfte des Krieges populärer und wurde später manchmal auch für die neueren Medien wie das Kino und Radio (Hörspiele) verwendet.

Die jungen bürgerlichen Schriftsteller, die in der Vorkriegszeit die Epoche an sich nahmen, hatten so mit ihrer künstlerischen Reaktion auf die Industrialisierung, Technisierung und zugleich dem steigenden Lebenstempo der Großstädte auf sich aufmerksam gemacht.6 Sie fanden Interesse an den Themen und Motiven wie z. B. dem Krieg (so Kriegseuphorie als auch die Kriegskritik), dem Vater-Sohn-Konflikt, der Modernisierung, der Ästhetik des Hässlichen, der Symbolik und am Menschen, der am Rande der Gesellschaft alleine als Außenseiter steht und über den Ralf Georg Bogner folgendermaßen schreibt:

Sie lassen sich von den gesellschaftlichen Zwängen nicht zu Maschinen und Automaten umfunktionieren […]. Sie erhalten sich vielmehr ihre lebendige Kraft, ihre kreatürliche Vitalität, sie verleugnen nicht ihre Gefühle. Da sie sich nicht in die Regeln der Gesellschaft einfügen, werden sie freilich konsequenter Weise für wahnsinnig erklärt und weggesperrt.7

Die Künstler und Autoren verbrachten die meiste Zeit zusammen in Berlin wie auch in anderen Großstädten Europas in den sogenannten „Neopathetischen Cabaretts“.8 Um ihre sozialkritischen Stimmen lauter und größer zu gestalten, zogen sie vor, ihre literarischen

5 Anz 2010, S. 9.

6 Vgl. Hansgeorg Schmidt-Bergmann (2003): Nachwort. Das expressionistische Jahrzehnt. In: Schmidt- Bergmann, Hansgeorg/Hermann, Sonja (Hrsg.): Lyrik des Expressionismus. Stuttgart: Reclam, S. 317–332, hier S. 319.

7 Ralf Georg Bogner (2009): Einführung in die Literatur des Expressionismus. Darmstadt: WBG, S. 66.

8 Anz 2010, S. 5.

(8)

5

Texte in verschiedenen Zeitschriften zu veröffentlichen. Die zwei wichtigsten Zeitschriften wurden von zwei gescheiterten Schriftstellern, Herwarth Walden und Franz Pfemfert herausgegeben, denen in Berlin die Chance gegeben wurde, „unbekannten oder noch wenig bekannten jungen Autoren den Weg in die Öffentlichkeit zu ermöglichen“.9 Herwarth Walden gründete 1910 die Zeitschrift Der Sturm, die sich primär mit der Kunst und auch der antinationalistischen Haltung der Schreiber befasste. Franz Pfemfert gründete 1911 die literarisch-politische Zeitschrift Die Aktion. Beide dienten als Vorbilder für viele meist kurzlebige expressionistische Zeitschriften.10

Neben den erwähnten Zeitschriften gab es verschiedene Textsammlungen von Flugschriften, Jahrbüchern, Verlagsalmanachen wie auch die Lyrikanthologie von Kurt Pinthus Menschheitsdämmerung, wo die meisten Frühexpressionistischen Gedichte veröffentlicht wurden, die später die Zeit der Expressionismus stark beeinflusst haben. Schon mit der Wahl des Titels wird klar, dass es um „Untergangsvisionen und die Aufbruchshoffnungen der Epoche“11 geht. Die Gedichte von Georg Heym, Georg Trakl, Gottfried Benn, Jakob van Hoddis, August Stramm, Ernst Stadler, Alfred Lichtenstein und Else Lasker-Schüler sind noch Jahre später die bekanntesten Texte der expressionistischen Zeit.

3.1 Lyrik im deutschen Expressionismus

Vor der expressionistischen Generation bestand die Lyrik auf einer Ebene der hohen Gedanken, edlen Gefühle und reinen Leidenschaften.12 Aber die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg prägt den modernen Menschen, dass er das vorige „Konkrete und Gestalthafte der ,wirklichen‘ Dinge“ durch die „innere Wirklichkeit, die fließend und gestaltlos ist“13 ersetzt und diese Gattung zu der dominantesten ihrer Zeit macht.

9 Paul Raabe (1992): Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus. Ein bibliographisches Handbuch. Stuttgart: J. B. Metzler, S. 14.

10 Vgl. ebd., S. 14f.

11 Christine Kanz (2013): Die literarische Moderne (1890–1920). Expressionismus (1910–1920). Literarische Subkultur und Medienbewegung. In: Beilein, Matthias (et al.) (Hrsg.): Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler, S. 370–385, hier S. 371.

12 Vgl. Edgar Lohner (1956): Erster Teil. Die Lyrik des Expressionismus. In: Friedmann, Hermann/Mann, Otto (Hrsg.): Expressionismus. Gestalten einer literarischen Bewegung. Heidelberg: Wolfgang Rothe, S. 57–84, hier S. 58.

