• Rezultati Niso Bili Najdeni

3.4 Der Dichter

3.4.1 Der Dichter und das süße Mädel

Die nächste männliche Figur im Drama ist der Dichter, der im ersten Teil mit dem süßen Mädel und im zweiten mit der Schauspielerin auftritt. In den beiden Dialogen werden zwei verschiedene Frauentypen vorgestellt, für die sich dieser Dichter interessiert: die junge Femme enfant auf der einen und die Schauspielerin, also fast wie eine Muse, welche seine Kunst ins Leben ruft, so dass man sie sehen, hören und auch anfassen kann, auf der anderen Seite.

Ein Dichter kann von der gesellschaftlichen Position her in verschiedene Schichten eingeordnet werden: Von den armen jungen Dichtern, die ums Überleben kämpfen mussten und mit Schreiben gerade genug verdienten, um sich ein Zimmer und etwas Brot zu leisten, bis zu den etablierten Dichtern, die schon viel Erfolg hinter sich hatten und ein finanziell sorgenfreies Leben genießen. Der Dichter, den man in diesem Drama auffindet, gehört zu der

zweiten Gruppe. Es ist ein älterer, etablierter und bekannter Dichter. Im ersten Teil hat man also wieder eine große Diskrepanz, sowohl zwischen Gesellschaftsschichten, als auch im Alter.

Gleich am Anfang kommt wieder das Motiv der Dunkelheit vor, dieses Mal in Form eines halbverdunkelten Raumes, in dem der Dichter seine Werke verfasst. Er bringt das süße Mädel also dorthin, wo er arbeitet, wo er dichtet, wo er seine Kreativität und Inspiration auf Papier bringt. Das süße Mädel sagt zuerst, es bliebe nur eine Minute, lässt sich dann aber schnell dazu überreden, sich doch auszuziehen und es sich gemütlich zu machen. Die Situation erinnert an den Teil zwischen dem jungen Herrn und der jungen Frau, als diese auch zuerst nur ganz kurz bleiben wollte. Wir erfahren auch, wo das süße Mädel und der Dichter waren.

Sie hatten einen langen Spaziergang und sind dann zum Dichter nach Hause gefahren. (vgl. R, 71) Der Dichter will ihm dann etwas am Pianino vorspielen und ist begeistert, wie begrenzt das Weltbild des süßen Mädels ist:

Das süße Mädel.

Geh', ich bin doch nicht so dumm.

Der Dichter.

Freilich bist du so dumm. Aber gerade darum hab' ich dich lieb. Ah, das ist so schön, wenn ihr dumm seid. Ich mein' in der Art wie du. (R, 72)

Es wird deutlich, wie unterschiedlich die Welten der beiden sind, vor allem im intellektuellen Sinne. Der Dichter ist viel erfahrener, auch gebildeter, und scheint diese unschuldige Dummheit des süßen Mädels sehr zu genießen. Er ist dem süßen Mädel sowohl sozial als auch intellektuell weit überlegen und sieht es nicht als einen ebenbürtigen Menschen an, sondern fast nur als eine Puppe zum Vergnügen, seine Dummheit dagegen auch als eine Quelle der Inspiration. Weiterhin findet man wieder das Motiv des Lichtes und der Dunkelheit vor. Wieder handelt es sich um ein Versteckspiel vor der Gesellschaft, jedoch kann man hier noch einen zweiten Grund finden. Den Dichter inspirieren die Dämmerung und der verdunkelte Raum, in dem sein physisches Sehen zwar beinträchtig ist, er aber seiner Kreativität mehr entnehmen kann. Das süße Mädel fragt ihn, ob er nicht etwas mehr Licht im Raum machen könnte, er erklärt ihm aber warum das nicht möglich sei. Inspiriert von seinen Erklärungen, fängt er an, sich Notizen zu machen und zu dichten:

Der Dichter.

Oh nein .... Diese Dämmerung tut ja so wohl. Wir waren heute den ganzen Tag wie in Sonnenstrahlen gebadet. Jetzt sind wir sozusagen aus dem Bad gestiegen und schlagen .... die

Dämmerung wie einen Badmantel (lacht) ah nein – das muß anders gesagt werden .... Findest du nicht?

Das süße Mädel.

Weiß nicht.

Der Dichter (sich leicht von ihr entfernend).

Göttlich, diese Dummheit! (Nimmt ein Notizbuch und schreibt ein paar Worte hinein.) Das süße Mädel.

Was machst denn? (Sich nach ihm umwendend.) Was schreibst dir denn auf?

Der Dichter (leise).

