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DIE NEUEN SOZIALEN BEWEGUNGEN — EIN NEUER SU BJEKTBEGRIFF?

Rado Riha

Das, was Habermas’ Theorie zu einer linken, die H ypothese der Emanzi­

pation vertretenden Theorie beitragen kann, ist ihre positive B ew ertung der Differenzierungen, der A bsonderungen und A bstraktionen im E ntwicklungs­

prozeß der kulturellen und gesellschaftlichen Moderne. Mit dieser Einstellung steht Habermas quer sowohl zu M arx — d. h. zu seinem Bestreben, alle syste­

misch verselbständigten Beziehungen in den H orizont der Lebensw elt einzu­

holen (cf. Habermas 1985, 84), jed e A bstraktion und A bsonderung als unselbst­

ständiges M oment der Selbstbeziehung und Selbstbew egung eines höherstu- figen, diese Abstraktionen w ieder einbegreifenden Subjekts aufzufassen — und er steht quer auch zum Selbstverständnis der späten K ritischen Theorie und ihrem Konzept der instrumentellen V ernunft, d. h. dem K onzept einer sich auf alle Bereiche des menschlichen Wissens und Handelns ausbreitenden, verdingli­

chenden, alle Differenzierungen einebnenden Zweckrationalität.

Ich m öchte im folgendem Habermas’ K ritik der verschiedenen Versuche, die modernen Gesellschaftsstrukturen zu entdifferenzieren, beim W ort nehmen und ihn zu denjenigen Gesellschaftstheoretikern einreihen, die, w enn ich einen Ausdruck von E. Laclau gebrauche, den konstitutiven Charakter der D ifferenz hervorheben und der Konstruktion einer in ihrer Einheit unproblem atischen Totalität absagen. Jedem wenn auch nur oberflächlichen K enner von H aber­

mas’ W erk ist damit klar, daß es sich hierbei nicht um eine imm anente Inter­

pretation handeln kann, sondern um einen A neignungsversuch, der gew iße interpretative Gewalttätigkeiten bew ußt in K a u f nimmt.

Das Problem der positiven Bewertung der D ifferen z bei Habermas m öchte ich auf einer elementaren Ebene angehen — auf der Ebene des Prinzips der Moderne, der Subjektivität, insofern dieses Prinzip auch ein Prinzip der Ent- zweitung, Differenzierung ist. Habermas Bestreben, das P rojek t der M oderne zu vollenden, sieht sich in bezug auf dieses Prinzip vo r die A u fg ab e gestellt, diese Entzweiung in ihrem positiven Sinn aufzufassen, d. h., den A u sw eg aus folgender Alternative zu finden: w eder ein Zuviel an D ifferenz, w eder das Prinzip der Entgegensetzung, der Ausschließung, noch ein Zuw enig an D iffe­

renz, also das Prinzip der Verinnerlichung, der Einebnung. W eder die D iffe ­ renzierung als etwas der Subjektivität bloß Äußeres, noch die D ifferenzierung als ein inneres, untergeordnetes M oment des selbstbezüglichen Subjekts, w eder

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das Subjekt als das beherrschende Gegenüber zur Welt im ganzen (ibid., 347), noch das S u bjekt als die B ew egung des Aneignens jedes Anders-Seins.

Für die erste M öglichkeit steht bei Habermas exemplarisch Kant, für die zw eite Hegel. Zw ischen diesen beiden M öglichkeiten liegt nach Habermas die Lösung der Junghegelianer und der Praxisphilosophie — das Vorhaben einer Entsublim ierung der V ern u n ft bzw . das Konzept der (immer schon) geschicht­

lich-gesellschaftlich situierten Vernunft.