13 Lohner 1956, S. 57.

(9)

6

Bei den Reim-, Vers- und Strophenformen der Gedichte ist eine einfache Struktur zu sehen, die auf den ersten Blick die mit einer derartigen Formtradition „assoziativ verbundenen Erwartungen der Leser an die Sprache, die Bildlichkeit und Thematik […] durchaus evoziert, doch zugleich provokativ enttäuscht“.14 Dabei handelt es sich bei einigen Gedichten ebenfalls um eine Form des Sonetts. Um die Sprache der neuen Konstitution des Ich anzupassen, erscheint bei dem Dichten erstmals „das zusammenhanglose, zerrissene und mit neuem Pathos angefüllte Gemisch“,15 das sich in den Themen, Symbolen und Motiven neuspiegeln lässt.

3.2 Das Motiv Weltende

Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen erweckt in den Dichtern pessimistische und depressive Gedanken, die auf den Zustand der Welt enttäuscht herunterblicken. Mit der Weltuntergangsmotivik stellen die Expressionisten ein subjektives und symbolisches Bild der Zerstörung der Welt dar, das in einigen Aspekten auch auf die historischen Ereignisse der realen Welt zutrifft.16

Die meisten der jungen Autoren sind sich sicher, sie seien die letzten, und fahren fort mit der Idee, mit der schon „die zu Beginn des imperialistischen Zeitalters auftretende Schriftstellergeneration begonnen hatte“.17 Hans Kaufman weist auf den damit fest verbundenen Vater-Sohn-Konflikt hin. Die rebellischen Söhne „gehen zum Teil weiter und sehen sich – nach Kriegsbeginn […] aber auch schon vor dem Krieg – als Vorboten, Verkünder und Repräsentanten einer neuen Zeit“.18

Aber mit jedem Ende gibt es auch einen Neubeginn, der eine Befreiung des Individuums und auch eine Vereinigung bestimmter Gruppen von Menschen darstellt:

Der Bezug zur Gesellschaft, der die Ahnung des Kommenden bei anderen Dichtern enthält, ist gelegentlich mit bedenklichen Zügen einer Sehnsucht nach Veränderung um jeden Preis verbunden: Jede Art von Katastrophe muß Erlösung, Befreiung vom Alpdruck des

14 Anz 2010, S. 182.

15 Lohner 1956, S. 57.

16 Vgl. Hans Kaufmann (1976): Krisen und Wandlungen der deutschen Literatur von Wedekind bis Feuchtwanger: fünfzehn Vorlesungen. Berlin/Weimar: Aufbau, S. 161.

17 Kaufmann 1976, S. 161.

18 Ebd., S. 162.

(10)

7

Bestehenden sein […], so Heym, Becher, Stadler. […] Andererseits sind aber auch einige […]

auf der Suche nach einer sozialen Basis der Erneuerung, das heißt nach Menschen, mit denen sich das Ich wirklich verbünden kann.19

Über eine neue Welt schreiben auch die, die sich auf die Offenbarung des Johannes beziehen und eine „grundlegende geistig-religiöse Erneuerung der westlichen Zivilisation“20 anstreben.

Im Weiteren werden einige Gedichte mit verschiedenen Verbindungen zu dem Motiv vorgestellt. Um die Analyse der ausgewählten Gedichte leichter zu präsentieren, sind mit der Ausnahme von August Starmms Weltwehe alle Gedichte in der Diplomarbeit als ganze eingefügt. Weil Starmms Gedicht ein längeres Simultangedicht ist, sind nur die Passagen, die das Motiv des Untergangs am stärksten darstellen, verwendet.

3.2.1 Jakob van Hoddis‘ Weltende

Das im Frühjahr 1911 erschienene Gedicht war eines der ersten frühexpressionistischen Gedichte, die Jakob van Hoddis zu einem allseits bekannten Dichter seiner Zeit machten. Er wurde von Johannes R. Becher und Gottfried Benn als ein fortgeschrittener Lyriker bezeichnet.21 Kurt Mautz bemerkt über sein „Miniaturbild eines Weltendes“22, dass es im Vergleich zu Heyms Gedichten mit Konstruktionen von „[…] so entstanden[en] Gebilde[n], in denen die dichterische Imagination weit stärker und des sprachlichen Ausdrucks mächtiger ist und die von einer intensiveren, ausdauernderen Spannung erfüllt und strenger komponiert sind […]“23 geprägt ist. Wie es auch unten im Gedicht zu sehen ist:

Weltende24

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, In allen Lüften hallt es wie Geschrei.

Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei

19 Kaufmann 1976, S. 162–163.

20 Bogner 2009, S. 69.

21 Vgl. Michael Hanke (2013): Lyrik des Expressionismus. Lektüreschlüssel für Schülerinnen und Schüler.

Stuttgart: Reclam, S. 15–16.

