• Rezultati Niso Bili Najdeni

3.3 Der Gatte

3.3.1 Der Gatte und die junge Frau

Die dritte männliche Person, die man in den folgenden zwei Dialogen findet, ist der Gatte. Im ersten Dialog spielt die Situation im Schlafzimmer mit der jungen Frau, die sich in einer Szene zuvor mit dem jungen Herrn traf. In diesem Teil handelt es sich also um die erste Situation, in der das Zusammentreffen nichts Verbotenes oder Unsittliches wäre, da es sich um ein verheiratetes Ehepaar handelt. Dem Dialog kann man entnehmen, dass der Gatte einige Jahre älter ist als die junge Frau. Er nennt sie „mein Kind“, was nicht gerade ein alltäglicher Kosename für Ehepartner ist. Auch die Ehe an sich scheint etwas merkwürdig zu sein, da die Beiden scheinbar unterschiedliche Vorstellungen über die Ehe haben. Der Gatte meint sogar, man muss in der Ehe auch mal vergessen, dass man sich liebt.

Der Gatte.

Nichts, mein Kind. Verliebt bin ich in dich! Das weißt du ja!

Die junge Frau.

Man könnte es manchmal fast vergessen.

Der Gatte.

Man m u ß es sogar manchmal vergessen.

Die junge Frau.

Warum?

Der Gatte.

Weil die Ehe sonst etwas unvollkommenes wäre. Sie würde .... wie soll ich nur sagen .... sie würde ihre Heiligkeit verlieren.

Die junge Frau.

Oh ....

Der Gatte.

Glaube mir – es ist so .... Hätten wir in den fünf Jahren, die wir jetzt miteinander verheiratet sind, nicht manchmal vergessen, daß wir ineinander verliebt sind – wir wären es wohl gar nicht mehr.

Die junge Frau.

Das ist mir zu hoch.

Der Gatte.

Die Sache ist einfach die: wir haben vielleicht schon zehn oder zwölf Liebschaften miteinander gehabt ... Kommt es dir nicht auch so vor?

Die junge Frau.

Ich hab' nicht gezählt! – (R, 51)

Der Gatte erläutert hier sein eher konservatives Weltbild, während die Frau noch vor kurzem, vielleicht sogar am selben Abend, mit jemand anderem Geschlechtsverkehr hatte. Doch auch der Gatte hat seine Geheimnisse, was im nächsten Dialog zum Vorschein kommt. Der Gatte sieht die Ehe als eine Art Zyklus von Liebe und Freundschaft. Die Liebe kommt hin und wieder und dauert so auch länger, denn sonst würde man anfangen sich zu langweilen. Diese Freundschaft kann sogar mehrere Monate andauern und die Liebe, zumindest die körperliche und sexuelle, kommt sehr selten an die Reihe.

Die junge Frau.

Und jetzt ... scheint also wieder eine Freundschaftsperiode abgelaufen zu sein –?

Der Gatte (sie zärtlich an sich drückend).

Es dürfte so sein.

Die junge Frau.

Wenn es aber .... bei mir anders wäre.

Der Gatte.

Es ist bei dir nicht anders. Du bist ja das klügste und entzückendste Wesen, das es gibt. Ich bin sehr glücklich, daß ich dich gefunden habe.

Die junge Frau.

Das ist aber nett, wie du den Hof machen kannst – von Zeit zu Zeit. (R, 52)

Der Mann hat im konservativen Umfeld eine soziale Machtposition auch im Privaten, in der Ehe. Die Frau muss sich den Gefühlen und Wünschen ihres Mannes anpassen. Der Mann ist in der Ehe derjenige, der in Sachen Sexualität entscheidet. Da es sich bei der Figur des Gatten auch um einen eher stereotypischen konservativen Mann jener Zeit handelt, könnte man dieses Bild auch auf die breitere Gesellschaft jener Zeit projizieren, in der die Männer die Macht über die Frau hatten. Diese gesellschaftliche Machtposition war vorwiegend auf das öffentliche Leben gebunden, wohingegen die Rollen im sexuellen Bereich auch anders verteilt

sein konnten. Diese konservative Repräsentation einer Ehe verdeutlicht das rigide Sexleben dieser Zeitperiode. Sie sprechen über junge Frauen, die nicht aus gutem Hause kommen und nicht auf einen Ehemann warten, aber sich verkaufen oder schon vor der Ehe Geschlechtsverkehr haben, und auch über jene, die während der Ehe fremdgehen. Während der Gatte Mitleid mit solchen Frauen hat und sie als arme Geschöpfe bezeichnet, die immer tiefer fallen, verteidigt sie die junge Frau und sagt, es ginge ihnen nicht schlecht. Sie beendet auch einige Sätze ihres Mannes mit Worten, die er nicht sagen wollte, was den Mann verwirrt und in einigen Stellen leicht schockiert. Auf die Fragen ihres Mannes antwortet sie sehr geschickt und gibt vor, sehr unwissend zu sein. Sie möchte vom Gatten auch erfahren, wie viele Frauen er vor ihr in seiner Jugend schon hatte. Der Gatte weicht der Frage vorerst aus und möchte, dass sie ihm verspricht, mit keinen unsittlichen Frauen zu verkehren. (vgl. R, 53–

55) Als sie weitersprechen, kommt ein Teil der Wahrheit dann ans Licht.