Habermas sieht bekannterm aßen gerade in dieser dritten Möglichkeit zu­

m indest einen Ansatz, an den sein Paradigmen Wechsel von der subjektzentrier- ten zur kom m unikativen V ern u n ft anknüpfen kann. W ir wollen diesem W eg nicht folgen und zunächst eine eigene Lösung konstruieren: da die Differenz w eder als etwas bloß Ä ußeres auftretten soll, noch als etwas Inneres aufzu­

fassen ist, gilt es, das Ä u ßere so in das Innere einzubeziehen, daß es im Inneren als solches, d. h. als irrekdutibiles Äußere erhalten bleibt; wenn die Subjekti­

vität die D ifferenzierung w ed er ausschließen, noch sie einfach eingliedern kann, dann bleibt als Lösung, daß die Subjektivität in ihrem Inneren gespalten, der Ort dieser D ifferenzierung des Inneren vom Äußeren, eine paradoxe, unfaß­

bare, in einer beständigen Bewegung der Entzweiung, der Differenzierung be­

stehende Entität ist. W enn das Verhältnis zum Objekt fü r das Subjekt zwar wesentlich ist, das O bjekt aber vom Subjekt weder einverleibt noch als ein bloßes G egenüber gesetzt w erden kann, dann bleibt als Lösung, das zur Her­

ausbildung des Subjekts ein O bjekt gehört, daß vom Subjekt nie angeeignet oder verm ittelt w erden kann, w eil in ihm gerade das Da des Subjekts verankert ist, w eil es zum Dasein des gespaltenen Subjekts selbst gehört.

W ie paradox diese Lösung auch klingen mag, sie stimmt unserer Meinung nach mit dem Geltungsanspruch zweier prinzipiellen Argum ente überein, mit denen Habermas das K onzept der kommunikativen Vernunft einführt.

Das erste A rgum ent w ird von Habermas Einwand gegen Max Webers fal­

schen Gegensatz von substantieller und form aler Rationalität eingeführt, vom Einwand also, daß der Prozeß der Rationalisierung der kulturellen Moderne keineswegs bloß als durch Strukturen der Zweckrationalität bestimmt aufzu­

fassen ist, daß also in diesem Prozeß keineswegs alle inhaltlichen Konnota- tionen, alle Traditionsgehalte verloren gehen. Die kommunikative, als Resultat der Rationalisierung der Lebensw elt auf tretende V ernunft bringt zwar wirk­

lich die A u flösu n g jedes substantiellen Inhalts mit sich, sie hat einen rein pro­

zedurallen Charakter, sie ist aber keineswegs als etwas bloß Formelles auf­

zufassen, genauer gesagt, sie ist gerade in ihrer reinen prozeduralen Gestalt schon unm ittelbar inhaltlich, unmittelbar, wie Habermas sagt, in den gesell­

schaftlichen G esellschaftsprozeß verflochten (ibid, 394). Dieser paradoxe Sach­

verhalt des unm ittelbaren Umschlagens des Prozeduralen, Formalen, in etwas Inhaltliches bildet ein grundlegendes Merkmal des von Habermas’ beschriebe­

nen Rationalisierungsprozesses der Lebenswelt. Der Schlüssel zu dieser Ratio­

nalisierung liegt seiner M einung nach in einer Tendenz, die w ir folgenderm a­

ßen! beschreiben können: einerseits kommt es zu einer Verstärkung der allge­

m einen Strukturen der Lebensw elt im V erlaufe ihrer Ausdifferenzierung in Kultur, Gesellschaft und Person, zu einem Abstraktionsprozeß der allgemeinen Lebensweltstrukturen von den jew eils besonderen Lebensformen, andererseits bringt aber diese Tendenz auch eine wachsende Menge, eine Pluralisierung der konkreten Lebensform en, ihre sich vergrößende Mannigfaltigkeit und Zerstreung mit sich. Diese Entwicklungslinie der modernen Lebenswelt be-

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zeichnet Habermas dabei als Trennung von Form und Inhalt (400), es geht also um keinen Vermittlungsprozeß, sondern um ein radikales Auseinandertreten von Konkreten und Allgemeinen, um eine V ertiefun g ihrer D ifferen z (ibid., 397). Was hier von Habermas angesprochen wird, ist der paradoxe Sachverhalt, daß der Abstraktionsprozeß von jed er inhaltlichen Bestimmung, von jedem substantiellen Inhalt gerade als Förderung, K onstituierung des Inhaltlichen wirkt, daß die inhaltslose, prozedurale kom m unikative V ern u n ft unm ittelbar in etwas Substantielles umschlägt, daß also der Prozeß der A usdifferenzierung der Lebenswelt, diese gleichzeitige A rtikulation von Form und Inhalt, zwischen beiden das Verhältnis eines Nicht- Verhältnisses herstellt. Und w enn Habermas schreibt: »Rationalisierung der Lebenswelt bedeutet D ifferenzierung und V er­

