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Celotno besedilo

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Mihâly Vajda

DIE NEUESTEN SOZIALEN BEWEGUNGEN IM LICHTE DER »POSTMODERN CONDITION«

1968 ist ein W endepunkt in der Nachkriegsgeschichte der m odernen W elt:

von da ab drängt die sogenannte neokonservative R ichtung die sozialliberale allmählich zurück. Es geht um keine dramatische W ende: sie scheint in der Rethorik der W ahlkämpfe viel drastischer zu sein als in der Realität der P o­

litik. W eder wollte die sozialliberale Richtung (wollten die sozialdem okrati­

schen oder sozialistischen Parteien) die Form der M odernisierung aufheben, die die möglichst größte A utonom ie der Gesellschaft gegenüber der U m gebung zu sichern scheint, d. h. die A usdifferenzierung von Systemen W irtschaft und Staatsverwaltung durch die Medien Geld und Macht (in der Term inologie der m arxistischen Tradition: die Sozialisten w ollten keineswegs die kapitali- schen Gesellschaft mit einer sozialistischen ersetzen), noch w ollen die N eo­

konservativen — die, was ihre A uffassung von der W irtschaft b etrifft, eigent­

lich liberal sind — den sogennannten Sozialstaat aufheben, auch w enn sie den Grad der Einmischung der politischen Macht in das W irtschaftssystem ver­

ringern wollen. (Wenn die Moderne auf System ebene eben durch die A u sd if­

ferenzierung von Subsystemen W irtschaft und Staatsverwaltung zu charakte­

risieren ist, so sind eigentlich die N eokonservativen die V ertreter der M oderne;

die Sozialliberalen setzen hingegen schon eine anti-m oderne T endenz in Gang).

Der Machtwechsel geht natürlich die System ebene an (und eben deshalb ist er nicht dramatisch: beide Pole sind näm lich Anhänger der M oderne), die Lebensw elt selber — wie sie von Habermas definiert w ird, d. h. die Privat­

sphäre und die Sphäre der Ö ffentlichkeit — ist durch die W ende, da sie keine drastische oder dramatische ist, unberührt geblieben. Es w äre doch falsch zu behaupten, daß es im letzten Drittel unseres Jahrhunderts in der Lebenswelt der modernen Gesellschaft zu keinen V eränderungen gekom m en ist. Ich w ürde sogar sagen, daß diese viel tiefgreifender waren, als die Ä nderungen des Systems, und zwar vor allem infolge der sozialen Bewegungen neuen Typs um 1968, die einerseits w oh l als der bisher letzte Schub von universalistisch­

welterlöserischen Bewegungen aufzufassen sind (man soll nur daran denken, w ie stark Lukacs’ G eschichte und K lassenbew u ßtsein auf sie einw irkte und w ie wichtig die Figur von Herbert M arcuse fü r ihre Teilnehm er war), anderer­

seits aber als Muster für alle späteren B ewegungen dienten, die, ob radikal oder eben nicht, nicht mehr auf die V eränderung des Systems, sondern nur auf die der Lebenswelt abzielten oder abzielen.

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Ich mache hier den Versuch, diese neuesten sozialen Bewegungen zu interpretieren. W ie das aus dem Gesagten hervorgeht, bediene ich mich dazu Habermas’ Deutungsschem a der Moderne, obw ohl ich seine utopische Per­

spektive gar nicht teilen kann. Die Rationalisierung der Lebensw elt, die Haber­

mas als die V ollendung des Projekts der Aufklärung bezeichnet, halte ich näm lich ebensow enig fü r wünschenswert wie sie mir als verwirklichbar er­

scheint. Ich bin zwar dam it einverstanden, daß » . . . nur die Handlungsbereiche, die ökonom ische und politische Funktionen erfüllen, auf Steuerungsmedien um gestellt w erden können« (Habermas). Daraus folgt aber nicht, daß » . . . diese M edien . . . in Bereichen der kulturellen Reproduktion, der sozialen Integration und der Sozialisation (versagen) ; sie können den handlungskordinierenden Mechanismus der Verständigung in diesen Fuktionen nicht ersetzen. Anders als die m aterielle R eproduktion der Lebenswelt kann deren symbolische Re­

produktion nicht ohne pathologische Nebeneffekte auf die Grundlage syste­

m ischer Integration um gepolt w erden« (Habermas). Einerseits: Von wem und w ie kann entschieden werden, was »pathologisch« ist und was nicht. Anderer­