Der Gatte.

Nein, es ist nicht einmal ein Rausch. Wie immer – teuer bezahlt, das ist gewiß!

Die junge Frau.

Also ... du hast das einmal mitgemacht – nicht wahr?

Der Gatte.

Ja, Emma. – Es ist meine traurigste Erinnerung.

[...]

Der Gatte.

Sie ist tot.

Die junge Frau.

Im Ernst?

Der Gatte.

Ja ... es klingt fast lächerlich, aber ich habe die Empfindung, daß alle diese Frauen jung sterben.

Die junge Frau.

Hast du sie sehr geliebt?

Der Gatte.

Lügnerinnen liebt man nicht.

[...]

Der Gatte.

Sprich nicht mehr davon ich bitt' dich. Alles das ist lang vorbei. Geliebt hab' ich nur eine – das bist du. Man liebt nur, wo Reinheit und Wahrheit ist. (R, 56–57)

Die Scheinheiligkeit des Gatten spiegelt sich auch in seinen Taten wieder, was im nächsten Dialog deutlich wird. Die zweierlei Standards für Männer und Frauen in Bezug auf Sexualität verweisen auf ein interessantes Konzept, welches sowohl damals als auch teilweise heute zu beobachten ist. Außerhalb der Ehe darf ein Mann mit einer Frau schlafen und es wird höchstens als ein Fehler empfunden, wohingegen beim gleichen Handeln die Frau zu einem armen Geschöpf wird und von dieser einen Tat für immer geprägt bleibt. Der Gatte hatte Geschlechtsverkehr mit einer dieser Frauen und diese Erinnerung bezeichnet er als traurige Erinnerung, die ihm Unwohlsein bereitet. Gleichzeitig behauptet er aber, dass diese Frauen immer tiefer sinken und oft jung sterben. Was am Ende des Gespräches aber eher ironisch wirkt, ist, dass der Mann glaubt, dass seine Frau treu sei und nur die Wahrheit erzählt und er sie deshalb auch so liebt ‒ also hin und wieder. (vgl. R, 57)

Es kommt dann auch zum Geschlechtsverkehr, wobei der Gatte davor noch etwas sehr Interessantes sagt: „Oh, wie sicher, wie wohl fühlt man sich in solchen Armen. Warum hab' ich dich nicht schon als Kind gekannt? Ich glaube, dann hätt' ich andere Frauen überhaupt nicht angesehen.“ (R, 57) Sein Frauentyp ist wohl die Femme enfant, also die Kindfrau, was auch die Geschichte über die Frau in seiner Vergangenheit bestätigt, mit der er geschlafen hat und die gestorben ist.

Im Gegensatz zu den vorigen Szenen, fängt hier der Geschlechtsverkehr bei Licht an, wobei gleich am Anfang das Licht doch noch ausgemacht wird und das Ereignis als solches wieder im Dunklen stattfindet. Nach dem Geschlechtsverkehr ist die junge Frau auch glücklich und sagt dem Gatten, dass sie das an Venedig erinnert und dass es schön wäre, wenn sie öfters wüsste, dass er sie lieb hat. Der Gatte erwidert wieder mit seinen Überzeugungen darüber, dass alles in der Ehe seine Zeit habe. Danach beendet er auch das Gespräch und sagt „gute Nacht, mein Kind“. (vgl. R, 57–58) Weil der Gatte seine Frau als unwissend ansieht und ihr über die Welt erzählt, wirkt dies am Ende, als ob es sich nicht um ein Ehepaar handelt, sondern um einen Vater, der sein Kind noch belehren möchte und es dann schlafen legt. Er war also jetzt befriedigt und hatte keine Lust oder Energie, mit seiner jungen Frau zu diskutieren. Obwohl der Ehemann derjenige ist, der entscheidet, was in seiner Ehe passiert, hat aber auch seine Frau eine Position der Macht, und zwar über sein Unwissen, indem sie einen Geliebten hat. In diesem Dialog wird außerdem sehr anschaulich dargestellt, wie patriarchal die Gesellschaft damals war und was für eine Machtposition die Männer innehatten. In den Zeiten der Jahrhundertwende änderte sich auch schon einiges im Bereich der Ehe, trotzdem aber blieben diese Relikte der Vergangenheit bestehen, wo Ehe oft auch nur

als Zweck zum Machtgewinn, Profit und Ansehen diente und nicht primär ein Liebesbund war.