dichtung zugleich — die Verdichtung der schw ebenden Textur eines Gespinstes aus intersubjektiven Fäden, welches die im m er schärfer ausdifferenzierten Bestandteile der Kultur, der Gesellschaft und der Person gleichzeitig zusam­

menhält«, (ibid., 400) dann spricht er diesen paradoxen Sachverhalt aus und verdeckt ihn zugleich. Es handelt sich näm lich nicht darum, daß die drei Be­

standteile der Lebenswelt als fertige, gegebene identische Entitäten von der kommunikativen Vernunft bloß zusammengehalten w erden : durch die V erdich ­ tung der intersubjektiven Verhältnisse w erden vielm ehr diese Bestandteile in ihrer Identität als konkrete Totalitäten überhaupt erst konstituiert. Habermas bleibt hier sozusagen auf der Schwelle einer positiven Bewertung und K on - zeptualisierung der Differenzierungen stehen, löst den A nspruch seines eigenen Differenzierungsargumentes, und das heißt, der Behauptung von einer gleich­

zeitigen, in einem Zug geschenden, aber m iteinander nicht zu verm ittelnden Ausbildung von Form und Inhalt, nicht ein. Er löst den A nspruch nicht ein, daß jede gesellschaftliche Identität sich als solche erst durch ein Netz v on Re­

lationen herausbildet und deshalb konstitutiv unabgeschloßen, offen ist.

Was ist aber dieser Inhalt, der nur in der fortw äh ren der D ifferenzierung, durch ein sich beständig transform ierendes System der Relationen besteht, was ist diese Identität, die in ihrem Inneren selbst von einem Äußeren, Hetero­

genem abhängt, sozusagen nur als ihr eigenes Ä u ßere existiert?

W ir können hier die A ntw ort darauf nur andeuten. Habermas geht es bekanntermaßen darum, den norm ativen Gehalt der M oderne zu retten, w obei der Diskurs der Moderne als eine beständige B ew egung der Selbstvergewisse- rung, als ruheloser Versuch der Moderne, ihr Selbstbewußtsein und ihre Norm en aus sich selbst zu schöpfen, beschrieben wird. Was ist nun dieser norm ative Gehalt der Moderne? Habermas führt öfters inhaltliche Bestimm ungen dieses Gehalts an, der gesamte Prozeß der gesellschaftlichen Rationalisierung wird zudem von ihm als ein aus dem H orizont der abendländischen V ern u n ft ent­

springende, sich als Erben des okzidentalen Rationalismus verstehende Unter­

nehmen verstanden. Wir möchten aber von diesen inhaltlichen Bestimm ungen zunächst abstrahieren und Habermas Bestim m ung der M oderne mit Foucaults Bestimmung der Aufklärung als Beginn der M oderne verbinden.

Was mit der Aufklärung, mit Kants Frage » Was ist A u fklärun g« beginnt, ist nach Foucault ein jetzt schon 200 Jahre dauerndes ruheloses Suchen der A ntw ort auf diese von Kant, w ie Foucault meint, so unvorsichtig gestellte Frage (Foucault 1984). Mit Kant beginnt nach Foucault eine neue A rt der Befragung der Moderne, der Kern des Neuen besteht aber darin, daß die M oderne als Frage eingeführt wird. Habermas Konzept der ruhelosen Selbst­

vergewisserung und Foucaults Bestimmung der m odernen Philosophie als eines

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200-jährigen erfolglosen Bemühens, auf die Frage der Aufklärung zu antworten, stützen sich offensichtlich auf dieselbe Voraussetzung eines offenen, niemals abgeschloßenen Prozesses der Selbst(Befragung), einer fortwährenden meto­

nym ischen V erschiebung der letzten Bedeutung. W ir wären sozusagen beim herm eneutischen V orran g der Frage v o r der A ntw ort angelangt. Nun, w ir fin ­ den aber bei Foucault in den Sätzen, mit denen er seine Interpretation der Schrift »W as ist A u fklärun g« abschließt, noch eine andere Bestimmung der A ufklärung :

» . . . die A ufklärung hat sich selbst A ufklärung benannt; sie ist ein unge­

w öhnlicher K ulturprozeß, der seiner selbst vermittels der Namengebung bew ußt w urde . . . ist nicht letztendlich die Aufklärung die erste Epoche, die sich selbst benennt?« (Foucault 1984, 36).