seits: Habermas, der seinen eigenen Wunschtraum über die gesunde Gesell­

schaft und nicht das Funktionieren des Gesellschaftssystems vor Augen hat, w ill nicht wahrnehm en, daß Elemente und Formen der kulturellen Reproduk­

tion, der sozialen Integration und der Sozialisation, die selbst ökonomische und politische Funktionen erfüllen, wohl auf Steuerungsmedien umgestellt w erden können; und d. h. daß Kultur usw. so funktionieren, w ie das zum Funktionieren des Systems notw endig ist. Ich kann einfach nicht einsehen, w arum » . . . die Geister daran /scheiden/, ob sie an den Intentionen der A u f­

klärung, w ie gebrochen auch immer, festhalten, oder ob sie das Projekt der M oderne verloren geben« (Habermas). Diejenigen, die w ie Habermas an den Intentionen der A ufklärung festhalten und sehr viele unter denen, die das Projekt der M oderne aufgeben (die Altkonservativen und die wirklichen Neo­

konservativen), stehen sich in einem allzu wichtigen Punkt sehr nahe: wenn das zur m ateriellen R eproduktion der Gesellschaft notwendige System und be­

stim mte G ebiete der Lebenswelt (Kultur, soziale Integration, Sozialisation) keine Einheit bilden, so ist das ihrer Auffassung nach eine Krisenerscheinung oder ein pathologisches Phänomen.

Klar, die A ltagspraxis »w ould be impoverished through m ore traditiona­

lism «, aber ich kann nicht einsehen, warum die Alternative zu dieser Verar­

mung »a differentiated relinking o f modern culture /ein Produkt des modernen System s/ with an everyday praxis«, oder, mit anderen Worten, »the enrichment o f everyday life utilizing the accumulation o f specialized culture, that is to say the rational organization o f everyday social life« wäre. Ich halte es be­

stenfalls fü r einen Selbstbetrug des sogenannten humanistischen Intelektuel- len, wenn er sich davon überzeugen will, daß die vermittels der »Experten­

kultur« organisierte Lebensw elt (Alltagsleben und Öffentlichkeit) einen Selbst­

w ert habe und etwas anderes sei, als diejenigen ihrer Elemente und Formen, die der materiellen R eproduktion des Systems dienen. Dieser sogenannten Expertenkultur ist es auch bisher gelungen, die Lebenswelt der modernen Gesellschaften solcherart zu organisieren, d. h. zu rationalisieren, wie das zum Funktionieren des Systems notw endig gewesen ist. Was Habermas als K oloni­

sierung der Lebensw elt bezeichnet, ist eben deren »rationale« Organisation, d. h. das Einbringen der zum Funktionieren des Systems notwendigen Elemente der Expertenkultur in die Lebenswelt. V om Gesichtspunkt der klassischen 4 Vestnik IMS

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humanistischen Kultur erscheint eben diese Rationalität als Sinn- und Frei­

heitsverlust.

Der neokonservative Standpunkt (z. B. von D. Bell) begeht H aberm as’

Fehler nicht. Er sieht ganz genau, daß die K ultur unter dem D ruck der ök o ­ nomischen und administrativen Im perative rational wurde. Dem gegenüber klagt er die neuesten Erscheinungen der m odernen Kultur an, daß sie die Normen der protestantischen Ethik, d. h. die Normen, die die Arbeitsdisziplin und die staatsbürgerliche Disziplin unterstützen und fördern, untergräbt. Er sieht nämlich nicht, daß der Grad der Rationalität der Lebenswelt, der zum Funktionieren des Systems noch notw endig ist, auch dann noch aufrechter- halen werden kann, wenn sich die N orm en der Gesellschaft gelockert haben: Bei der neuesten Produktionsentw icklung ist die Askese, die v on der protestantischen Ethik gefordert wird, nicht nur unnötig, sie ist eben funktions­

widrig, w eil sie für den Überschuß der sozialen Energien einfach keine Kanäle anbieten kann. Und das heißt: Die »Rationalisierung« der Lebensw elt (Kultur, Lebensform, Öffentlichkeit) ist m it äußeren A rgum enten ebensow enig zu b e ­ gründen w ie das Projekt A ufklärung: Die Frage, wie, mit w elchen Mitteln solche »Projekte« überhaupt »durchgeführt« w erden könnten, w ill ich hier nicht einmal anschneiden.