22 Kurt Mautz (1961): Mythologie und Gesellschaft im Expressionismus. Die Dichtung Georg Heyms.

Bonn/Frankfurt am Main: Athenäum, S. 225.

23 Ebd., S. 8.

24 Jakob van Hoddis (1911): I. Untergang. Weltende. In: Schmidt-Bergmann, Hansgeorg/Hermann, Sonja (2003) (Hrsg.): Lyrik des Expressionismus. Stuttgart: Reclam, S. 21–37, hier S. 21.

(11)

8 Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.

Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.

Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Es ist ein sehr traditionelles Gedicht, bestehend aus zwei Strophen, die textuell sehr wenig miteinander zu tun haben, aber trotzdem als einzelne „Katastrophenbilder“ verknüpft sind. Es macht den Eindruck einer verspielten Groteske, die – mit Beispielen wie „Dachdecker […]

gehn entzwei“, „die wilden Meere hupfen“, dem Bürger fällt der Hut vom „spitzen Kopf“,

„[d]ie meisten Menschen haben einen Schnupfen“ – fest mit Naturphänomenen verbunden sind und an das Ende der bürgerlichen, industrialisierten Welt hindeuten.25 Der Teil des vierten Verses „– liest man –„ bezieht sich auf das dichterische Subjekt, das weit von der Naturkatastrophe isoliert ist, wie es auch Hans Kaufmann in dem Text Krisen und Wandlungen der deutschen Literatur von Wedekind bis Feuchtwanger: fünfzehn Vorlesungen beschreibt: „Das lyrische Ich, […], ist doch als Betrachter gegenwärtig, der im Unbegreiflichen und Auseinanderstreben die Katastrophe signalisiert.“26 Die eigentlichen Betroffenen sind weit „aus der Perspektive des Bohemien gesehen, und ihr Ende dessen Wunschbild“27, das nun immer näher rückt. Es wird auch als eine Zeitungsnachricht von einer Naturkatastrophe interpretiert, die die Ereignisse nicht mehr aus der Sicht des Individuums annimmt, sondern aus der Sicht der Massenmedien.28 Obgleich sich das Gedicht mit dem letzten Vers „[d]ie Eisenbahnen fallen von den Brücken“ nicht in sich selbst abschließt, kann man nahvollziehen, was als Nächstes folgt.

3.2.2 Georg Heyms Gott der Stadt

Georg Heym – der junge Expressionist aus Berlin, der mit seinen Gedichtbänden Der ewige Tag (1911) und Umbra Vitae (1912) schon sehr früh an Anerkennung gewann – besaß, so Heinz Rölleke, eine „Art Eigendynamik der vom Urerlebnis bedrückender Zeitlosigkeit

25 Vgl. Kemper/Vietta 1975, S. 31.

26 Kaufmann 1976, S. 216.

27 Mautz 1961, S. 226.

28 Vgl. Anz 2010, S. 109.

(12)

9

geprägten dichterischen Einbildungskraft“.29 Er hatte nie langweilige und einfache Texte geschrieben, weil er immer nach komplexeren Eindrücken und Metaphern gesucht hat.30 Eines seiner Grundmotive war der Weltuntergang und damit fest verbunden sind Heyms Großstadtgedichte, die eine Kritik an dem Chaos der modernisierten Städte und den Menschenmassen darstellen.31 Unter diese Kategorie passt auch das Gedicht Gott der Stadt:

Gott der Stadt32

Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.

Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.

Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit Die letzten Häuser in das Land verirrn.

Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal, Die großen Städte knien um ihn her.

Der Kirchenglocken ungeheure Zahl

Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.

Wie Korybanten-Tanz dröhnt die Musik Der Millionen durch die Straßen laut.

Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.

Das Wetter schwält in seinen Augenbrauen.

Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.

Die Stürme flattern, die wie Geier schauen Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.

Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust.

Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust Und frisst sie auf, bis spät der Morgen tagt.

29 Heinz Rölleke (1969): Zweiter Teil: Expressionistische Lyriker. Georg Heym. In: Rothe, Wolfgang (Hrsg.):

Expressionismus als Literatur. Gesammelte Studien. Bern/München: A. Francke, S. 354–374, hier S. 360.

30 Vgl. ebd.

31 Vgl. Kanz 2013, S. 377.

32 Georg Heym (1910): V. Die großen Städte. Gott der Stadt. In: Schmidt-Bergmann, Hansgeorg/Hermann, Sonja (Hrsg.) (2003): Lyrik des Expressionismus. Stuttgart: Reclam, S. 105–151, hier S. 105.