Einerseits ist die A ufklärung die 200-jahrige Tradition der beständigen Versuche, adäquat zu bestim m en, was denn die Aufklärung wirklich sei; ande­

rerseits insistiert durch diese verschiedentliche inhaltliche Bestimmung der A ufklärung hindurch als etwas Unveränderbares, Starres, der Name »A ufklä­

rung«. Diese Insistieren des Namens bis heutzutage zeugt davon, daß die Zeit­

genossen der A ufklärung ihre Epoche offensichtlich so benannt haben, wie diese Epoche in W ahrheit heißt, daß sie mit dem sym bolischen Namen einen festen , realen K ern an der Sache selbst getroffen haben.

W ir können uns hier auf die von S. Kripke in seinem Buch Name und N otw en d igkeit entw ickelte N amentheorie stützen. Kripkes Hauptanliegen in diesem Buch ist bekanntlich, den notwendigen Referenten des Namens zu bestimmen. In Bezug auf unser Thema lautete seine Frage also: was macht meinen G ebrauch des Namens »A ufklärung« zu einem Namen von ihr? Sein Ausgangspunkt ist eine K ritik des Deskriptivismus: der Name ist keine V er­

kürzung oder V erkleidung fü r eine Eigenschaft oder ein Bündel von Eigen­

schaften, m it denen w ir den Gegenstand beschreiben könnten. W ir kommen zum Referenten, so K ripke, nicht vermittels der Aufzählung von Eigenschaften, die den Gegenstand als einzigen qualitativ identifizieren, aus der Menge her­

ausgreifen würden. W enn w ir auf die Frage nach dem notwendigen Referenten antworten w ollen, müssen w ir nach Kripke den Namen vielm ehr als »starren Bezeichnungsausdruck« auffassen, w ir müssen davon ausgehen, daß er starr auf einen Gegenstand referiert. Und das heißt: er bezeichnet den gleichen G egenstand in allen m öglichen Welten, in jeder kontrafaktischen Situation.

W enn wir, um K ripkes Beispiel zu nehmen, Nixon bezeichnen als den Mann, der 1968 die Präsidentschaftswahl in den USA gewonnen hat, dann setzen wir mit dem Namen N ixon fest, daß wir, wenn w ir darüber reden, was in einer bestimmten kontrafaktischen Situation mit N ixon geschehen würde, darüber reden, was mit ihm, mit diesem Mann geschehen würde (cf. Kripke 1981, 60).

Mit dem Namen » X « w ird festgestellt, daß w ir von seinem Referenten, von ihm reden, auch w enn sich alle seine Eingenschaften verändern wurden.

Die erste Eigenschaft des Namens als starren Bezeichnungsausdrucks wäre also seine radikale K on tin gen z: der Name bezeichnet keine reale Qualität, er hat keine positive Bedeutung bzw. seine Bedeutung ist vollkom m en tauto- logisch (mit dem Namen »A ufklärung« w ird etwa die Epoche bezeichnet, die sich A ufklärung nennt), inhaltslos — er wirkt als suireferentieller Signifikant, als reiner Signifikant ohne Signifikat.