Ich bin davon überzeugt, daß nicht nur einfach das Zu-E nde-D enken der theoretischen Alternative »A ufklärung — Traditionalism us« (Progress — K on ­ servativismus), sondern auch die W ahrnehm ung der neuen Züge und Quali­

täten der neuesten sozialen Bewegungen zu dem als »postm odern« bezeichneten Standpunkt geführt hat. Dieser Standpunkt ist, w as sein Verhältnis zur Lebens­

welt, Kultur usw. betrifft, in der Tat postm odern, indem er die obige A lter­

native »m odern oder traditionell« transzendieren w ill: Insofern es aber um das System (Produktion und V erwaltung) geht, w ill er die m oderne Form en ebensowenig aufheben, w ie der Aufklärism us oder Neokonservativism us. Die N egation der System integration d er bürgerlichen Gesellschaft ist von der Tagesordnung gesetzt worden.

Was doch ein gemeinsamer Zug des postm odernen Standpunktes und des Traditionalismus ist, ist die W ebersche Ü berzeugung, daß es ohne Tradition kein prinzipiengeleitetes moralisches Bewußtsein gäbe. Habermas tritt dieser Überzeugung gegenüber, und behauptet, daß die V ollendung der M oderni­

sierung nichts anderes sei als die Umstellung von sozialer Integration durch Glauben auf eine durch kom munikatives Einverständnis und K ooperation. Er scheint zu vergessen, daß 1) jedes Einverständnis und jed e K ooperation als ihr Material etwas Nicht-Rationelles, d. h. Traditionelles (Gegebenes) haben müssen (das ist letzten Endes der Sinn des Kantschen D ing-an-sich) ; und d. h., daß auch dann, wenn sich die Organisation der Lebensw elt ausschließlich auf die Elemente der »Expertenkultur« begründen würde, dies als eine be­

stimmte Tradition von den Mitgliedern einer bestimm ten Lebensw elt als der unabdingbare Grund der Kom m unikation gew ählt w erden würde. Und 2), daß auch in sozialen Integrationen, die sich auf Glauben gründen, die K om ­ munikation nicht ausgeschloßen ist: ein G laube muß nicht in dem Sinne

»irrational« sein, daß er in kom m unikativen Prozessen nicht erläutert-ge- deutet-interpretiert werden könnte.

Nachdem ich den Rahmen der Interpretation der m odernen sozialen Be­

wegungen geklärt habe, möchte ich kurz die Bewegungen selbst charakte­

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risieren. Seitdem der Prozeß der Modernisierun in Gang gesetzt wurde, war der Bezugspunkt der sozialen Bewegungen dieser Prozeß selbst.

1. Die frühesten Revolten gegen die Modernisierung hatten eindeutig einen rom antisch-antim odernistischen Charakter: sie wollten den Modernisie­

rungsprozeß schlicht und einfach zum Stillstand bringen und die traditionellen Lebensform en wiederherstellen. Die ersten Phasen der A rbeiterbew egung tra­

gen noch sehr deutliche Spuren dieser Einstellung. Und es wäre ganz falsch zu übersehen, daß auch der M arxsche Sozialismus als Ideologie der A rbeiter­

bew egung diesen rom antischen Zügen nicht entwuchs. Trotz Marxens Be­

geisterung fü r die Entw icklung der modernen Produktionskräfte zielte seine Kritik am Kapitalism us bloß auf jene Faktoren der m odernen Welt ab, die einzig der m odernen, sich dynam isch erweiternden Produktion eine »System ­ integration« versichern können: die W arenproduktion und der moderne büro­

kratische Staat.

2. Die sozialistisch-sozialdem okratischen Massenbewegungen um die Jahr­

hundertwende, die den Prozeß der Modernisierung bereits als eine Gegebenheit zur Kenntnis nahmen, schalteten — praktisch wenigstens — die romantisch­

antim odernistischen Elemente des Marxismus aus. Man könnte ruhig behaup­

ten, daß der sogenannte m arxistische Revisionismus der theoretische Ausdruck einer B ew egung war, die die Modernisierung zu Ende führen w ollte und auch konnte. Ohne diese B ew egung hätte das System, das aus einer bestimmten, sich ergänzenden K om bination von W arenproduktion und modernem büro­