(13)

10

Das Gedicht aus dem Jahr 1910 mit fünf Strophen, das schon mit der ganzen ersten Strophe spielerisch die „zerstörerischen Kräfte moderner Zivilisation und Großstadtwelt“33 und eine göttliche Gestalt namens „Baal“ personifiziert, bezeichnet die Stadtbewohner nur als

„Millionen“. Die göttliche Gestalt ist ein Götze, vor dem die Städte „knien“. Hans Kaufmann weist darauf hin, dass er als „Symbol zum Träger eines moralischen […] Urteils über die gegenwärtige Welt“ wird.34 Heym kritisiert aber nicht den Fortschritt in solchen Ballungszentren, sondern warnt vor den noch kommenden Ereignissen, die dann die Menschenmassen völlig vernichten könnten.35

Die Konsequenzen dieses Gedichts trägt der Autor in dem Gedicht Der Krieg I nach, indem sich die Stadt als „explosive Brutstätte der Gewalt und des Hasses erweist“.36 Dabei ist das Untergangsmotiv bei beiden Gedichten „keine mythische Vorwelt […], sondern […] die katastrophische Tendenz eines Fortschritts […], der die Welt mit lebenerstickenden, entmenschlichenden Zwangsmechanismen überzieht“.37 Mit anderen Worten: die Darstellung der Apokalypse mit den Schilderungen starrer Zustände erscheint bei Heym sehr gegenwärtig.38

3.2.3 Else Lasker-Schülers Weltende

Edgar Lohner befasste sich mit den verschiedenen Schreib- und Denkweisen der expressionistischen Lyrik und bemerkte, dass Else Lasker-Schüler mit ihren „jüdisch, christlichen und orientalischen Vorstellungen“ über die Themen der Sehnsucht, Liebe und Wahrheit schreibt und weist dabei auf ihre „sinnliche Wärme des Gefühls – ,Herz‘ ist das in ihren Gedichten am häufigsten vorkommende Wort“39. Ihre Metapher waren verträumte Träger „der Lyrik zur Weltverbesserung, zum Kampf gegen die Maschine und für die Kräfte der Seele […]. Ihre Dichtung, wo sie geglückt ist, war nie aktuell und wird nie veralten.“40 Georges Schlocker zitierte Karl Kraus, der ihre Gedichte voller Reime als „,ein Herz aus

33 Kanz 2013, S. 377.

34 Kaufmann 1976, S. 220.

35 Vgl. Hanke 2013, S. 23.

36 Ebd.

37 Mautz 1961, S. 42.

38 Kaufmann 1976, S. 222.

39 Lohner 1956, S. 73.

40 Georges Schlocker (1956): Erster Teil. Die Lyrik des Expressionismus. Else Lasker-Schüler. In: Friedmann, Hermann/Mann, Otto (Hrsg.): Expressionismus. Gestalten einer literarischen Bewegung. Heidelberg: Wolfgang Rothe, S. 140–154, hier S. 144.

(14)

11

Schmerz gesogen‘“41 bezeichnete In ihrem Gedicht Weltende vermischt die Autorin ihre Emotionen mit den Weltuntergangsvisionen:

Weltende42

Es ist ein Weinen in der Welt, Als ob der liebe Gott gestorben wär, Und der bleierne Schatten, der niederfällt, Lastet grabesschwer.

Komm, wir wollen uns näher verbergen…

Das Leben liegt in aller Herzen Wie in Särgen.

Du! wir wollen uns tief küssen - Es pocht eine Sehnsucht an die Welt, An der wir sterben müssen.

Das Gedicht aus dem Band Der siebte Tag (1905) hat in der ersten Strophe vier und in den letzten zwei Strophen drei Verse. Schon daran kann man sehen, dass es zu Abweichungen zwischen der ersten und den restlichen zwei Strophen kommen wird. Am Anfang ist es mit den ersten vier Verse sehr emotional, was durch das „Weinen in der Welt“ zu erkennen ist und zusätzlich ein Gefühl der Einsamkeit und Trauer verspüren lässt.43 Lasker-Schüler erklärt so im Namen der Menschheit die schädlichen Seiten der Industrialisierung – „bleierne Schatten“. Die letzten zwei Strophen beschreiben, wie das lyrische Subjekt die Drohungen der Weltsituation mit der Liebe selbst bekämpft, was durch Hans Kaufmanns Interpretation zu sehen ist: „Die Bedrohtheit der Liebe ist der Schatten, den das Weltende vorauswirft. Der Liebestodt ist das Weltende.“44

41 Schlocker 1956, S. 144f.

42 Else Lasker- Schüler (1905): 8 Expressionistische Lyrik. Weltende. In: Kaufmann, Hans (Hrsg.) (1976):

Krisen und Wandlungen der deutschen Literatur von Wedekind bis Feuchtwanger: fünfzehn Vorlesungen.

Berlin/Weimar: Aufbau, S. 198–253, hier S. 200f.