Sonne, Bad, Dämmerung, Mantel .... so .... (steckt das Notizbuch ein. Laut). Nichts .... Jetzt sag' einmal, mein Schatz, möchtest du nicht etwas essen oder trinken? (R, 73)

Wenn der Soldat und der junge Herr sehr auf die gegenwärtige Situation und auf das Ziel des Geschlechtsverkehrs fokussiert waren, können wir in diesem Zitat erkennen, dass der Fokus des Dichters ganz anders liegt, denn er scheint. seiner Inspiration zum Dichten unterlegen zu sein und der Geschlechtsverkehr rückt in den Hintergrund und kommt erst dann zustande, wenn er seine Inspiration ausschöpfte. Er fühlt also keinen Zwang, sich zu beweisen, es gibt keine Verführung, er hat die soziale Position, das Ansehen und die Macht, die ihn glauben lassen, dass sein Ziel ohne große Anstrengung leicht zu erreichen ist. Er fühlt sich fast dazu berechtigt, sich an so einem jungen unwissenden Mädel zu vergehen, da dieses es, wegen seiner Dummheit sowieso nicht besser weiß. Als die beiden dann weiter übers Essen und Trinken sprechen und der Dichter nur Cognac zu Hause hat, versucht das süße Mädel, wie schon beim Gatten, ein kleines Stück Luxus zu bekommen und mit dem Dichter ins Gasthaus zu gehen, um es sich dort gemütlich zu machen. Hat man den Lügen des süßen Mädels früher vielleicht noch glauben können oder wollen, so erkennt man jetzt, dass dieses süße Mädel doch nicht so süß ist und schon ganz viele Männer verführt hat. Auch dem Dichter liegt aber nicht mehr am süßen Mädel als die Befriedigung und die Inspiration durch seine Dummheit.

Das wird im weiteren Geschehen deutlicher, als der Dichter sagt, er kann sich nicht mehr genau daran erinnern, wie es aussieht, er will aber trotzdem nicht das Licht anmachen. Für seine Inspiration ist ihm das Aussehen des Mädels auch nicht wichtig, was aber im Vordergrund steht, sind seine einfachen Gedanken, sein einfaches Weltbild. Er genießt das magische an der Dunkelheit, schwebt in seiner Gedankenwelt herum, stellt sich vor, in einem indischen Schloss zu sein, was sich das süße Mädel natürlich nicht vorstellen kann, was den Dichter amüsiert. (vgl. R, 74–75) Bevor es dann zum Geschlechtsverkehr kommt, will der Dichter dem süßen Mädel auch seinen Künstlernamen preisgeben, der süße Duft des Mädels und die Lust überwältigen ihn aber und er stürzt sich auf es und reißt ihm die Kleider vom

Körper. Er nennt es auch „mein Frühling“, was darauf hindeuten könnte, dass der Dichter solche jungen Mädchen auch als Inspiration nutzt um jung zu bleiben. Das Mädel ist also sein Frühling, es versetzt ihn in seine Jugend zurück und gibt ihm, wie eine Art Muse, durch seine jugendliche Dummheit und Unschuld auch die Kraft zum Dichten.

Nach dem Geschlechtsverkehr erzählt er ihm dann auch, dass sein Künstlername Biebitz sei, das süße Mädel kennt ihn aber nicht, was ihn überrascht, da er sonst wohlbekannt ist.

Zugleich freut es ihn aber auch, dass er jemanden gefunden hat, der ihn nicht wegen seines Ruhmes gern hat, sondern aufgrund dessen, wer er wirklich ist. Für das süße Mädel ist nicht wichtig, wer der Mann ist, berühmt oder nicht, es ist wichtig, dass er eine gute Machtposition hat und genug Geld, dass es mit ihm als Geliebten gemütlich ist. Der Dichter hingegen plant schon, wie er es wiedersehen könnte und geht im Gegensatz zum Gatten noch einen Schritt weiter. Er will, dass sie sich für eine längere Zeit irgendwo in Einsamen in der Natur sehen.

[...]

Sag', kannst du dich auf ein paar Wochen ganz frei machen?

[...]

Ich hatte es mir schön vorgestellt, mit dir zusammen, allein mit dir, irgendwo in der Einsamkeit draußen, im Wald, in der Natur ein paar Wochen zu leben. Natur .... in der Natur. Und dann, eines Tages Adieu – von einander gehen, ohne zu wissen, wohin.

Das süße Mädel.

Jetzt redst schon vom Adieusagen! Und ich hab' gemeint, daß du mich so gern hast. (R, 78) Er will sich also an ihm sättigen, es für Inspiration und als eine Muse ausnützen und es, wenn es seinen Zweck erfüllt hat, wegschicken. Am Ende verabreden sie sich dann doch vorerst nur für ein weiteres Treffen und der Dichter möchte dem süßen Mädel auch eine Karte fürs Theater schicken, damit es ein Stück von Biebitz sehen kann und es ihm dann beschreiben soll, was es dabei empfand. (vgl. R, 79) Damit will er auch seine Wichtigkeit, seinen Einfluss und im Endeffekt seine Macht zeigen. Aus dem Kontext der gesamten Kommunikationssituation geht hervor, dass er Dichter wahrscheinlich erwartet, dass die Dummheit des süßen Mädels ihn wieder inspiriert, weil es den Text mit seinem begrenzten Weltbild und aus einer einfachen Perspektive verstehen wird. Der Dichter ist also in einer Position des Ruhmes, in einer Position der Macht und er hält es für sein Recht, mit Personen so umzugehen, wie es ihm beliebt, da die meisten ihm sozial und intellektuell unterlegen sind.