kratischen W ohlfahrtsstaat besteht, nicht entstehen können. Wie dies wohl als erster K arl Polany in seinem Buch The Great Transformation bewiesen hat: Ohne diese B ew egungen hätte das Wirtschaftssystem seine eigenen Bedin­

gungen, näm lich Menschen, Natur, Organisation der Produktion zunichte ge­

macht. Die sozialistische A rbeiterbew egung als die Bewegung der Modernisie­

rung w ar aber so sehr rationalistisch-aufklärerisch eingestellt, daß sie mit den rational nicht begründbaren Traditionen der Lebenswelt gar nichts anfan­

gen konnte. M. e. wurzelte auch das Durcheinander im Verhalten der meisten Sozialdem okratischen Parteien am Anfang des ersten W eltkrieges in diesem ungeklärten Traditionsverhältnis.

3. Der Bankrott der sozialistischen A rbeiterbew egung einerseits, anderer­

seits der K rieg selbst, der der Modernisierung (oder deren aktuellen Form) auf ihr K onto gesetzt w erde konnte, führten zur Entstehung von zwei neuen Bewegungen, die ich — nach J effrey Herf -— Bewegungen des reaktionären M odernism us nenne: zur Entstehung des Faschismus und des Kommunismus.

Der Faschismus hat, w o er zur Macht kam, das System zweifelsohne m oder­

nisiert: W enn man nur an die Modernisierung der W irtschaft in Norditalien oder an die Förderung der m odernen Industriezweige und an die endgültige A u fh ebun g der Kleinstaaterei in Nazi-Deutschland denkt, muß man dies als Tatsache zugeben. W ährend er aber zur Entfaltung und W eiterentwicklung der m odernen kapitalistischen Produktion und zum Ausbau des modernen Staates eine unheim lich große H ilfe leistete, griff er, was die Sozialintegration b etrifft, zu den reaktionärsten Traditionen zurück. Es erübrigt sich hier detailliert zu analysieren, w ie sehr er vor allem die agressivsten Formen des sich aus nationalen Frustrationen ergebenden Nationalismus ausnutzen w ollte und konnte.

4. Der Kom m unism us als Bewegung hatte freilich ganz andere Zwecke, und auch das System , das er verwirklicht hat, zeigt ganz andere Züge auf.

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Trotzdem w ürde ich auch ihn als eine A ba rt des reaktionären M odernismus bezeichnen. Das Ziel war zweifelsohne die M odernisierung der W irtschaft und des Staates, dazu sind aber ganz spezifische, den russischen Traditionen entsprechende Mittel gewählt worden. Dieser russische Romantismus ist auch hinter der spezifischen Interpretation des M arxismus zu finden. Kein Zufall, daß romantisch eingestellte Intelektuelle, die fü r ein unverdorbenes Rußland geschwärmt hatten — Lukacs und Bloch etwa — K om m unisten wurden.

Statt Ausdifferenzierung von zwei voneinander relativ unabhängigen Subsystemen — W irtschaft und Staat — w ollte der K om m unism us die Wirt-, schaft mit Hilfe des Staates m odernisieren; das so entstandene einheitliche System w ird ausschließlich durch das M edium Macht gesteuert. Diese Lösung bedeutete von vornherein, daß die Lebenswelt (Kultur, soziale Integration, Sozialisation) dem System total unterordnet ist. W enn man überhaupt die Metapher »Kolonisation der Lebenswelt« verw enden kann, dann trifft sie für den Kommunismus zu, w o schon K eim e einer relativ unabhängigen Gesell­

schaft, der »Lebenswelt«, vom Staat, vom m onolitischen System unterdrückt werden.

Die neuesten Bestrebungen des kom m unistischen Systems zur A u sd iffe­

renzierung der Subsysteme, zur Förderung eines relativ unabhängigen W irt­

schaftssystems sehen deshalb so hoffnungslos aus, w eil das unausdifferenzierte, monolitische System praktisch all die K räfte vernichtet hat, die als A genten einer wirklich modernen Entwicklung hätten auftretten können. In einer

»verstaatlichten« Lebenswelt gibt es auch keine Kultur und keine Sozialisa­

tionsprozesse, die der Moderniserung w eiterhelfen könnten.