43 Vgl. Kaufmann 1976, S. 201.

44 Kaufmann 1976, S. 201.

(15)

12

3.2.4 Alfred Lichtensteins Die Fahrt nach der Irrenanstalt I

Ein Frühexpressionist, einer der heute bekanntesten deutschsprachigen Expressionisten, der mit seinem schwarzen Humor, der „Verschränkung von Pathos und Komik, […] das Paradoxon der Groteske“45 stark beeinflusste. Einige seiner Zeitgenossen meinten, er sei immer im Schatten von Jakob van Hoddis und anderen des Berliner „,Cafés des Westens‘“

gewesen, aber er wurde auch als Vorläufer der „poetischen und antipoetischen Montagen der Dadaisten und Surrealisten“ bezeichnet.46 Seine Dichtungen sind voller Irrenhaus- und Selbstmordvisionen, die aber durch das Herkömmliche erkennbar wurden. Das erreicht er auch mit der Form und dem „alternierenden weiblichen und männlichen Reim“47 in dem vorliegenden Gedicht:

Die Fahrt nach der Irrenanstalt I48

Auf lauten Linien fallen fette Bahnen Vorbei an Häusern, die wie Särge sind.

An Ecken kauern Karren mit Bananen.

Nur wenig Mist erfreut ein hartes Kind.

Die Menschenbiester gleiten ganz verloren Im Bild der Straße, elend grau und grell.

Arbeiter fliegen von verkommenen Toren.

Ein müder Mensch geht still in ein Rondell.

Ein Leichenwagen kriecht, voran zwei Rappen, Weich wie ein Wurm und schwach die Straße hin.

Und über allem hängt ein alter Lappen – Der Himmel... heldenhaft und ohne Sinn.

45 Heinrich Küntzler (1969): Zweiter Teil: Expressionistische Lyriker. Alfred Lichtenstein. In: Rothe, Wolfgang (Hrsg.): Expressionismus als Literatur. Gesammelte Studien. Bern/München: A. Francke, S. 398–410, hier 399.

46 Ebd., S. 389.

47 Lohner 1956, S. 75.

48 Alfred Lichtenstein (1919): Erster Teil. Die Lyrik des Expressionismus. Die Fahrt nach der Irrenanstalt I. In:

Friedmann, Hermann/Mann, Otto (Hrsg.) (1956): Expressionismus. Gestalten einer literarischen Bewegung.

Heidelberg: Wolfgang Rothe, S. 57–84, hier S. 74f.

(16)

13

Das zwölf Verse lange Gedicht hat in den ersten zwei Strophen Aussagen, die miteinander kaum verbunden sind „und doch steht jedes Bild wie eine Kulisse gleichwertig neben dem anderen“.49 Mit der Komposition der Nomen, Adjektive und Verben, die normalerweise nicht zusammen gehören, erstellt er neue Bedeutungen der einzelnen Strophen (wie z. B.: „fallen fette Bahnen“, „Menschenbiester gleiten“, „Arbeiter fliegen von verkommenen Toren“).50 Lichtenstein demontiert die Wortreinfolge, um die Bedeutung des Verfalls und der Zerstörung noch starker zu betonen und kreiert so eine Formel der grotesken Wirklichkeit. Edgar Lohner kommentiert dazu, dass der Autor mit der Übertreibung und ohne einen Zusammenhang von Ausdrucksformen der Verben mit Nomen „Bewegung und Ereignis perspektivisch verrückt und verzerrt wiedergegeben“51 hat. In der letzten Strophe wird auf den Tod angedeutet, was zusätzlich in den letzten zwei Verse mit dem Ende der Welt verbunden wird: „Und über allem hängt ein alter Lappen –“, „Der Himmel... heldenhaft und ohne Sinn“.

3.2.5 August Stramms Weltwehe

Einer der expressionistischen Dichter, der sich von „vers-, strophen- und reimtechnischen Regelmäßigkeiten“52 distanzierte, war August Stramm. Er schrieb Gedichte mit freien Versen ohne Reim und Teilung durch Strophen. Die ähnelten den Reihungs- oder Simultangedichten, die in den späteren Jahren des Expressionismus – genauer gesagt des Dadaismus – beliebt wurden.53 Heller meinte, dass Stramm sein lyrisches Verfahren „als reduzierte Sätze“ in Strophen verwandelte, dabei vermied er die „Subjekt-Objekt-Beziehung“ und benutzte transitive Verben.54 Von solch einer „Zerstörung des syntaktischen Bezugssystems“55 handelt auch das Weltwehe Gedicht:

Weltwehe56

Nichts Nichts Nichts Haucht

49 Lohner 1956, S. 75.

50 Ebd.

51 Ebd., S. 75f.

52 Anz 2010, S. 182.

53 Vgl. ebd.

54 Rudolf Haller (1969): Zweiter Teil: Expressionistische Lyriker. August Stramm. In: Rothe, Wolfgang (Hrsg.):

Expressionismus als Literatur. Gesammelte Studien. Bern/München: A. Francke, S. 239–250, hier S. 242.