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Die zweite Eigenschaft des Namens, eigentlich die K ehrseite der ersten, ist aber, daß mit ihm als einer bloßen sym bolischen M arkierung die absolute N otw endigkeit eines realen Referenten eintritt. Mit dem Namen w ird die notwendige Existenz eines »X « am Gegenstand eingeführt, eine feste Identität, die w eder auf eine einzelne Eigenschaft noch auf das Bündel von Eigenschaften reduzierbar ist, noch ein »eingenschaftsloses Substrat« (ibid., 64) darstellt. A uch wenn in einer kontrafaktischen Situation der Gegenstand, auf den der Name referiert, alle seine Eigenschaften verlieren w ürde, referierte der Name auch weiterhin auf ihn. d. h. auf ein Etwas, auf ein reales » X « jenseits jed er p o­

sitiven Bestimmung. Der Mann N ixon hätte, um auf unser Beispiel zurück­

zukommen, auch nicht der Präsident sein können, er hätte auch kein R epu bli­

kaner sein können, es hätte auch sein können, daß er nicht N ixon genannt w ürde — es kann aber nicht der Fall sein, daß er hätte nicht N ixon sein können (ibid.). Der starre Bezeichnungsausdruck schlägt also als in sich bedeutungs­

lose symbolische Markierung unm ittelbar in eine paradoxe gegenständliche Qualität um, die konstitutiv »etwas m ehr«, »etwas anderes« als der Gegenstand selbst ist, jed e seiner Eigenschaften transzendiert. Sie stellt eine reale, obw ohl unmögliche Eigenschaft dar — reale, w eil sie die Konsistenz des Gegenstandes versichert, unmögliche, weil sie sich gegen jed e positive Bestim m ung sperrt, unsymbolisierbar ist.

Der Name hat also zwei Funktionen: er tritt als etwas bloß Sym bolisches, Inhaltslos-Formelles au f; als dieses »rein sprachliche« Element fungiert er auf der Ebene der Realität, er wirkt als deren notw endiger Bestandteil — durch den symbolischen Namen wird das H eterogene, M annigfaltige der Realität erst vereinheitlicht, geordnet, lesbar gemacht. Gleichzeitig tritt mit dem Namen ein realer, unveränderbarer Kern an der Sache selbst auf, etwas U nsym bolisier- bares, Nichtsprachliches, das aber nicht etwas der Sprache Transzendentes (ein Ding an sich) ist, sondern sich auf der Ebene der Sprache selbst befindet.

Nun, der normative Gehalt der M oderne hat unserer M einung nach die gleiche Struktur w ie der Referent in K ripkes Namentheorie. W enn Habermas von einen ständigen Prozeß des Selbstvergewisserns spricht, von einer stän­

digen Bewegung, mit der die M oderne ihre eigenen N orm e aus sich schöpft, so ist er beim W ort zu nehmen. Und das h eißt: diese unabgeschloßene N orm en­

suche bedeutet, erstens: der Diskurs der M oderne ist ein Diskurs, dessen N orm darin besteht, daß er beständig eine N orm sucht, den leeren Ort dieses norm a­

tiven Gehalts umkreist. Und zweitens: dieser norm ative Gehalt ist, auch wenn er in keiner positiven Bestimmung entgültig zu fixieren ist, bei w eitem keine bloße Illusion, kein bloßes Phantom, er w irk t vielm ehr als ein reales, dem Diskurs der Moderne seine Konsistenz verleihende M om ent, als Etwas, das auf der diskursiven Ebene den Platz des A ußerdiskursiven einnimmt. Er ist jenes Außerdiskursive, das zum Inneren des sym bolischen Diskurses gehört, insofern es verhindert, daß sich der Kreisprozeß des Selbstvergewisserns je ­ mals schließt — was auch sein Ende bedeuten würde.

W ir möchten jetzt kurz noch auf das zweite prinzipielle A rgum ent zu sprechen kommen, mit dem Habermas die kom m unikative V ern u n ft begründet.

Es handelt sich um Habermas’ w iderholte H ervorhebung des ambivalenten Charakters der Moderne: so w ie das Prinzip der M oderne, die Subjektivität, in einer verzerrten Form der objektivierenden Selbstobjektivierung erscheint, so gilt im allgemeinen auch fü r die kom m unikative V ernunft, daß sie im V erlauf der Modernisierung gleichzeitig entfaltet und entstellt wird. Haberm as’

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A rgum ent ist keineswegs neu, das M otiv ist mehr als genug aus M arx’ Ideo­

logiekritik bzw. seiner Fetischismusanalyse bekannt. Das ihn Habermas erneut anwendet, sollte als eine Ermahnung verstanden werden, daß es schon an der Z eit ist, endlich die m inim ale begriffliche Anstrengung zu leisten und die M erkm ale der Subjektivität — ihre verzerrte, unzulängliche Erscheinungsform, die zugleich ihre einzige Erscheinungsform ist — zusammenzudenken.