Wenn ich trotz alledem den K om m unism us doch nicht als A ntim oder­

nismus, sondern als eine Abart des reaktionären M odernism us bezeichne, dann tue ich das nur deshalb, w eil auch vom K om m unism us die materielle R epro­

duktion der Lebenswelt auf eine — w enn auch schlecht funktionierende — moderne industrielle Basis umgestellt w urde, während die Sozialintegration — wenn man sie von der System integration überhaupt unterscheiden darf — vermittels der alten russischen Traditionen verw irklich t wurde. (Es versteht sich von selbst, daß die gegenwärtigen M odernisierungsversuche in den russi­

schen Teilen der Sowjetunion und in den Satellitenländern eben deshalb ein fast hoffnungsloses Unternehmen bleiben müssen.)

5. Im Grunde genommen führten die E rfolge der M odernisierung, die ich als Vollendung des Modernisierungsprozesses interpretieren würde, teils aber auch das Scheitern der Bestrebungen des reaktionären M odernismus, des weiteren bestimmt auch die Auseinandersetzung der m odernen W elt m it den nicht-m odernen dazu, daß die Bewegungen der m odernisierten W elt aufhörten, für oder gegen die M odernisierung aufzutreten. Sie nehmen die Strukturen der modernen Welt als gegeben an, w ollen nicht m ehr das W irtschaftsystem als solches oder den m odernen Staat als solchen vernichten, umgestalten oder weiterbauen. Sie sind »postm oderne B ew egungen«. Resigniert, neutral oder eben feindselig, aber doch realistisch dem System gegenüber eingestellt, w ollen sie vor allem die »Lebensqualität« verbessern, dem Leben des Individuum s (oder von bestimmten Individuen), das (oder die) das System als gegebene Bedingung fü r die materielle R eproduktion seiner (ihrer) selbst und seiner (ihrer) Umgebung wahrnimmt (oder wahrnehm en), einen Sinn geben. Dies alles tun sie — dadurch entsteht die Buntheit oder die V ielförm igkeit dieser Be­

wegungen — im Zeichen der unterschiedlichsten Traditionen (unter denen

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ist die der A ufklärung auch nicht ausgeschloßen). Selbst Habermas, der das Projekt der M oderne noch vollenden, d. h. auch die Lebenswelt an das ratio­

nale System anpassen m öchte, ist sich im klaren darüber, daß »die neuen K onflikte . . . in Bereichen der kulturellen Reproduktion, der sozialen Inte­

gration und der Sozialisation entstehen« (Habermas), daß »die neuen K on ­ flikte . . . sich nicht an V erteilungsproblem en, sondern an Fragen der Gram­

matik von Lebensform en« entzünden. Sogar Habermas sieht also den Mo­

dernisierungsprozeß des System s als vollendet. W enn aber die neuesten K on­

flikte K on flikte der Lebensw elt sind, wenn die neuesten Bewegungen die Gestaltung oder N eugestaltung der Lebenswelt — deren Form und Inhalte von der M odernisierung des materiellen Reproduktionsprozesses notwendiger­

weise weit w eniger determ iniert sind, als das früher der Fall war — anstreben, dann ist es überhaupt nicht zu verstehen, warum die Prozesse innerhalb der Lebensw elt eine bestim m te Richtung einschlagen, warum sich die Lebens­

welten durch E xpertenkulturen rationalisieren lassen sollten, warum bestimmte Traditionen nicht gew ählt w erden dürften, wenn die Lebenswelten ihre K on­

flikte w om öglich mit relativ friedlichen Mittel zu lösen versuchen? Die A u f­

klärung träum te über eine einheitliche rationale Lebenswelt, deren Inhalte durch die rationalen W issenform en bestimmt waren. Es gibt aber keine einheitliche rationale Lebenswelt, es gibt keine einheitliche rationale Kultur oder Sozialisation, und es kann sie auch nicht geben. Dies alles existiert ausschließlich in der Phantasie der Intelektuellen, die um ihre universelle Stel­

lung in der m odernen W elt fürchten. W ir müssen aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur Kenntnis nehmen, daß die Bewegungen der Gegenwart und der näheren Zukunft, die unsere W elt gestalten, partikularistische Bewegungen von partikulären Gruppen sind und bleiben, die auf ihre eigenen Traditionen zurückgreifen, ihre eigene Lebensform en ausbauen wollen, ohne sich univer- salisieren zu lassen. Und w enn sie fähig wären, sich in gegenseitiger Toleranz zu üben, dann reichte das auch.

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