55 Ebd.

56 August Stramm (1915): Weltwehe. In: Zeno.org. Erhältlich unter:

http://www.zeno.org/Literatur/M/Stramm,+August/Gedichte/Weltwehe/Weltwehe (Zugriffsdatum: 13.1.2021)

(17)

14 Nichts

Hauchen Nichts Hauch Wägen Wägen wegen Wegen regen Stauen Lauen

Weben schweben wallen ballen […]

Tausend Null Null Null Tausend Null Milliarden […]

Die Dichtung Weltwehe besteht aus einer Reihung von Verben und Nomen als einzelne Verse, die mit der Verknüpfung von Geburt und Tod in einer entsprechenden Darstellungsweise rezipiert werden und meistens die Ereignisse des Leidens, Sterbens und Bewegung sind.57 Die Zeilen mit „Nichts“, „Null“, „Tausend Null“, „Milliarden Null“ präsentieren eine

„unaufhörlich drängende Bewegung“ 58 und machen auch einen negativen Eindruck auf das ganze Gedicht. Aufgrund dieser Aussagen nannte Rudolf Haller Stramms Gedicht auch

„Ausdruck nihilistischer Verzweiflung“.59

57 Vgl. Haller 1969, S. 248.

58 Ebd.

59 Ebd.

(18)

15

4 Schlussbemerkungen

Das Motiv der Apokalypse spiegelt sich in den meisten Gedichten der expressionistischen Zeit mit verschiedenen Themen und Symbolen wider. Die Tendenzen, die in der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg entstehen, sind so für die gesellschaftlichen Katastrophen zuständig.

Der bedeutendste Vertreter des Expressionismus, der dieses Motiv in seinen Texten versprachlichte, ist Jakob van Hoddis mit seinem Gedicht Weltende, das zu einer Art Gedichtschema wurde und bereits mehreren Interpretationen unterzogen worden ist.

Im Vergleich zum Heyms Gott der Stadt konzentriert sich van Hoddis auf die Naturkatastrophen und benutzt einfache Strukturen für die Schilderung der Ereignisse. Heym hingegen rückt in den Vordergrund seines Gedichts den Fortschritt der Großstädte, der droht in den Weltverfall zu führen. Van Hoddis verpackt seine grotesken Bilder von Geschehnissen in „den subjektiven Charakter der Ironie und des Zynismus“60, was bei Heym nicht zu sehen ist.

Lasker-Schüler teilt sich mit van Hoddis´ Gedicht mehr oder weniger nur das Motiv und den Titel. Sie benutzt Metaphern, die weit sinnlicher sind und die das lyrische Ich direkt ansprechen, was bei van Hoddis und Heym nicht der Fall ist, da sie die Stadtbewohner nur als Massen behandeln.

Alfred Lichtensteins Die Fahrt nach der Irrenanstalt I schildert, so wie Jakob van Hoddis, verschiedene Ereignisse in einzelnen Versen, die ein absurdes Bild der Stadtdemolierung darstellen. Aber sie „wirken weniger halluzinativ, […], als sie vielmehr den schlimmen Idyllen, den Beschreibungen böser Trivialität gleichen“.61 Er skizziert das absurde Geschehen in der Dichtung durch Verknüpfung von Verben mit komisch zusammengesetzten Nomen und Adjektiven.

Und zu guter Letzt kann man Stramms Gedicht Weltwehe kaum mit den anderen oben erwähnten Gedichten vergleichen. Seine Zusammenreihung von einzelnen Wörtern als Versen bietet dem Leser umfangreiche Interpretationsmöglichkeiten, die sich aber immerhin auf das Ende und den Anfang einer Welt konzentrieren. Das Gedicht deutet schon auf die kommende Epoche des Dadaismus hin. Bei seinem Gedicht kann man abschließend feststellen, dass das Untergangsmotiv auch die späteren Epochen der Literatur stark beeinflusst hat.

60 Mautz 1961, S. 228.

61 Küntzel 1969, S. 403.

(19)

16

5 Zusammenfassung

Schon vor Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Expressionismus als Begriff in der bildenden Kunst bekannt gewesen. Vor dem Ersten Weltkrieg wird aber der Ausdruck auch in die Literatur eingesetzt. Mit der Modernisierung und Industrialisierung der Gesellschaft in den Großstädten steigt auch das Interesse an der Verbesserung und Entstehung neuer Massenmedien. Zum Beispiel war es für die Literaten in dem deutschsprachigen Raum äußerst vorteilhaft, ihre Gedichte, Essays, Textsammlungen usw. in Zeitschriften wie Die Aktion und Der Sturm zu veröffentlichen. Zusammen sammelten sie sich in den literarischen Clubs verschiedener Großstadtcafés, wo die ganz ,Großen‘ Literaten mit den jüngeren Dichtern ihre künstlerischen Erfahrungen austauschten.