Das führt uns aber zum folgendem Schluß : die einzig angemessene Erschei­

nungsform des Subjekts liegt in ihrer Unzulänglichkeit, Unangemessenheit, in der im m er w ieder m ißlingenden Darstellung des Subjekts; d. h. das Subjekt ist nicht anderes als die U nm öglichkeit seiner eigenen Darstellung, eine Leer­

stelle, die als nachträglicher E ffekt seiner fortwährenden unzulänglichen Re­

präsentation hervorgebracht wird.

Hier können w ir Habermas’ Bestimmung der neuen sozialen Bewegungen (nsB) einführen. Habermas läßt die nsB auf der Stelle des Zusammenbruchs des sozialstaatlichen P rojekts d. h. auch des Zusammenbruchs der Gesellschaft als eines G roßsubjekts mit einem klaren Selbstbewußtsein und mit erfolgreich durchgeführter Selbsteinw irkung auftreten (Habermas 1985a). Wenn ich Haber­

mas richtig verstehe, dann erfüllen bzw. könnten die nsB die Funktion dessen erfüllen, was Habermas die Forsetzung des Sozialstaatsprojekts auf höherer Stu ffe nennt — zu dieser Fortsetzung gehört dabei auch eine Bewußtseinslage, in der das Sozialstaatsprojekt reflexiv wird. Diese Reflexivität wird von Haber­

mas selbst bekanntlich als eine Bändigung des Staatsapparates, der ursprüng­

lich die kapitalistische Ö konom ie zähmen sollte, beschrieben.

W ir selbst m öchten dieses R eflexivw erden des Sozialstaatsprojekts an un­

sere obige B em erkung vom Subjekt als der Unmöglichkeit seiner eigenen Re­

präsentation, als Leerstelle in der symbolischen Reproduktion der Lebenswelt anknüpfen: beim R eflexivw erden des sozialstaatlichen Projekts geht es also darum, daß die U nm öglichkeit der Gesellschaft, auf sich einzuwirken und ein klares Selbstbewußtsein auszubilden nicht nur zu Tage tritt, sondern daß die U nm öglichkeit der Selbsteinw irkung — allgemeiner gesagt, die Unmöglich­

keit eines gesellschaftlichen Verhältnisses, der Gesellschaft als eines in sich abgeschloßenen System s der D ifferenzen — als positive Bedingung des Ge­

sellschaftlichen erfahren wird. Die nsB vertretten, verkörpern gerade die Un­

m öglichkeit jed er Fixierung, jed er Abschließung der Gesellschaft, die für das G esellschaftliche konstitutiv ist. In dieser Funktion stellen sie wirklich eine

»Im plosion des Gesellschaftlichen«, d. h. die Einbeziehung seiner Grenze, seiner U nm öglichkeit dar. Und w enn Habermas davon spricht, daß die nsB nicht mehr an Steuerungsproblem en des Systems, sondern an Grenzverläufen zwischen System und Lebensw elt interessiert sind, dann könnten w ir das folgender­

maßen verstehen: das, w oru m es in den Käm pfen der nsB geht, ist genau die D ifferenzierung selbst, der K a m p f betrifft eine neue Bestimmung dieser D iffe­

renzierung, d. h. der fü r die Identität des Subjekts konstitutiven Differenz — er betrifft die Konstitution eines neues Subjekts.

LITERATUR

Foucault, M. 1984, Kant. Was ist Aufklärung, in: Un cours inédit, Magazinne littéraire, Paris.

Habermas, J., 1985, Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt/M.

Habermas, J., 1985a, Die neue Unübersichtlichkeit, Frankfurt/M.

Kripke, S. A ., 1981, Name und Notwendigkeit, Frankfurt/M.

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