Die bevorzugte Gattung dieser Zeit ist Lyrik, in der die Dichter das alte Regime kritisierten, die Konsequenzen des Krieges in Betracht nahmen und über eine neue, bessere, utopische Welt träumten. Eines der Grundmotive dieser ausdrucksreichen Gedichte ist das Weltende. In den Dichtungen formt sich das Motiv als das zweifellose Ende der Welt, die Vernichtung der Menschheit und ihrer Sünden. Mit dem Verhältnis zwischen Leben und Tod, Erneuerung und Zerfall, setzten sich unter anderem die Dichter Jakob van Hoddis, Georg Heym, Else Lasker- Schüler, Alfred Lichtenstein und August Stramm auseinander. Einige verwenden für ihre Beschreibung des Grauens und der Zerstörung Abbildungen des Unwetters, andere kritisieren das Leben in der Großstadt und was für katastrophale Folgen es auch bringen kann. Die Gedichte sind voller Metaphern, Personifikationen, Allegorien, Symbole und anderer Stilmittel. Stark dabei präsent ist auch die Umstellung des Satzbaus der einzelnen Verse.

Lasker-Schüler ist z. B. bei ihrer Schreibweise sehr emotional und erwähnt auch das Dasein Gottes.

Mit der Gotteserwähnung öffnet sich aber auch die Frage, was nach der Apokalypse passiert.

Gibt es noch Hoffnung für eine Erneuerung der Welt?

(20)

17

6 Povzetek

Še pred začetkom 20. stoletja se je pojem ekspresionizem uporabljal le v umetnostni zgodovini in kritiki. V času pred in med prvo svetovno vojno, ko je industrializacija ponovno zacvetela, se je pomen premestil tudi na novonastalo literarno obdobje. V velemestih se je družba tudi modernizirala in pojavila se je potreba po prenovi in nastanku novih medijev.

Nemški pisci in literati so svoje pesmi in eseje lahko objavljali v časnikih in različnih zbornikih. V nemškem govornem prostoru sta bila znana zlasti Die Aktion in Der Sturm.

Poleg tega so najprepoznavnejši literati in umetniki skupaj z mladimi pisci zahajali v kavarne velemest, kjer so si kot v nekakšnih klubih ali krožkih izmenjevali izkušnje in znanje s področja literature.

Priljubljena literarna zvrst je bila lirika, v kateri so pisatelji kritizirali družbeni sistem in posledice, ki jih je za sabo pustila vojna, ter sanjarili o novem in boljšem svetu. Eden glavnih motivov ekspresionistične poezije je bil motiv konca sveta. Motiv je zaznamoval absolutni konec sveta in njegovo uničenje človeštva z vsemi grešnimi dejanji. O razmerju med življenjem in smrtjo, prenovo in razpadom, so med drugimi pisali Jakob van Hoddis, Georg Heym, Else Lasker-Schüler, Alfred Lichtenstein und August Stramm. Nekateri pesniki uporabijo v svojih pesnitvah pri opisu grozot in uničenja sveta različne podobe naravnih katastrof, spet drugi kritizirajo napredno življenje v mestih in posledice, ki bi jih pušča za sabo. Vse pesmi so polne metafor, poosebitev, alegorij, simbolov in ostalih slogovnih sredstev. Zelo pogosto se pojavlja tudi zamenjan vrstni red besed v posameznih verzih. V nekaterih primerih se omenja tudi boga, kot je to razvidno pri pisateljici Lasker-Schüler, katere način pisanja je tudi bolj čustveno obarvan od ostalih.

Pri omembi boga pa se pojavi vprašanje, kaj se zgodi po koncu vsega. Obstaja še upanje za prenovo sveta?

(21)

18

7 Literaturverzeichnis

7.1 Primärliteratur

Heym, Georg (1910): V. Die großen Städte. Gott der Stadt. In: Schmidt-Bergmann, Hansgeorg/Hermann, Sonja (Hrsg.) (2003): Lyrik des Expressionismus. Stuttgart: Reclam, S.

105.

Hoddis, Jakob van (1911): I. Untergang. Weltende. In: Schmidt-Bergmann, Hansgeorg/Hermann, Sonja (2003) (Hrsg.): Lyrik des Expressionismus. Stuttgart: Reclam, S.

21.

Lasker-Schüler, Else (1905): 8 Expressionistische Lyrik. Weltende. In: Kaufmann, Hans (Hrsg.) (1976): Krisen und Wandlungen der deutschen Literatur von Wedekind bis Feuchtwanger: fünfzehn Vorlesungen. Berlin/Weimar: Aufbau, S. 200–201.

Lichtenstein, Alfred (1919): Erster Teil. Die Lyrik des Expressionismus. Die Fahrt nach der Irrenanstalt I. In: Friedmann, Hermann/Mann, Otto (Hrsg.) (1956): Expressionismus.

Gestalten einer literarischen Bewegung. Heidelberg: Wolfgang Rothe, S. 74–75.

Stramm, August (1915): Weltwehe. In: Zeno.org. Erhältlich unter:

http://www.zeno.org/Literatur/M/Stramm,+August/Gedichte/Weltwehe/Weltwehe (Zugriffsdatum: 13.1.2021).

7.2 Sekundärliteratur

Anz, Thomas (2010): Literatur des Expressionismus. Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler.

Bogner, Ralf Georg (2009): Einführung in die Literatur des Expressionismus. Darmstadt:

WBG.

(22)

19

Haller, Rudolf (1969): Zweiter Teil: Expressionistische Lyriker. August Stramm. In: Rothe, Wolfgang (Hrsg.): Expressionismus als Literatur. Gesammelte Studien. Bern/München: A.

Francke, S. 239–250.

Hanke, Michael (2013): Lyrik des Expressionismus. Lektüreschlüssel für Schülerinnen und Schüler. Stuttgart: Reclam.

Hiller, Kurt (1965): Begegnungen mit „Expressionismus“. In: Raabe, Paul/Schneider, Karl Ludwig (Hrsg.): Expressionismus: Aufzeichnungen und Erinnerungen der Zeitgenossen.

Olten/Freiburg im Breisgau: Walter, S. 24–36.

Kanz, Christine (2013): Die literarische Moderne (1890 – 1920). Expressionismus (1910 – 1920). Großstadtlyrik. In: Beilein, Matthias (et al.) (Hrsg.): Deutsche Literaturgeschichte.

Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler, S. 370–385.

Kaufmann, Hans (1976): Krisen und Wandlungen der deutschen Literatur von Wedekind bis Feuchtwanger. Fünfzehn Vorlesungen. Berlin/Weimar: Aufbau.

Kemper, Hans-Georg/Vietta, Silvio (1975): Expressionismus. München: Wilhelm Fink.

Küntzler, Heinrich (1969): Zweiter Teil: Expressionistische Lyriker. Alfred Lichtenstein. In:

Rothe, Wolfgang (Hrsg.): Expressionismus als Literatur. Gesammelte Studien.

Bern/München: A. Francke, S. 398–410.

Lohner, Edgar (1956): Erster Teil. Die Lyrik des Expressionismus. In: Friedmann, Hermann/Mann, Otto (Hrsg.): Expressionismus. Gestalten einer literarischen Bewegung.

Heidelberg: Wolfgang Rothe, S. 57–84.

Mautz, Kurt (1961): Mythologie und Gesellschaft im Expressionismus. Die Dichtung Georg Heyms. Bonn/Frankfurt am Main: Athenäum.

Raabe, Paul (1992): Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus. Ein bibliographisches Handbuch. Stuttgart: J. B. Metzler.

(23)

20

Rölleke, Heinz (1969): Zweiter Teil: Expressionistische Lyriker. Georg Heym. In: Rothe, Wolfgang (Hrsg.): Expressionismus als Literatur. Gesammelte Studien. Bern/München: A.

Francke, S. 354–374.

Schlocker, Georges (1956): Erster Teil. Die Lyrik des Expressionismus. Else Lasker-Schüler.

In: Friedmann, Hermann/Mann, Otto (Hrsg.): Expressionismus. Gestalten einer literarischen Bewegung. Heidelberg: Wolfgang Rothe, S. 140–154.

Reference

POVEZANI DOKUMENTI

Diese Fehler sind meines Erachtens auf der Stufe A1 und am Anfang der Stufe A2 nicht schwerwiegend, da die Lernenden noch nicht alle Regeln für die Adjektivdeklinati- on

Dass in unserem Fall nur noch die wenigsten deutschsprachigen Varianten für slowenische Toponyme im gesellschaftlichen Gedächtnis verankert sind und die Reisenden

Im Mittelpunkt der Dissertation von Nils Bernstein steht die Phraseologie in der moder- nen Lyrik des österreichischen Autors Ernst Jandl und des chilenischen Autors Nicanor

Sowohl Menuet en huit als auch en quatre finden in verschiedenen Tanztraktaten beiläufige Erwähnung, so etwa im Jahr 1772, als Carl Joseph von Feldtenstein in seinem

Georg Lechner, Franz Carl Remp zwischen Graz und Wien • Frančišek Karel Remb med Gradcem in Dunajem Edgar Lein, Preis und Wert der Malerei um 1700.. Zu den Kosten von Gemälden in

Landeshauptmann Hermann II. von Cilli, die Rechte der Kartause Freudenthal zu schützen, und am 18. August des gleichen Jahres befahl er Hermann II. von Cilli, dem Landesvizedom

Unter den behan- delten Genealogien der Familien Herberstein und Dietrichstein sind der Kupferstich für Johann Bernhard II. Herberstein von 1677 und die Ahnenrolle für

Die Kirche in Neunkirchen dürft e daher ebenfalls eine Grün- dung von Gottfried gewesen sein.Untermauert wird diese Annahme durch den Um- stand, dass die Kirchen von Pitten